Corona-Medikamente „Es wirkt auch gegen den Omikron-Subtyp“

Wie kann ein Corona-Medikament den schweren Krankheitsverlauf von Covid-19 verhindern? Quelle: Marcel Stahn

Pharmakonzerne wie Pfizer, GlaxoSmithKline oder Merck & Co. bringen Corona-Medikamente in Arztpraxen und Kliniken. Die Mediziner Judith Pannier und Gerhard Behre vom Klinikum Dessau erklären, wie die Präparate wirken, wer ihr Favorit ist – und wann Patienten schnell einen Arzt aufsuchen sollten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Gerhard Behre ist Chefarzt an der Klinik für Innere Medizin in Dessau, Judith Pannier arbeitet dort als leitende Oberärztin. Beide sammelten bereits Erfahrungen mit Corona-Medikamenten – etwa dem Roche-Präparat Ronapreve. Leider erwies sich Ronapreve gegen die Omikron-Variante als wirkungslos. Inzwischen setzt die Klinik etwa das Mittel Xevudy des britischen Herstellers GlaxoSmtihKline ein. 

Professor Behre und sein Team haben sich auf Antikörper-Therapien spezialisiert – Antikörper binden Erreger und Zellen und setzen dabei Abwehrmechanismen in Gang. Die Patienten erhalten Antikörper via Infusion. Der Vorteil von Antikörpern liegt in den vergleichsweise geringen Nebenwirkungen. Neben Dessau bieten auch viele andere Kliniken Antikörper-Therapien an.

WirtschaftsWoche: Frau Doktor Pannier, Herr Professor Behre, die Infektionszahlen steigen, die Omikron-Variante breitet sich aus. Spüren Sie bereits Ausfälle beim medizinischen Personal?
Gerhard Behre: Ja, das ist ein großes Problem, das wir derzeit haben. Rund zwanzig Prozent der Ärzte und Pflegekräfte an unserer Klinik sind derzeit an der Omikron-Variante erkrankt oder in Quarantäne.

Und gleichzeitig laufen bei Ihnen die Stationen voll?
Judith Pannier: Es zieht wieder an. In den vergangenen beiden Tagen hatten wir so viele Corona-Neuaufnahmen wie in den letzten zwei Wochen zusammen. Allerdings beobachten wir momentan weniger schwere Verläufe als zu Zeiten der Delta-Variante. Einige Patienten fühlen sich im ambulanten Bereich allein gelassen und suchen die Notaufnahme auf. Andere Patienten werden von ihrem Hausarzt zur weiteren Diagnostik in die Klinik überwiesen.

Gerhard Behre ist Chefarzt an der Klinik für Innere Medizin in Dessau. Quelle: Presse

Können Sie den Patienten jetzt besser helfen? Seit Wochen werden neue Corona-Medikamente zugelassen.
Gerhard Behre: Seit März 2021 setzen wir erfolgreich monoklonale Antikörper zur Behandlung von Covid-19 ein. Seit dem 25. Januar arbeiten wir mit dem monoklonalen Antikörper Sotrovimab mit Handelsnamen Xevudy. Wir haben uns sehr darum bemüht, dieses Präparat frühzeitig zu bekommen. Die Bundesregierung hat über 50.000 Dosen beim Hersteller GlaxoSmithKline bestellt. In den vergangenen Tagen konnten wir schon 30 Patienten damit behandeln – die Erfahrungen sind gut. Patienten berichten uns von raschen Besserungen bei geringen Nebenwirkungen. Xevudy wirkt auch gegen die Omikron-Variante – inklusive des neuen Subtyps BA.2, der noch infektiöser zu sein scheint als die gegenwärtig vorherrschende Omikron-Variante. 

Laut Studien senkt Xevudy das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf um 79 Prozent. Wer kann das Medikament bekommen?
Judith Pannier: Wir verabreichen es Patienten, die das höchste Risiko für einen schweren Verlauf haben: an über 55-Jährige oder an abwehrgeschwächte Patienten, die zum Beispiel an Krebs, Diabetes, schwerer Adipositas, dialysepflichtigen Nierenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Lungen-Erkrankungen leiden oder eine Organtransplantation hinter sich haben.

Gerhard Behre: Wichtig ist dabei, dass die Risiko-Patienten den monoklonalen Antikörper Sotrovimab früh erhalten, innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten der ersten Beschwerden, also dann, wenn Sie noch keine oder nur leichte Symptome haben. Nur in der Frühphase der Erkrankung kann das Mittel seine Wirkung voll entfalten und damit einen schweren Krankheitsverlauf von Covid-19 verhindern. Wenn Patienten erst nach ein oder zwei Wochen kommen, ist oft keine spezifische Behandlung mehr möglich. Das gilt im Übrigen auch für viele andere Corona-Medikamente, die nun auf den Markt kommen.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Paxlovid, der Tablette von Pfizer, die das Risiko eines schweren Verlaufs um 89 Prozent senken soll?
Gerhard Behre: Dieses Medikament scheint vielversprechend zu sein, allerdings steht es uns noch nicht zur Verfügung. Paxlovid ist auch weniger für den Einsatz in den Kliniken, sondern für die Anwendung zu Hause gedacht.

Lesen Sie auch: Pfizer-Pille Paxlovid kommt später als gedacht

Setzen Sie Lagevrio, die Corona-Tablette des US-Konzerns Merck, ein?
Gerhard Behre: Auch Lagevrio ist für den ambulanten Sektor gedacht und spielt somit für uns eine untergeordnete Rolle. Außerdem zeigen Studien mit Lagevrio ein deutliche geringere Risikoreduktion als bei den monoklonalen Antikörpern.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Lange galt auch das Mittel Veklury des US-Konzerns Gilead – mit dem Wirkstoff Remdesivir – als Hoffnungsträger. Ihr Fazit?
Gerhard Behre: Remdesivir spielt bei uns keine große Rolle, da die Studienergebnisse nicht sehr überzeugend waren. Wir wenden in Dessau vorrangig die monoklonale Antikörper an, die den Patienten per Infusion verabreicht werden. Die Nebenwirkungen sind bei diesen Antikörpern gering. Viele andere Kliniken arbeiten ebenfalls mit monoklonalen Antikörpern, die Standorte sind auf der Website des Robert Koch-Instituts verzeichnet.

Mehr zum Thema: Diese Firmen entwickeln die wirksamsten Anti-Omikron-Medikamente

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%