Veränderte Arbeitswelt Eine gute Feedback-Kultur verlangt Umdenken

Warum das Feedback nicht als Boxenstopp alle drei Monate gestalten, statt auf das ausgediente Modell des Jahresgesprächs zu setzen? Quelle: Fotolia

Die Arbeitswelt verändert sich rasant – auch durch die Digitalisierung. Das verlangt eine neue Feedback-Kultur. Was funktioniert, was funktionieren könnte und was Manager schnell vergessen sollten.

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Es klingt erst einmal ganz einfach: Unsere Arbeitswelt ändert sich, also muss sich die Feedbackkultur verändern. Die Start-up-Kultur, bei der Effizienz, Schnelligkeit und Innovationen eine ganz andere Rolle spielen, hat viele eingespielte Arbeitsweisen revolutioniert – auch bei Konzernen und Mittelständlern.

Mit der Digitalisierung kommt eine neue Art des Arbeitens auf uns zu. Und die neuen Generationen von Mitarbeitern der Generationen Y und Z verändern die Arbeitswelt zusätzlich. „Die neue Mitarbeiter-Generation verlangt nach neuen Arbeitsmodellen – Home Office, Always on und Co. sorgen dafür, dass Arbeitnehmer viel flexibler sind bei ihren Arbeitszeiten und Arbeitsorten und andere Dinge in den Fokus nehmen“, sagt Sabine Remdisch, Professorin für Personal- und Organisationspsychologie am Institut für Performance-Management der Leuphana-Universität Lüneburg. Die Folge: „Leistungsmanagement wird derzeit neu definiert, weil die neue Arbeitskultur nicht mehr so richtig auf die Performance-Systeme passt.“

Und nicht nur das. Auch die Leistungskriterien haben sich gewandelt. Standen früher fast ausschließlich Effektivität und quantitative Erfolgsergebnisse im Fokus von Leistungsbeurteilungen, so zählen heute vor allem Geschwindigkeit und Innovation bei der Bewertung von Mitarbeiterleistungen.

So ein Wandel zu einem moderneren Leistungs- und Feedback-Management verlangt Kraft und Mut. Viele Unternehmen und ihre Manager sehen das Problem, manche reagieren bereits auf die veränderten Bedingungen. „Es tut sich etwas im Markt“, sagt Hans-Carl von Hülsen. Er ist Senior Expert Performance Management bei der Beratungsgesellschaft Kienbaum und Herausgeber einer Performance-Management-Studie, die sich mit den Instrumenten und Systemen des Leistungsmanagements beschäftigt. „Es hat den Anschein, dass aktuell zwar noch eher am Bestehenden herumgedoktert wird, aber zunehmend grundlegende Änderungen an den Performance-Management-Systemen in der Planung sind und vor der Umsetzung stehen“, so seine Bewertung.

Was für den Wandel nötig ist, lässt sich leicht herunterbrechen. Über fünf Aspekte des Performance-Managements sollten sich Chefs Gedanken machen, um ihre eigene Arbeit als Führungskraft innovativ und modern gestalten zu können:

1. Das klassische Jahresgespräch überdenken
Das klassische System des Jahresgesprächs, in dem einjährige Ziele festgelegt und am Jahresende überprüft werden, ist in vielen Unternehmen eigentlich bereits überholt. „Der Jahresrhythmus passt häufig nicht mehr“, sagt Kienbaum-Berater von Hülsen. Schon rein praktisch stoßen Manager mit dem klassischen Jahresendgespräch oftmals an ihre Grenzen: „Bei der heutigen agilen Arbeitsweise scheitern viele schon daran, dass der Mitarbeiter gar nicht mehr in derselben Position ist oder am selben Projekt arbeitet – vielleicht hat er das Unternehmen sogar bereits verlassen“, sagt Remdisch.

