Liebe im Job ist keine Seltenheit: Bei einem Drittel aller Arbeitnehmer hat es schon einmal am Arbeitsplatz gefunkt. Das zeigt eine repräsentative Studie des Marktforschungsinstituts Fittkau und Maaß, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorab vorliegt. Für die Erhebung im Auftrag des Single-Portals ElitePartner wurden fast 10.000 Internetnutzer zu Liebe und Sexualität am Arbeitsplatz befragt. Akademiker (33 Prozent) verlieben sich demnach etwas häufiger im Job als Nicht-Akademiker (28 Prozent).
In vielen Fällen bleibt es nicht bei der Schwärmerei: Knapp jeder vierte Befragte hat seinen aktuellen Lebenspartner im Job kennengelernt. „Obwohl sich heute viele über das Internet kennenlernen, ist der Arbeitsplatz nach dem Freundes- und Bekanntenkreis immer noch einer der großen Liebeskuppler“, erläutert Psychologin Lisa Fischbach, Leiterin Forschung und Matchmaking bei ElitePartner.
Gemeinsame Themen, wenn die Leidenschaft nachlässt
Dass aus einer Liebelei am Arbeitsplatz langfristige Beziehungen wachsen können, dafür gibt es berühmte Beispiele. Etwa der frühere US-Präsident Barack Obama, der seine Frau Michelle als Praktikant in einer Anwaltskanzlei kennenlernte – und seit über 25 Jahren eine Vorzeige-Ehe führt. Oder die Verpackungskünstler Christo und Jeanne-Claude, die erst der Tod von Jeanne-Claude schied. „Solche Paare haben ein gemeinsames Thema, das sie verbindet und worüber sie sprechen können. Das wird wichtiger, wenn die Leidenschaft nachlässt“, erklärt Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger den Erfolg solcher Verbindungen.
Check-Liste: Was Sie bei der Liebe am Arbeitsplatz beachten müssen
In Deutschland besteht das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz), dazu gehören auch Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz. Vorgesetzte dürfen nur die volle Arbeitskraft verlangen – alles andere ist Privatsache. Vorgaben, die Beziehungen zwischen Kolleginnen und Kollegen verbieten, sind juristisch in jedem Fall unwirksam.
Quelle: Kanzlei Pöppel
Besonders pikant sind Liebschaften zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, da ein direktes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Aber auch diese Beziehungen sind in Deutschland erlaubt, sofern es sich nicht um minderjährige Auszubildende handelt. Um atmosphärische Probleme am Arbeitsplatz zu vermeiden, empfiehlt sich möglicherweise ein Wechsel von einem der Beteiligten in eine andere Abteilung.
Grundsätzlich ist das eigene Liebesleben absolute Privatsache – auch dann, wenn es sich um eine Beziehung am Arbeitsplatz handelt. Der Chef oder die Chefin muss also nicht Bescheid wissen. Die Beziehung sollte aber dann öffentlich gemacht werden, wenn es etwas Ernstes ist und Zukunft hat. Denn Heimlichkeiten werden von Kollegen wie Vorgesetzten als Misstrauensbeweis gewertet.
Den Liierten sollte bewusst sein, dass Berufliches und Privates klar zu trennen ist. Dabei müssen einige Regeln beachtet werden: Private Nachrichten an den Liebsten oder die Liebste haben nichts im dienstlichen E-Mail-Postfach zu suchen. Ebenso haben körperliche Intimitäten, Beziehungsstreitigkeiten oder Kosenamen nichts im Büro verloren. Ansonsten darf der Chef eingreifen.
Aus der Beziehung an sich dürfen sich keine negativen Konsequenzen ergeben. Wenn am Firmen-PC aber private Nachrichten verschickt werden oder die Arbeitszeit eher mit dem Partner als mit der Arbeit verbracht wird, kann eine Abmahnung oder gar eine Kündigung die Folge sein.
Ergeben sich durch die Partnerschaft Spannungen und Interessenskonflikte, so darf der Arbeitgeber auf beruflicher Ebene eingreifen: Er darf das störende Verhalten unterbinden, beispielsweise durch eine Versetzung oder eine Abmahnung. In die Beziehung selbst darf er sich nicht einmischen.
Verliebt in den Chef
Schwierig wird es aus unternehmerischer Sicht, wenn es um Machtpositionen geht. Fast jeder Zehnte hat sein Herz laut der Fittkau-und-Maaß-Umfrage schon mal an einen Vorgesetzten verloren. Wenngleich in Deutschland auch Verhältnisse zwischen Vorgesetzten und Untergebenen arbeitsrechtlich legal sind, sind sie mit Vorsicht zu genießen, warnt Fischbach: „Insbesondere bei Liebesgefühlen in der Hierarchie ist ein Wechsel ratsam. Denn solche Paare stehen genau unter Beobachtung und sind manchmal auch Anfeindungen ausgesetzt. Ihre Leistungen werden kritischer beurteilt, genauso wie Beförderungen, Boni und Dienstreisen.“
Bewunderung wirkungsvoller als Sex
Bei öffentlich ausgelebten Vorgesetzten-Untergebenen-Beziehungen kann es zu Spannungen oder gar Unterstellungen wie Hochschlafen im Unternehmen kommen. „Dazu gibt es keine Studien, weil niemand offen darüber spricht. Aber aus meiner psychotherapeutischen Praxis kenne ich durchaus solche Fälle“, berichtet Psychologe Krüger. „Das geschieht natürlich unausgesprochen, es ist eine Art Kuhhandel: Es geht darum, dem Vorgesetzten etwas zu geben, wofür er sich dann erkenntlich zeigt. Das kann Bewunderung sein oder auch Sex – wobei Bewunderung fast noch wirkungsvoller als Sex ist.“
Erhebungen des Dating-Portals C-Date zufolge liegen ausgerechnet Manager, aber auch Managerinnen, mit mehr als zwei Dritteln weit vorn bei der Bejahung der Frage „Haben Sie Lust auf Sex am Arbeitsplatz“ oder „Hatten Sie Sex mit Kolleginnen oder Kollegen“.
