Der Modekonzern H&M hat vorerst die Produktion von Kleidungsstücken mit Angorawolle gestoppt. Auslöser ist ein Video, dass die Tierschutzorganisation Peta vor einigen Tagen veröffentlicht hat. Es zeigt, wie grausam die Angorakaninchen für die Gewinnung der Wolle behandelt werden. Die schwedische Modekette ließ über ihre Sprechern Camilla Emilsson Falk erklären, man müsse nun überprüfen, ob sich die Hersteller von Angora-Wolle an die "Standards" hielten. Hierzu heißt es auf der Internetseite von H&M: "Bei Angorahaar akzeptiert H&M nur Produkte, die aus dem Haar von Angorakaninchen von Farmen mit guten Tierhaltungsbedingungen hergestellt werden." Produkte aus Angora, die bereits in den Läden liegen, sollen noch verkauft werden. Die H&M-Konkurrenten Lindex, Gina Tricot und MQ erklärten sogar, ab sofort und für die Zukunft vollständig auf Produkte aus Angorawolle verzichten zu wollen.
In dem Video und auf zahlreichen Bildern von Peta ist zu sehen, dass für die Gewinnung der Angorawolle die Tiere bei vollem Bewusstsein mit Seilen auf Streckbänke gespannt oder an der Decke aufgehängt werden, um dann "gerupft oder geschoren" zu werden. Dabei würden die Arbeiter den Kaninchen das Fell regelrecht vom Leib reißen. "Die Kaninchen schreien vor Schmerz und tragen klaffende Wunden davon", berichtet Peta. Diese Prozedur müssen die Tiere, die in dunklen engen Einzelkäfigen leben, alle drei Monate erleiden. Danach würden sie in eine Schockstarre verfallen. Nach zwei bis fünf Jahren endet das Martyrium der Kaninchen, sie würden dann "aufgeschlitzt" und verkauft.
Wege zum sauberen Textilimport
Textilriesen kaufen Kleidung meist über Importeure. Die Dienstleister im Dunkeln knabbern zwar an den Margen – ihnen können sie aber bei Skandalen die Verantwortung aufladen. Wer das vermeiden will, muss die Lieferkette in Eigenregie kontrollieren.
Lieferanten in Ländern wie Bangladesch wickeln ihre Bestellungen oft über Partnerfirmen ab, die in bedeutend schlechterem Zustand sind als die Vorzeigefabriken. Wer seine Verantwortung ernst nimmt, muss in diese Subfabriken Kontrolleure schicken und Kunden deren Namen nennen können.
Echten Einblick in die Arbeitsbedingungen bekommen nur eigene Mitarbeiter der Modeunternehmen, die ständig vor Ort sind. Jedes Label sollte daher ein Team aus entsandten und lokalen Einkäufern, Beratern und Kontrolleuren im Lieferland aufbauen.
Der Glücksfall ist die Arbeit mit Lieferanten, die ihren Hauptkunden als Partner verstehen – und sich mit dessen Hilfe weiterentwickeln wollen. Das erfordert Vertrauen auf beiden Seiten und viel Zeit. Hilft ein Modekonzern seinen Lieferanten, die Produktivität zu verbessern, steigt auch dessen Bereitschaft zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Label wie H & M, C & A, Kik oder Tommy Hilfiger importieren solche Mengen aus Bangladesch, dass sie über gewaltigen Einfluss verfügen – theoretisch. Praktisch arbeitet jeder für sich, statt gemeinsam am runden Tisch mit der Regierung nach besseren Gesetzen zu verlangen. Auch politischer Druck ist rar, obwohl gerade Deutschland in Entwicklungsländern viel Respekt genießt.
Das große Problem der Angora-Produktion: Laut Peta stammen 90 Prozent der Wolle weltweit aus China, wo es keinerlei gesetzliche Regelung für den Umgang mit Tieren, geschweige denn Strafen für Tierquälerei existieren. Auch, wenn das Endprodukt laut Label woanders hergestellt wurde, könnten sich Kunden sicher sein, dass die Wolle mit großer Wahrscheinlichkeit von einer der Qual-Farmen in China stamme, so Peta.