Die Rahmenbedingungen eines klassischen Jahresgesprächs können zudem eine Menge Frust verursachen, sagt von Hülsen: „Diese Zielvereinbarungssysteme bergen häufig einen hohen bürokratischen Aufwand und werden deshalb nicht mehr richtig gelebt.“ Die Folge: Sie nehmen keinen Einfluss mehr auf den Führungsalltag. Dadurch ist das Feedback unbefriedigend, weil die Gespräche inhaltsleer sind – oder es entfällt sogar in Gänze. Dem Jahresgespräch geht so der eigentliche Zweck verloren. Deshalb empfehlen die Experten: Umdenken! „Der hauseigene Prozess muss durchleuchtet und etwa unterjährige Modelle angedacht werden“, sagt Berater von Hülsen.

Vierteljährliche oder projektabschließende Feedbacks und Leistungsgespräche eignen sich meist besser – die Bewertung ist dann unmittelbarer und somit inhaltlich häufig frischer und genauer. Davon dürften Mitarbeiter und Chefs profitieren.

Digitalisierung und unmittelbares Feedback

2. Etablierte Systeme modernisieren, nicht austauschen
Wer das hauseigene Feedback-System überarbeiten möchte, sollte dem Motto folgen: Was gut ist, soll bleiben, was besser geht, muss neu gedacht werden: „Etablierte Systeme als Hülle können Unternehmen durchaus weiter nutzen – aber sie können dann entsprechend anders genutzt werden. Etwa durch häufigere Gespräche oder indem man den Informationsaustausch zusätzlich auf online verlagert“, empfiehlt Remdisch.

Veränderung heißt also nicht, das eigene Feedback-System komplett zu kippen, sondern die Schwachstellen zu erkennen und in kleinen Schritten Veränderungen vorzunehmen. Und zwar dort, wo es hakt. „Bei einem klar aufgestellten Geschäftsmodell, bei dem Tätigkeiten standardisiert und die Abläufe gut strukturiert sind – warum sollte ich dort nicht mit Zielvereinbarungen auf Jahresbasis arbeiten? Da spricht nichts dagegen“, sagt von Hülsen. „Aber wenn Bereiche flexibel aufgestellt werden müssen, sind möglicherweise halbjährliche oder sogar noch kürzere Rhythmen sinnvoller.“

3. Digitalisierung nutzen
Nicht nur indirekt durch eine veränderte Arbeitswelt; auch ganz direkt kann und muss die Digitalisierung das Performance-Management verändern. Und zwar durch Einbinden digitaler Möglichkeiten. Zum einen dürfte Big Data bei der Weiterentwicklung eine entscheidende Rolle spielen: „Früher wurden aufwendig Kennzahlen erfasst, an denen Leistung gemessen werden kann“, sagt Remdisch. „Heute lassen sich systemimmanente Big Data einfach abrufen, um Leistungsmonitoring zu machen.“ Die Folge: Es ist weniger Zeit notwendig, um Daten und Zahlen fürs Leistungsfeedback auszuwerten – und so mehr Zeit für den Austausch mit den Mitarbeitern, individuell und direkt.

Zum anderen gibt es auf dem Markt einige Anbieter, die unkomplizierte und schnelle Feedback-Lösungen anbieten. Sei es ein einfaches Online-Tool zur Leistungsbewertung oder Feedback-Apps. „Die Technologie für flexible Feedback-Systeme ist da und bietet viele Möglichkeiten, aber der wesentliche Punkt ist, dass die Feedbackkultur für diesen Nutzen entsprechend geprägt werden muss“, sagt von Hülsen. „Das macht nicht unbedingt eine Feedback-App, sondern die Art der Führung, die erstmal gewandelt werden muss, bevor so ein technisches System überhaupt Sinn macht.“

Sind Manager offen für digitale Angebote im Performance Management, so könnten derartige Feedback-Tools eingesetzt werden. „Es geht dann auch weg von der klassischen Mitarbeiterbefragung ein Mal im Jahr“, sagt Remdisch. Hier ist noch viel Theorie und wenig Praxis, wer aber zukunftsorientiert planen möchte, sollte solche Feedback-Lösungen in Betracht ziehen.

