Krank am Arbeitsplatz "Mitarbeiter haben Angst, unersetzbar zu sein"

Fast jeder zweite Deutsche geht auch zur Arbeit, wenn er sich krank fühlt. Denn viele Mitarbeiter haben Angst, ihre Kollegen zu überlasten. Warum zu viel Pflichtbewusstsein kontraproduktiv ist.

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Fast die Hälfte aller Deutschen geht krank zur Arbeit. Quelle: dpa-tmn

Eine Erkältung, erhöhte Temperatur oder Kopfschmerzen - es gibt viele Menschen, die trotz dieser Krankheiten zur Arbeit gehen. Das Marktforschungsinstituts GfK befragte für das Patientenmagazin "Hausarzt" 600 Arbeitnehmer, ob sie ab und zu auch krank arbeiten. Das Ergebnis: 46,2 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten nicht konsequent zu Hause geblieben waren, obwohl sie unter einer Krankheit litten oder sich krank fühlten.

Zwar gaben etwa ein Drittel der Teilnehmer in der Umfrage an, sich im vergangenen Jahr kein einziges Mal krank gefühlt zu haben. Aber es gab auch genug Menschen, welche durchaus mehrfach krank zu ihrer Arbeit gegangen waren.

Jeder zehnte Teilnehmende der Umfrage ging an einem bis drei Tagen gesundheitlich beeinträchtigt zu seiner Arbeit. Weitere zehn Prozent der befragten Menschen gaben an, im vergangenen Jahr vier bis fünf Tagen krank zur Arbeit gegangen zu sein. Und 13 Prozent der Befragten gingen trotz einer Krankheit an sechs bis zehn Tagen zu ihrer Arbeitsstelle. Zwölf Prozent der Menschen gingen sogar an mehr als zehn Tagen trotz einer Erkrankung zur Arbeit. Nur jeder fünfte Befragte blieb immer zu Hause, wenn er krank war.

Diese Berufsgruppen gehen krank zur Arbeit

Anwesenheit am Arbeitsplatz, obwohl der Arbeitnehmer krank ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Arzt krankgeschrieben würde, bezeichnet man als Präsentismus. Doch was bewegt Beschäftigte dazu, krank zur Arbeit zu gehen? „Präsentismus entsteht vor allem durch Verantwortungsbewusstsein den anderen Kollegen gegenüber“, sagt Gesundheitspsychologe Tim Hagemann von der Fachhochschule der Diakonie. Vor allem in kleinen Teams in den sozialen Berufsfeldern seien einzelne Mitarbeiter kaum ersetzbar.

Frauen arbeiten öfter krank als Männer

Das könnte auch erklären, dass das krank zur Arbeit zu gehen unter Frauen weiter verbreitet ist als unter Männern. Von den befragten Frauen gingen etwa 50 Prozent krank zur Arbeit. Unter den teilnehmenden Männern war die ermittelte Quote geringer. Sie lag bei 43 Prozent. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: „Frauen arbeiten rein statistisch häufiger in sozialen Berufen als Männer“, sagt Hagemann. Deshalb hätten sie meist mehr soziale Verantwortung ihren Kollegen gegenüber: „Kurzfristig eine Kita-Betreuerin zu ersetzen ist wesentlich schwieriger, als auf einen Mitarbeiter in einer Produktionsfirma zu verzichten“, meint Hagemann.

Doch auch Angst um den Arbeitsplatz sei ein Grund für Mitarbeiter, krank zur Arbeit zu kommen. Das falle besonders auf, wenn die gesamtwirtschaftliche Situation schlecht sei: „Viele Mitarbeiter fürchten, zuerst entlassen zu werden, wenn es dem Betrieb schlecht geht, deshalb arbeiten sie auch trotz Krankheit“, sagt Hagemann. Ein weiterer Grund, krank zu arbeiten, sei der interne Betriebsdruck durch den Chef, aber auch durch andere Kollegen.

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