Angesteckt am Arbeitsplatz Wann eine Coronainfektion als Arbeitsunfall gilt

Quelle: imago images

Wer sich im Büro mit Corona ansteckt, geht davon aus, dass das ein Arbeitsunfall ist. Doch die Versicherer erkennen nur jeden dritten Fall an. Woran die meisten Anträge scheitern – und wie man es besser macht.

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Fast 160.000 Menschen haben sich in Deutschland allein am ersten Tag der Woche mit dem Coronavirus angesteckt – und das nicht nur im Restaurant oder im Fitnessstudio, sondern auch am Arbeitsplatz. Die Zahl derer, die sich bei der Arbeit mit dem Coronavirus angesteckt haben, ist seit Beginn der Pandemie stetig gestiegen, das belegen Zahlen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Damit stellt sich für immer mehr Menschen die Frage, ob eine solche Infektion als Arbeitsunfall gilt. Relevant ist dies vor allem mit Blick auf mögliche Langzeitfolgen wie Long Covid: Denn nach einem Arbeitsunfall hat man Anspruch darauf, dass die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten für bestimmte Behandlungen oder gar eine Verletztenrente übernimmt. Und die Versicherung zahlt oftmals Medikamente, Reha oder Physiotherapien, für die Krankenkassen nicht aufkommen.

Im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege und in Laboratorien gilt das Ansteckungsrisiko als besonders hoch – weshalb Covid-19 als Berufskrankheit gewertet wird. In allen anderen Branchen gilt eine Infektion bei der Arbeit und nur bestimmten Bedingungen als Arbeitsunfall.

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Infektionen müssen gut dokumentiert sein

Die gesetzliche Unfallversicherung prüft den Fall – und achtet dabei darauf, dass drei Voraussetzungen erfüllt sind, die Patienten schon bei der Zusammenstellung ihrer Unterlagen berücksichtigen sollten:

- Die Infektion wurde mit einem positiven PCR-Test nachgewiesen.
- Die Erkrankung ist ausgebrochen, so dass sich zumindest leichte Symptome gezeigt haben.
- Es kam bei der Arbeit zur Ansteckung.

Vor allem letzteres ist in der aktuellen Phase der Pandemie, in der das Virus nicht nur deutlich ansteckender ist, sondern die Kontaktnachverfolgung auch immer lückenhafter wird, nicht so einfach. Im Vorteil sind dabei Berufsgruppen, die dem Virus deutlich stärker ausgesetzt sind und bei denen Covid-19 deshalb als Berufskrankheit gilt. Dazu zählen etwa Ärzte, Pfleger und Laboranten, aber auch Menschen, die in Einrichtungen der Jugend- oder Altenpflege arbeiten oder Behinderte und psychisch Kranke betreuen. Sie müssen nicht nachweisen, bei wem genau sie sich angesteckt haben. Es genügt der Nachweis, dass sie mit Infizierten zusammengearbeitet haben oder mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Virus in Kontakt gekommen sind. Ähnliches gilt für Friseure und Kosmetiker.

Bis zum Ende des vergangenen Jahres wurden in diesen Branchen fast 183.000 Verdachtsfälle gemeldet, fast 120.000 wurden als Berufskrankheit anerkannt. Der für Gesundheitsberufe zuständige Versicherer, die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, spricht von Rekordzahlen. Derzeit unterstütze das genossenschaftliche Reha-Management rund 2100 Menschen, weil sie unter dem Post-Covid-Syndrom litten, also langfristig schwerer erkrankt seien.

Fast ein Drittel aller Anzeigen wurden anerkannt

Für Beschäftigte in anderen Branchen gilt die Coronainfektion allenfalls als Arbeitsunfall. Sie sind insgesamt zwar weniger betroffen – die Zahlen stiegen im vergangenen Jahr aber auch dort an. Mehr als 38.000 Arbeitnehmer meldeten eine Ansteckung als Arbeitsunfall, doch nur 12.000 davon wurden von den Genossenschaften als ein solcher anerkannt. Dazu müssen Betroffene detailliert darlegen, dass sie engen Kontakt zu einem Infizierten hatten. Ob es sich dabei um Kollegen, Kunden oder Geschäftspartner handelt, ist unerheblich. Bei der Definition des engen Kontakts folgt die gesetzliche Unfallversicherung den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts:

- Der Kontakt dauerte länger als zehn Minuten, der Abstand lag unter 1,50 Meter, es wurden keine Masken getragen.
- Sie haben mit dem Infizierten ein Gespräch geführt. Der Abstand lag dabei unter 1,50 Meter und keiner hat eine Maske getragen.
- Sie waren mit dem Infizierten länger als zehn Minuten in einem Raum, der schlecht oder gar nicht belüftet war – ganz gleich, ob dabei Masken getragen wurden.

Ohne den Beleg solch eines engen Kontakts mit einem Infizierten wird es schwierig. Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft erkennen die Infektion dann nur in Ausnahmen als Arbeitsunfall an – etwa wenn es mehrere Infektionen gab, so dass der Schluss naheliegt, dass die Belüftung mangelhaft war.

Auf die Krankschreibung achten

Bei Arbeitsunfällen gilt außerdem, dass die Erkrankten mindestens drei Tage krankgeschrieben sein müssen. Deshalb empfiehlt es sich für Arbeitnehmer, sich auch bei milden Symptomen eine Krankschreibung beim Arzt zu besorgen.

Auch auf dem Weg ins Büro und zurück nach Hause sind Arbeitnehmer versichert. Im Fall einer Coronaerkrankung bedeutet dies: Bei Fahrten mit Bus oder Bahn ist der Nachweis eines engen Kontakts zu Infizierten zwar schwierig. Wer sich aber bei einer Fahrgemeinschaft angesteckt hat, kann dies eventuell besser belegen. Nicht versichert hingegen sind Arbeitnehmer in der Pause, weshalb eine Infektion in der Kantine nicht als Arbeitsunfall anerkannt wird.

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Um sicherzustellen, dass der Arbeitgeber die Infektion bei der zuständigen Berufsgenossenschaft oder der Unfallkasse meldet, sollten Arbeitnehmer um eine Kopie der Meldung bitten. Weigert sich das Unternehmen, können Arbeitnehmer den Arbeitsunfall auch selbst anzeigen. Auch eine nachträgliche Meldung ist möglich. Dafür genügt ein formloses Schreiben. Wer sich dennoch unsicher ist, kann sich bei Gewerkschaften, beim Sozialverband VdK oder auch beim Betriebsrat Hilfe holen. Zudem gibt es in manchen Bundesländern Beratungsstellen zu solchen Fragen.

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