Einer der wenigen DDR-Vorzeigebetriebe, die bis heute erfolgreich überlebt und Richtung Westen expandiert haben, ist Halloren. Die 1804 gegründete Schokoladenfabrik aus Halle an der Saale ging sogar 2007 an die Börse und konnte sich bis heute in der Marktwirtschaft behaupten. Das Erfolgsprodukt ist nach wie vor die Halloren-Kugel – mit Betonung auf dem „o“ –, die Volkspraline des Ostens.
Das war’s aber auch schon an Glamour. Obwohl 95 Prozent der Ostdeutschen die Marke kennen, fristet sie gegenüber Wettbewerbern wie Ritter-Sport, Milka oder Lindt ein Schattendasein. Halloren gilt nicht als Wachstumsrakete oder Dividendenmaschine.
Dennoch wurde der Mittelständler mit 120 Millionen Euro Umsatz im Oktober 2014 zum Objekt der Begierde: für ein in Wirtschafts- und Finanzkreisen völlig unbekanntes Unternehmen namens Charlie Investors. Der in Luxemburg eingetragene Investor sammelte über Kapitalerhöhungen 19 Prozent der Halloren-Aktien ein – unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre, deren Anteile am Unternehmen dadurch verwässert wurden.
Seitdem verspricht Halloren-Chef Klaus Lellé, der neue Großaktionär werde Halloren Exportmärkte in Asien und den USA öffnen. Wer aber genau hinter Charlie steckt und wie die Investoren die Versprechungen einlösen wollen, darüber schweigt das Unternehmen beharrlich. Nichts deutet bisher darauf hin, dass die Geldgeber sich im Lebensmittelhandel oder in der Süßwarenbranche auskennen.
Entsprechend spannend und kontrovers dürfte die Hauptversammlung am Mittwoch werden. Die irritierten Privataktionäre – der Streubesitz liegt bei 50 Prozent – werden erneut fragen, wer der geheimnisvolle Großaktionär ist, warum er sich ausgerechnet für Halloren interessiert – und was er mit dem kriselnden Traditionsunternehmen vorhat.
Einen Retter braucht das Unternehmen. Nach vielen Übernahmen von regionalen und internationalen Konkurrenten sank der Umsatz 2014 um drei Prozent auf knapp 120 Millionen Euro.
Der Jahresüberschuss schmolz wie Schokolade in der Junisonne um mehr als 90 Prozent auf magere 200.000 Euro. Im ersten Quartal 2015 hat sich die Lage zugespitzt: Der Umsatz fiel zweistellig, Halloren schrieb Verluste. Grund ist die Übernahme des belgischen Herstellers Bouchard, die zum Desaster geriet. Den Belgiern brach im vergangenen Jahr ein wichtiger Kunde in den USA weg. Resultat war ein operativer Verlust, der den gesamten Konzern belastet.
Unbekanntes Investorenduo
Den Ausweg soll nun Charlie Investors weisen, ein aus dem Hut gezauberter Geldgeber, über den Halloren-Chef Lellé behauptet, er habe „Kontakte in die Chefetagen der großen Handelskonzerne“ und könne Halloren „den direkten Zugang zu lukrativen Exportmärkten“ verschaffen.
Erst im September 2014 wurde Charlie Investors ins Handelsregister eingetragen. Je zur Hälfte sind die Luxemburger Beteiligungsgesellschaft Magrath Holding und die Finanzholding Savvysherpa Coöperatief aus den Niederlanden beteiligt. Hinter Magrath steht der Immobilieninvestor Darren Ehlert, hinter Savvysherpa sein Bruder Kenneth. Auf Anfrage der WirtschaftsWoche bestätigt Halloren erstmals: „Charlie Investors ist wirtschaftlich mehrheitlich den Familien der Gebrüder Ken und Darren Ehlert zuzurechnen.“
Über das Investorenduo ist wenig bekannt. Der 41-jährige Amerikaner Darren Ehlert war bis Anfang 2005 Manager bei der Global Real Estate Finance Group von Lehman Brothers in London. Dort zimmerte Ehlert aus milliardenschweren Immobilienkrediten spekulative Papiere. Derartige Schrottpapiere lösten später die Finanzkrise und die Lehman-Pleite im September 2008 aus. Ehlert war da schon zur niederländischen ING-Bank gewechselt, wo er ebenfalls für strukturierte Immobilien-Produkte verantwortlich war.
Heute ist er Geschäftsführer der Immobilienfirma In-West Partners aus dem westfälischen Ascheberg. Die kauft laut Homepage Mehrfamilienhäuser und Wohn-Geschäftshäuser ab drei Millionen Euro und mit mindestens 50 Wohneinheiten: „Zur Zeit haben wir mehr als 9000 Wohnungen unter Management.“
Lehman, ING, In-West: Mit dem Verkauf von Schokolade in US-Supermärkten hat das so viel zu tun wie ein Marzipanschwein mit einem Schnitzel.
Auch bei Kenneth Ehlert ist Branchenexpertise nicht offensichtlich. Auf Nachfrage preist Halloren den 46-jährigen Kanadier, der in den USA lebt, als „erfolgreichen Unternehmer mit weitreichender Berufserfahrungen im Transaktionsgeschäft“. Zudem, betont Halloren, kontrolliere er mehrheitlich die Savvysherpa Coöperatief. Doch die kann kaum als Hort geballter Handelskompetenz gelten. Savvysherpa ist eine Briefkastenfirma, die sich mit Groupon und 2500 weiteren Unternehmen die Postadresse „Prins Bernhardplein 200, 1097 JB Amsterdam“ teilt.
Nachfragen, wie genau die Exporthilfe für Halloren aussehen soll und woher die Kontakte zu ausländischen Handelsunternehmen stammen, werden von Halloren und den Investoren nicht beantwortet.
Nicht nur viele Privatanleger zweifeln an der Wachstumsstory. Auch Allianz Global Investors, die Investmentfond-Tochter des Versicherers, hat in den vergangenen Monaten alle Halloren-Aktien im Concentra-A-Fonds verkauft.