Coming-out im Büro „Der offene Umgang aller Menschen sollte im Mittelpunkt stehen“

Sebastian Mittmann Quelle: Deutsche Telekom

Vielen LGBT+-Beschäftigten fällt es schwer, sich zu outen. Dabei ist der Umgang seiner Erfahrung nach oft sehr tolerant, meint Sebastian Mittmann, Personaler und Mitglied der MagentaPride-Gruppe der Telekom.

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WirtschaftsWoche: Herr Mittmann, Sie arbeiten seit zehn Jahren bei der Deutschen Telekom. Wann und wie haben Sie sich geoutet?
Sebastian Mittmann: Im beruflichem Umfeld habe ich mich immer – so wie die meisten heterosexuellen Menschen ja auch – mit meiner ganzen Person eingebracht, also auch mit meinem Partner. Mich zu outen, in dem Sinne, dass ich offiziell verkünde „Ich bin schwul“, war somit nicht notwendig.

Schwierig wird es ja erst dann, wenn man erst einmal eine „Cover Story“ erzählt oder sich lieber nicht mit schwulen Kollegen in der Kantine sehen lässt … Ich selbst war glücklicherweise noch nie in der Situation, mich verstellen zu müssen. Mein Outing im Familien- und Freundeskreis ist nun schon fast 28 Jahre her. Und damals schon habe ich beschlossen, mich auch auf der Arbeit niemals zu verbiegen.

Sie persönlich machen also keinerlei Unterschied zwischen Beruf und Privatleben…
Ich persönlich nicht. Aber natürlich muss jeder für sich selbst abwägen, wann und vor allem vor wem er oder sie sich outet. Ich beobachte, dass viele lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen – und ich habe mir an dieser Stelle mal extra die Mühe gemacht, alle aufzuzählen – deutlich unterscheiden, wo sie sich outen. Im Freundeskreis fällt es den meisten am „leichtesten“. Im Familienkreis spielen Vertrauen und eine offene Atmosphäre eine wichtige Rolle. Im professionellen Umfeld nehmen meiner Meinung nach Faktoren wie Unternehmenskultur, persönliche Erfahrungen sowie beobachtete Erlebnisse Einfluss auf diese Entscheidung.

Niek Jan van Damme, der bei der Telekom bis 2018 für das Deutschland-Geschäft verantwortlich war, hat sich als einer der wenigen Topmanager öffentlich zur Homosexualität bekannt…
Vorbilder am Arbeitsplatz sind sehr wichtig. Dabei kommt Führungskräften natürlich eine besondere Rolle zu. Und eben auch den LGBT-Netzwerken wie MagentaPride. Wir machen die Vielfalt am Arbeitsplatz sichtbar: Wir sind auf Betriebsversammlungen vertreten, begrüßen den Nachwuchs im Konzern und gehen auch auf den Christopher Street Day und andere Veranstaltungen. „Flagge zeigen“ ist ein ganz selbstverständlicher Bestandteil unserer Arbeit. Auch im wörtlichen Sinne, zum Beispiel beim Mittagessen in der Kantine steht die Fahne mit dem Rainbow-T auf dem Tisch. Und ich bin sehr froh, erleben zu können, dass alle meine Kollegen und Kolleginnen im Konzern so sein können, wie sie eben sind. Unser ehemaliger Deutschlandchef war diesbezüglich einer von vielen.

Waren denn auch Ihre vorigen Arbeitgeber so tolerant?
Arbeitgeber als solches diskriminieren oder grenzen ja nicht aus. Intolerant sind einzelne Menschen. Da Beschäftigte und insbesondere Führungskräfte die Unternehmenskultur prägen, können viele intolerante Menschen natürlich auch zu einem LGBT+-feindlichem Klima beitragen.

Offene Diskriminierung, Ausgrenzung oder Ablehnung sind mir persönlich bisher nicht begegnet. Sicher spielen dabei aber auch meine beruflichen Arbeitsgebiete eine Rolle: Im Wissenschaftsbetrieb, im Bankenumfeld oder im Personalbereich ist Intoleranz eher nicht zu erwarten. Das mag in anderen Branchen und kleineren Unternehmen schon wieder ganz anders aussehen, wie diverse Studien ja auch zeigen. Ob es womöglich eine „gläserne Decke“ – also eine verdeckte Diskriminierung – für mich gab, weiß ich nicht.

Erst im Januar hat eine Umfrage der Boston Consulting Group gezeigt, dass sich 85 Prozent der LGBT+ gern am Arbeitsplatz outen würden, sich aber nur 37 Prozent trauen – damit liegt Deutschland international weit hinten…
Sich nicht trauen kommt ja von einer Angst oder Befürchtung, also einer vorweggenommenen negativen Konsequenz, die sich nicht unbedingt bewahrheiten muss. Es hängt sicher stark vom Arbeitsumfeld, der Branche, Unternehmensgröße und Region ab, ob eine offene Diskriminierung beziehungsweise Ausgrenzung durch Kolleginnen und Kollegen oder auch Kunden wahrscheinlich ist oder eben ein Karrierehemmnis zu befürchten ist – das ist ähnlich wie bei dem Thema Beförderung von Frauen.

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