Beruf Was uns der Erfolg der Erfolgreichen bringt

Warum uns der Erfolg der Erfolgreichen fasziniert, aber wenig nutzt. Eine Bilanz des „Erfolgskongresses“.

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Bill Clinton ist die (gut bezahlte)

Die Nummer eins der Tiermaler zu sein – für Rudi K. aus Werl-Westönnen muss das reizvoll klingen. Aber der Weg nach oben ist lang: Auch wenn Rudi K. neulich ein Löwenbild an einen Scheich verkauft hat, wäre er gerne noch erfolgreicher. Deswegen ist Rudi K. nach Düsseldorf gepilgert. Zu „Deutschlands größtem Erfolgskongress“. Die 99 Euro „Tagungspauschale“ seien es wert, meint Rudi K., und seine Augen leuchten vielversprechend.

Schließlich haben die Initiatoren vom Finanzkonzern AWD wichtige Fragen auf die Tagesordnung gesetzt. Etwa: Wie rede ich am besten? Wie gewinne ich Menschen? Antworten sollen die geben, die laut Programm die „Nummer eins“ auf ihrem Gebiet sind. Für die Veranstalter sind das unter anderem der Politiker Bill Clinton, Boxer Henry Maske, Komiker Atze Schröder und Tenor Paul Potts. Das zieht: Über 10 000 Menschen sind gekommen – getrieben von der Hoffnung, so selbst erfolgreicher zu werden. Aber klappt das?

„Unter Erfolg verstehen wir heutzutage vor allem beruflichen Aufstieg“, sagt Michael Hartmann. Der Darmstädter Soziologe erforscht, welche Faktoren diesen Aufstieg begünstigen. Er glaubt, dass ganz spezifische Bedingungen dafür verantwortlich sind. Viele ließen sich kaum beeinflussen – etwa Herkunft oder Persönlichkeit. Wer glaubt, dass er nur nah an erfolgreiche Personen herankommen muss und deren Verhalten kopieren kann, um Erfolg zu haben, dem sagt Hartmann klar: „Das ist Unsinn.“

Zumal die Promis zwar ergreifende Geschichten, aber nur wenig Nützliches erzählen. Abenteurer Bertrand Piccard etwa zeigt beeindruckende Fotos von seiner Erdumrundung im Ballon. Doch sobald er seine Erkenntnisse vom Ballonfahren auf das Leben überträgt, ergibt das heiße Luft: „Wenn die Winde uns in eine falsche Richtung stoßen, müssen wir die Flughöhe ändern.“ Aha. Auch Boxer Maske teilt gut gemeinte Ratschläge aus: „Seien Sie selbstkritisch, dann wird Ihnen vieles leichter fallen.“ Oder: „Zweifeln, ja, Verzweifeln, nein.“

Am meisten Applaus erntet Bill Clinton, obwohl auch sein Erfolgsrezept auf einfachen Zutaten beruht: Traum haben, dran glauben, Plan machen und ausführen. „Dann wirst du dich am Ende deines Lebens reicher fühlen“, sagt der Ex-US-Präsident – und verschwindet mit schätzungsweise 250 000 Euro Tagesgage.

Dass all das etwas nutzt, bezweifeln Psychologen wie Dieter Frey. Denn die Kniffe bleiben oberflächlich – selbst die der „Nummer eins der Körpersprache“ Monika Matschnig, die die Zuschauer Sätze aufsagen lässt wie: „Heute ist ein herrlicher Tag!“ Krönung dieses Tages ist der Auftritt der selbst erklärten „Nummer eins der unabhängigen Finanzberatung“ Carsten Maschmeyer. Auch wenn Erfolg für den AWD-Chef „nicht nur finanzbedingt ist“, projiziert er in Riesenlettern den Satz „Tu €$!“ an die Leinwand.

Apropos € und $: Unterm Strich ist der Kongress natürlich ein Erfolg. AWD hat Publicity eingeheimst, die Referenten haben gut verdient. Und Rudi K. aus Werl? Der hat einen Stapel Ratgeber von Rolf H. Ruhleder, der „Nummer eins der Verkaufstrainer“, gekauft. Fragt sich nur noch, wen von beiden das erfolgreicher macht.

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