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Christian Reber Dieser Gründer will mit seiner Software Powerpoint angreifen

Christian Reber: Seine Wunderlist-App mit über 20 Millionen aktiven Nutzern verkauften er und seine drei Mitgründer vor vier Jahren für mehr als 150 Millionen Dollar an Microsoft. Quelle: Pitch

Der Berliner Gründer entwickelt eine neue Präsentationssoftware. Namhafte Geldgeber wie Frank Thelen haben dafür 50 Millionen Dollar investiert.

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Dieser Text ist zuerst im Handelsblatt erschienen.

Rechts neben dem Eingang zu den Sophie-Gips-Höfen in Berlin-Mitte lässt sich ein veritables Traditionshandwerk besichtigen. Hier fertigt ein Blasinstrumentenbauer Klarinetten, Flöten und Saxofone noch weitgehend in Handarbeit. Schräg darüber, im ersten Stock, wird an einer ganz anderen Instrumenten-Gattung gearbeitet, an modernen Bürowerkzeugen, die Heerscharen von Angestellten künftig die Erstellung von Präsentationsvorlagen erleichtern sollen. Dort entwickeln 60 IT-Spezialisten eine neue Software namens Pitch, die nach den Vorstellungen des Firmengründers Christian Reber alsbald den Marktführer Powerpoint angreifen soll.

Das klingt ein bisschen großspurig, arbeiten doch weltweit eine Milliarde Menschen mit Microsofts Powerpoint oder den Konkurrenzprodukten Google Slides und Keynote von Apple. Nach Schätzungen in der Branche werden täglich global mehr als 30 Millionen Präsentationen allein mit Powerpoint erstellt. Der Markt scheint mit den drei genannten Anbietern gesättigt zu sein. Und genau das spornt Reber, Jahrgang 1986, aufgewachsen in Brandenburg und Berlin, erst so richtig an und er erinnert an Blackberry, Nokia und andere einstige Marktführer, die wesentliche Innovationsschritte verpassten und weitgehend wieder verschwanden.

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Reber, ein drahtiger, mittelgroßer Mann mit dunklen Haaren, sagt mit ostdeutschem Tonfall: „Ich war schon immer ein Nerd. Ich will Software programmieren, die das Arbeitsleben der Menschen wirklich verbessert. Und bei Präsentationssoftware lässt sich verdammt viel verbessern.“ Anders ausgedrückt: Er hält die bestehenden Produkte für wenig zeitgemäß. Und tatsächlich stammt die Urversion von Powerpoint aus dem Jahr 1987.

Was kann denn Pitch vorgeblich besser als die drei Marktführer? „Jedes Jahr verlieren Unternehmen Millionen von Stunden an wertvoller Produktivität, weil sich Mitarbeiter in der Erstellung von Präsentationen verlieren“, sagt Reber. „Wir sehen deshalb in Pitch zuallererst eine riesige Chance, die Software für die nächste Generation zu entwickeln. Software, die wirklich intuitiv und schön ist, extrem schnell zu bedienen, und optimiert für den Einsatz in Teams.“

Die Sätze hören sich in der Tonalität stark nach Marketing an, und doch scheint die darin versteckte indirekte Kritik an den bestehenden Produkten nachvollziehbar. Anwender von Powerpoint kritisieren immer wieder, dass sich die Software für den Teamgebrauch nicht wirklich eignet. Und weil Apples Keynote nicht auf Windows läuft, ist das für viele auch keine Alternative. Reber sagt: „Produkte wie Powerpoint haben sich kaum noch weiterentwickelt. Die Erstellung von Präsentationen ist immer noch unfassbar mühsam und manuell.“

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Dass Reber als IT-Unternehmer erfolgreich sein kann, hat er bereits bewiesen. Seine Wunderlist-App mit über 20 Millionen aktiven Nutzern verkauften er und seine drei Mitgründer vor vier Jahren für mehr als 150 Millionen Dollar an Microsoft. Zu seinen damaligen Investoren, die von Anfang an dabei waren, gehörte auch Frank Thelen.

„Christian Reber liebt Technologie und Design. Er lässt nicht locker, bis das Produkt perfekt ist. Und das spüren wahrscheinlich auch die Investoren und haben daher so früh und riskant in Pitch investiert“, sagt Thelen, der, mit Reber zusammen, auch beim Münchener Lufttaxi-Hersteller Lilium und – fast würde man sagen – natürlich nun auch wieder bei Pitch investiert ist.