Frauen sorgen sich stärker um ihren Ruf
Auch den aktuellen Studienergebnissen von Fittkau und Maaß zufolge ist das kein Tabu mehr: Elf Prozent der Befragten gaben an, ihren Schreibtisch, das Lagerregal und Co. schon einmal für Sex zweckentfremdet zu haben. Fürs erste Anbandeln bleibt die Firmenfeier ein Klassiker: Dort ist es bei jedem Achten schon zu Knutschereien oder mehr gekommen.
Dabei sorgen sich Frauen allerdings wesentlich stärker um ihren Ruf: Jeder fünfte Mann, aber nur knapp jede achte Frau flirtet der Umfrage zufolge gern am Arbeitsplatz. Selbst vergebene Männer sind mit 19 Prozent für das Anbandeln am Arbeitsplatz offener als Single-Frauen (14 Prozent). „Frauen gehen sehr sensibel mit dem um, was sie sich erarbeitet haben und setzen das nicht so leicht aufs Spiel“, erklärt Psychologin Fischbach die Mechanismen. Denn Frauen müssten „häufig immer noch mehr für ihre Karriere leisten und ihr Image mehr verteidigen als Männer – in dieser Hinsicht hat sich gesellschaftlich wenig getan, obwohl Frauen sich ansonsten emanzipiert haben, beruflich und auch sexuell.“
Hochschlafen, was manchen Mitarbeiterinnen immer noch gern hinter vorgehaltener Hand unterstellt wird, sei für sie längst keine Option mehr: „Frauen steigen heutzutage durch Leistung und Kompetenz auf. Gängige Konstellationen aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren wie beispielsweise Chef und Sekretärin oder das Erlangen eines höheren sozialen Prestiges durch Hochheiraten haben sich weitgehend erledigt“, sagt Fischbach.
Doch manche Arbeitgeber sehen Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz noch immer kritisch - besonders US-Unternehmen. So stürzte im Sommer Brian Krzanich, Vorstandschef des US-Chipherstellers Intel, über ein Verhältnis mit einer Mitarbeiterin, obwohl es zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens längst beendet war. Der Handelsriese Wal-Mart versuchte vor einigen Jahren sogar, seinen Beschäftigten in Deutschland Beziehungen per Ethik-Richtlinie zu verbieten. Ohne Erfolg: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf urteilte, ein solches Verbot sei ein Verstoß gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, das im Grundgesetz verankert ist (Az. 10 TaBV 46/05).
„In den USA gibt es zwar immer wieder Tendenzen, Liebe am Arbeitsplatz zu verbieten. Aber in Deutschland ist erst einmal alles erlaubt, was der Arbeitgeber nicht explizit verbieten darf“, erklärt Axel Pöppel, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. So spricht hierzulande erst einmal nichts gegen Beziehungen oder Affären am Arbeitsplatz – sofern das Geturtel nicht zu Lasten der Arbeitszeit geht oder sich Kollegen durch den Austausch von Intimitäten belästigt fühlen.
„Wenn es zu einer Klage kommt, dann handelt es sich in der Regel um Kündigungen wegen Arbeitszeitmissbrauch oder Rufschädigung, sofern das Verhältnis womöglich bekannter Personen an die Öffentlichkeit gelangt. Oder wenn das Schamgefühl Dritter verletzt wird, etwa der Reinigungskraft, die ein Paar auf dem Schreibtisch überrascht“, berichtet Pöppel von seinen Erfahrungen aus 20 Jahren Arbeitsrecht. Solche Fälle mündeten in der Regel aber nicht in Gerichtsurteilen, weil es zuvor eine gütliche Einigung gebe – schließlich wolle meist keiner der Beteiligten einen öffentlichen Prozess.
Hohe Verluste durch Liebeskummer
Unproblematisch ist die Liebe im Büro trotzdem nicht – besonders, wenn die Betroffenen wieder auseinandergehen. „Stress entsteht meist erst dann, wenn Beziehungen auseinanderbrechen und sich Trennungsdramen abspielen, die womöglich vor dem Familiengericht entschieden werden müssen“, erläutert Pöppel. Denn dann wird es schwierig, zusammenzuarbeiten und die Konflikte nicht in den Kollegenkreis zu tragen. „Schließlich ist man mit kaum jemandem so viele Stunden am Tag zusammen wie mit den Kollegen und Kolleginnen.“
Die wirtschaftlichen Folgen einer gescheiterten Beziehung sind groß: Jeder Sechste gab in der ElitePartner-Befragung an, schon einmal wegen Liebeskummers oder Beziehungsstreits nicht zur Arbeit gegangen zu sein. Einer Hochrechnung des Partnerportals basierend auf den Daten des Statistischen Bundesamts 2018 zufolge entsteht dadurch ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden: Wenn jeder Arbeitnehmer einmal im Leben auch nur einen einzigen Tag wegen Liebeskummers fehlt, ergibt sich ein Ausfall von rund 6,5 Millionen Arbeitstagen. Basierend auf einem monatlichen Durchschnittsgehalt von 3582 Euro entstehen volkswirtschaftliche Produktionsausfälle von 774 Millionen Euro - beziehungsweise ein Ausfall an Bruttowertschöpfung von 1,36 Milliarden Euro.