Bewerbungsgespräch So nutzen Sie die Körpersprache im Jobinterview

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Vorurteile wird es immer geben

Alles richtig und wichtig. Allein: Solche gut gemeinten Ratschläge verhindern nicht die subtilen Mechanismen, die in jedem Bewerbungsgespräch über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen, eigene Erfahrungen und äußerliche Merkmale beeinflussen weiterhin, wer eine Stelle überhaupt erst bekommt und im weiteren Verlauf eventuell Karriere macht – und wer nicht. Zugegeben: Solange Menschen über andere Menschen richten, wird man diese Mechanismen niemals komplett beseitigen. Aber ihre Kenntnis kann zumindest ihre Macht beschränken. Doch genau hier besteht noch Nachholbedarf. Auf beiden Seiten.

1. Nonverbale Zeichen

In Zeiten des Fachkräftemangels konkurrieren Unternehmen um die besten Nachwuchstalente. Daher müssen sich nicht nur die Bewerber anstrengen, sondern auch die Personaler – und das beeinflusst ihr Verhalten. Wie verbreitet unterschwellige Signale im Alltag wirklich sind, untersuchte erst kürzlich die Psychologin Annika Wilhelmy von der Universität Zürich. Für ihre Studie befragte sie Dutzende von Personalverantwortlichen und nahm an mehreren Bewerbungsgesprächen teil.

Dabei stellte sie fest, dass auch Personaler unterschiedliche nonverbale Signale abgeben. War ihnen der Bewerber sympathisch, nickten sie ihm zu. Wollten sie Distanz erzeugen, sprachen sie mit lauter, tiefer Stimme. Wer Bewerber irritieren wollte, vermied Augenkontakt oder blätterte gelangweilt in Dokumenten. Wilhelmys Studie zeigt: Selbst jene, die es besser wissen sollten, können ihre Gefühle nicht völlig verbergen. Offenbar sind Interviews anfällig für gedankliche Verzerrungen.

20 fiese Fragen, 20 clevere Antworten im Vorstellungsgespräch

Das zeigt ein Experiment von Sara Pollak Levine vom Fitchburg State College. Sie wollte herausfinden, wie das nonverbale Verhalten von Frauen und Männern Bewerbungssituationen beeinflusst. Knapp 140 BWL-Studenten stellten sich einem konstruierten Gespräch, das Levine aufzeichnete. Und siehe da: Studentinnen, die viel Augenkontakt zum Personaler suchten, schnitten wesentlich besser ab als jene Kommilitoninnen, deren Augen im Raum umherschauten. Bei Männern löste zu viel Blickkontakt hingegen Unbehagen aus – sie erzielten schlechtere Werte, wenn sie dem Personaler häufig direkt in die Augen schauten.

2. Faktor Schönheit

Doch der Einfluss vermeintlich überholter Geschlechterrollen geht noch weiter. Bradley Ruffle von der israelischen Ben-Gurion-Universität in Be’er Scheva präparierte für sein Experiment 5300 Bewerbungen für 2600 Stellenanzeigen. Zuvor hatte er Profilbilder von Studenten eingesammelt, die acht Personen nach Attraktivität bewerteten. Ruffle dachte sich nun einen fiktiven Lebenslauf aus und bastelte sechs verschiedene Bewerbungen: vier mit Foto, zwei ohne. Auf jede Stellenausschreibung schickte Ruffle zwischen Juli 2008 und Januar 2010 zwei Bewerbungen – jeweils mit identischem Lebenslauf, einmal mit und einmal ohne Foto. Insgesamt erzielte er mit seinen Bewerbungen eine Rückrufquote von 14,5 Prozent.

Was Gesten über Sie verraten
Ein Mann verschränkt die Hände hinter dem Kopf Quelle: Fotolia.com
Vermutlich Angela Merkel mit verschränkten Händen Quelle: dpa
Eine Frau mit verschränkten Armen Quelle: Fotolia.com
Eine Frau fasst sich an den Hals Quelle: Fotolia.com
Eine Hand berührt den Ärmel am Anzug der anderen Hand Quelle: Fotolia.com
Eine Frau zeigt mit "zur Pistole" geformten Fingern auf den Betrachter Quelle: Fotolia.com
Eine Frau fasst sich an die Nase Quelle: Fotolia.com

Doch die Unternehmen reagierten auf die Bewerbungen von Männern und Frauen völlig unterschiedlich. Die beste Rücklaufquote erzielten Bewerbungen mit attraktiven Männern – ihre Resonanz war doppelt so hoch wie jene ohne Foto. Anders ausgedrückt: Im Schnitt musste ein gut aussehender Mann fünf Bewerbungen verschicken, um eine Antwort zu erhalten. Bei einem durchschnittlich aussehenden Mann waren es immerhin elf Anschreiben.

Ein völlig anderes Bild lieferten die Bewerbungen der Frauen. Hier waren jene Anschreiben ohne Foto am erfolgreichsten – und die attraktiven Frauen wurden am seltensten zurückgerufen. Aber warum wurden hübsche Bewerberinnen diskriminiert? Ruffle hakte nach, wer für die Auswahl zuständig war – und entdeckte, dass die Personalabteilung vor allem aus Frauen bestand. Und die, so zumindest die These des Forschers, lehnen attraktive Kolleginnen tendenziell eher ab als Männer.

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