180 Firmen gehören zu den ersten Testern

Jetzt also Pitch, für dessen erste Skizzen Reber in der Frühfinanzierungsrunde drei Millionen Euro erhielt. „Das Interesse bei den Investoren war so groß“, sagt er, „dass wir die zweite Runde vorgezogen haben, obwohl wir das frische Kapital noch gar nicht wirklich brauchten.“ 30 Millionen Dollar investierten die beiden bekannten Venture-Capital-Fonds Thrive Capital und Index Venture. Dazu kamen weitere 17 Millionen Dollar von Instagram-Mitgründer Kevin Systrom und Zoom-Mitgründer Eric Yuan sowie von Blue Yard, einem Berliner VC-Fonds, der von Ciaran O‘Leary und Jason Whitmire geführt wird.

Dass so viele bekannte Geldgeber bei Pitch mit nun insgesamt rund 50 Millionen Dollar investiert sind, wundert Sebastian Pollok, der vor Jahren mit Lea-Sophie Cramer den Liebesspielzeugversender Amorelie entwickelte und an Pro Sieben Sat 1 verkaufte, nicht. Über Reber sagt Pollok, der den VC-Fonds Visionaries Club führt: „Ein echt starker Gründer.“

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Nach Aussage von Reber reichen die finanziellen Mittel – abhängig von den kommenden Wachstumszielen – bis mindestens 2023. Bis Ende des Jahres will der Chefentwickler, der mitunter gern von Spanien aus arbeitet und Tesla fährt („ich warte sehnsüchtig auf ein konkurrenzfähiges deutsches E-Auto“), weitere 40 Mitarbeiter einstellen, vorwiegend als Programmierer und für den Vertrieb. Denn im Sommer soll die neue Software auf den Markt gebracht werden. Interessierte können sich schon jetzt auf der Webseite vormerken lassen. 180 Firmen gehören bereits zu den ersten Testern.

An einen vollständigen Exit nach erfolgreicher Markteinführung denkt Reber diesmal übrigens nicht. „Nach dem Verkauf von Wunderlist an Microsoft bin ich nicht mehr glücklich gewesen. Ich hatte das Gefühl, mein Unternehmen verloren zu haben, obwohl ich anschließend ja noch eine Zeit für Microsoft und Wunderlist gearbeitet habe.“

Warum er denn überhaupt verkauft hat? „Der Preis war schon sehr attraktiv, zum anderen war meine in der Firma mitarbeitende Frau schwanger, und dann wurde ich auch noch krank.“ Inzwischen ist Reber wieder bei vollen Kräften, und seine Frau und ehemalige Wunderlist-Mitstreiterin Charlette Prevot ist auch bei Pitch neuerlich als Miteigentümerin an seiner Seite. Reber sagt: „Seit ich als Jugendlicher Bill Gates’ Buch ,Der Weg nach vorn‘ gelesen habe, will ich so werden wie er.“

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Schon als Kind hackte er auf dem Computer seiner Mutter herum, die zu DDR-Zeiten als Geschäftsführerin eines Schweinezuchtbetriebs arbeitete. Später studierte er Informatik an der FU Berlin, dann International Management an der FOM. Gates faszinierte ihn seither noch mehr, auch Steve Jobs, der Apple-Gründer. Und Reber will nun „einfach und unbedingt“ auch etwas wirklich Großes schaffen, was mit der Wunderlist-App wahrscheinlich nicht gelungen wäre.

In den historischen Sophie-Gips-Höfen, die die Van-Laack-Erbin Erika Hoffmann in der Nachwendezeit übernahm und restaurierte, hat er Loft-ähnliche Büroflächen angemietet, wo seine weitgehend sehr junge Belegschaft unter Hochdruck an der Markteinführung arbeitet.

Sollte diese glücken, will er diesmal auf jeden Fall standhaft bleiben und keinesfalls neuerlich verkaufen. Reber sagt: „Wir wollen in Deutschland einen Tech-Konzern aufbauen, der dauerhaft internationale Bedeutung hat, was einen späteren Verkauf von einem Minderheitsanteil über die Börse ja aber auch nicht ausschließen würde.“

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