Die WestLB, einst stolze Landesbank Nordrhein-Westfalens, ist eigentlich Geschichte. Doch ab und zu gären Blasen aus den in tiefem Wasser endgelagerten Altlasten an die Oberfläche. Der Rücktritt des Portigon-Chefs Kai Wilhelm Franzmeyer am Mittwoch ist einer dieser Anlässe. Was ist Portigon und was ist passiert?
Als klar war, dass die WestLB nach schiefgelaufenen Spekulationsgeschäften nicht mehr vor der 2008 eskalierten Finanzkrise zu retten war, folgte ihre Spaltung in mehrere Teile, einer davon Portigon. Die Fragmente im Einzelnen:
- Eine EAA getaufte Bad Bank, in der Giftpapiere und Bilanzreste endgelagert und abgewickelt werden.
- Ein Dienstleister namens Portigon, dessen Mitarbeiter die Abwicklungsarbeit für das nur spärlich mit eigenem Personal ausgestattete Endlagervehikel EAA operativ umsetzen.
- Das überlebensfähige Geschäft mit den rheinisch-westfälischen Sparkassen, welches mit der hessischen Landesbank Helaba fusionierte.
- Die Immobilientochter Westimmo, die unter dem Dach der Wiesbadener Aareal Bank Zuflucht fand.
WestLB: Von der „Hülfskasse“ zur Zerschlagung
Die Westdeutsche Landesbank hat eine lange und wechselhafte Geschichte. Das Institut geht zurück auf die Gründung der „Westfälischen Provinzial Hülfskasse“ vor 179 Jahren und deren Pendant im Rheinland.
Die Westfälische Provinzial-Hülfskasse nimmt in Münster ihre Tätigkeit auf. Gut 20 Jahre danach startet ihr Pendant im Rheinland
Das Land NRW wird Anteilseigner beider Landesbanken
Aus der Fusion beider Landesbanken entsteht die Westdeutsche Landesbank Girozentrale (WestLB)
Durch Devisenspekulationen verzockt die WestLB fast ihren gesamten Jahresgewinn.
Friedel Neuber wird Bankchef und leitet über zwei Jahrzehnte die Geschicke des Bankkonzerns. Unter seiner Führung wird die WestLB zu einem der einflussreichsten Kreditinstitute in Deutschland und zu einem Instrument der Industriepolitik für die NRW-Regierung
Die Rubelkrise und der Zusammenbruch des russischen Anleihemarkts brockt der WestLB einen Milliardenverlust ein.
Die WestLB soll an das Land auf Geheiß der EU eine illegale Beihilfe über 808 Millionen Euro zurückzahlen. Ein jahrelanger Rechtsstreit folgt.
Die WestLB wird auf EU-Druck aufgespalten in die WestLB AG für kommerzielle Geschäfte und die NRW.Bank für das Fördergeschäft
Die WestLB erlebt mit Fehlinvestitionen unter anderem beim britischen Fernsehverleiher Boxclever ein Fiasko. Die Bank verbucht Milliardenverluste
Wegen unerlaubter Beihilfen des Landes NRW muss die WestLB auf Druck der EU 1,4 Milliarden Euro zurückzahlen. Bei der WestLB entsteht ein Verlust von 1,2 Milliarden.
Am 19. Juli beginnt für die Landesbanken eine neue Ära: Die Staatsgarantien fallen weg. Nach einer Kapitalerhöhung sind die beiden Sparkassenverbände im Rheinland und Westfalen mit insgesamt 51 Prozent Mehrheitseigentümer der WestLB
Händler der WestLB setzen 600 Millionen Euro in den Sand. Chef Thomas Fischer tritt zurück. Nachfolger wird Alexander Stuhlmann von der HSH Nordbank. Die EU gibt grünes Licht für eine staatliche Kapitalspritze über 6,2
Milliarden Euro, die die Bank zur Aufspaltung in die NRW-Bank und die WestLB braucht.
In einer Rettungsaktion geben die Eigentümer fünf Milliarden Euro Garantien für faule Papiere
Harte EU-Auflagen: Die WestLB muss um die Hälfte verkleinert werden und bis Ende 2011 mehrheitlich in neue Hände kommen
Der Bund steigt in die WestLB mit einer Kapitalspritze von drei Milliarden Euro ein. Damit wird die Auslagerung von risikoreichen und nicht mehr zum Kerngeschäft gehörenden Papieren in eine „Bad Bank“ möglich.
Bund, Land und Sparkassen beschließen das Konzept für die Zerschlagung der WestLB. Die EU-Kommission besiegelt das Ende.
Nach zähen Verhandlungen wird die Bank zum Stichtag 30. Juni zerlegt: Das Sparkassengeschäft fließt ins Schwesterinstitut Helaba. Nicht verkäufliche Geschäfte werden in die „Bad Bank“ verschoben. Die restliche WestLB wird zur Servicegesellschaft „Portigon“ umgewandelt.
Nicht der erste Rücktritt eines Portigon-Chefs
Während für das Sparkassengeschäft und die Immobiliensparte rechtzeitig strategische Käufer bereit standen, blieben die Bad Bank und Portigon Eigentum des Landes NRW und der nordrhein-westfälischen Sparkassen, wobei Portigon allein dem Land gehört. Die EU-Wettbewerbsaufseher gaben dem Staat die Auflage mit, Portigon oder genauer gesagt deren Dienstleistungstochter PFS, bis Ende 2016 zu privatisieren. Diesen ursprünglichen Plan wollte Franzmeyer umsetzten, während die NRW-Landesregierung Portigon lieber unter die Bad Bank EAA hängen will, da sich kein geeigneter Käufer auftreiben lässt. Nach Franzmeyers Rücktritt steht dem Alternativplan nichts mehr im Wege. Es ist nicht der erste Rücktritt eines Portigon-Chefs mutmaßlich aufgrund von Differenzen bei der Privatisierungsfrage. Erst im Mai 2014 hatte Franzmeyers Vorgänger Dietrich Voigtländer hingeschmissen.
Nach Einschätzung von Insidern kann es auch für die Steuerzahler sinnvoll sein, Portigon mit der Bad Bank zu verknüpfen. So entfalle die Umsatzsteuerpflicht für die Dienstleistungen, zudem könnten diese durch Verzicht auf Gewinnzuschläge billiger erbracht werden. Das Land müsste sich dann aber über die Lastenteilung mit den Sparkassen einigen. Sie hatten 2012 die Pensionsverpflichtungen für ehemalige WestLB-Beschäftigte übernommen, die nach Verschmelzung des Sparkassengeschäfts nun in Diensten der Helaba weiter arbeiten. Von der Haftung für Pensionen weiterer ehemaliger WestLB-Mitarbeiter waren die Sparkassen aber frei gestellt worden. Aktuell arbeiten nur noch 800 Leute bei Portigon, bei der Abspaltung 2012 waren es aber noch rund 2600 meist gut bezahlte Ex-Landesbanker.
8000 Seiten dick waren damals die Verträge, mit denen NRW und die Sparkassen die Lastenverteilung regelten. Weil das Konvolut den Segen der EU-Kommission hat, darf es nach Ansicht von Insidern keinesfalls wieder aufgerollt werden. Ihnen graut davor, die „Grabplatte über der WestLB anzuheben“. Denn dann könnten sich die Wettbewerbshüter schnell wieder mit neuen Auflagen melden. Die Pensionslasten blieben also wohl beim Steuerzahler.