Tipps für ehrliche Kritik

4. Unmittelbares Feedback als ein Element
Unmittelbareres Feedback geben – das gewinnt in der modernen Arbeitswelt klar an Bedeutung: „Die schnelle, unmittelbare Form des Feedbacks, wie wir sie von Postings in Sozialen Netzwerken mittlerweile gewöhnt sind, wird in den sogenannten Mikro- oder Instant-Feedback-Systemen aufgegriffen“, sagt Remdisch.

Das könnten etwa Ampelsysteme in einer App auf dem Handy sein. Damit kann der Chef quasi per Knopfdruck am Freitag eine kurze Push an sein Team schicken: Wie war die Woche? Wie fühlt ihr Euch? Wie ist die Stimmung? „So bekommen Führungskräfte Feedback in Echtzeit“, sagt Remdisch. Das bedeutet aber auch, dass Führungskräfte entsprechend geschult werden müssen. „Manager müssen lernen, wie sie mit so unmittelbaren und direktem Feedback umgehen. Was ist die richtige Reaktion, wenn der Chef auf einmal eine rote Ampel sieht…“

Zudem sollten sich Manager überlegen, wie sie solche Tools für sich und ihre Mitarbeiter nutzen können. Interessant ist dabei etwa die Frage, agile Feedbackinstrumente dann systematisch in einem Performance-Management-Prozess eingebunden werden könnten. „Letztlich möchte ich im Performance-Management Entscheidungen darüber treffen, ob ich jemandem einen Bonus zahle, ob ich ihn fördere und aufgrund der gezeigten Kompetenzen auf andere Funktionen hin entwickele“, sagt von Hülsen. „Deshalb ist die systemische Einbindung der Informationen über das individuelle Leistungsbild in Gesamtkonzept von Performance extrem wichtig, erst dann werden diese Instrumente voll in Wert gesetzt.“

Ob dieser Nutzen jedoch gelingt – da scheiden sich bislang die Geister: „Die Mikro-Feedback-Systeme kranken noch daran, dass sie Bewertungen sehr stark aufnehmen, aber nur quantitativ darstellen“, sagt Remdisch. „Die qualitative Befütterung der Systeme muss nun online aber ebenfalls umgesetzt werden, um qualitatives Leistungsfeedback gewährleisten zu können.“

Es gibt aber auch andere Varianten des direkten Feedbacks, die mittlerweile bei mehr und mehr Firmen genutzt werden und vergleichsweise leicht umsetzbar sind – sozusagen als erster Schritt. Das sind kurze Feedbackrunden, wie zum Beispiel regelmäßige Lunchtalks zwischen Mitarbeiter und Chef oder die sogenannte „Boxenstopps“. Dabei wird etwa alle drei Monate schon überprüft, ob die Umsetzung der formulierten Ziele und Aufgaben gelingt oder bereits gelungen ist. Das allein reicht unter Umständen als erster Schritt bereits aus, um die Leistung nicht nur einmal im Jahr zu prüfen und zu besprechen. Im Fokus sollte dabei immer stehen: „Am Ende des Tages möchte ich Mitarbeiter steuern, fördern, entwickeln, ihre Leistungen nach vorne bringen – und das systemisch unterstützt“, sagt van Hülsen.

Der Chef als Mentor statt Kontrolleur

5. Kontrolle war gestern, Coaching ist heute
Eine digitalisierte Welt verlangt auch ein verändertes Führungsverhalten, sagt Professorin Remdisch: „Kontrolle ist in einer digitalen, schnelllebigen Welt – teils mit viel Distanz – schwerer realisierbar“, sagt Remdisch. „Deshalb sollten die Kontrollmechanismen ersetzt werden durch Austausch und Coaching, bei dem der Mitarbeiter eigenständig arbeitet und vielmehr unterstützt als kontrolliert wird.“

Es stünden mittlerweile häufig seltener die finanziellen Anreize im Vordergrund als dass die eigene Entwicklung als Gewinn gesehen wird, beschreibt es Performance-Management-Experte van Hülsen: „Der Chef als Coach und Mentor spiegelt ein ganz anderes Führungsleitbild wieder und steht in Verbindung mit Selbstorganisation und Eigenverantwortung.“

Wenn zudem direkte Führung aufgrund der Strukturen – etwa wegen der Größe des Teams oder der räumlichen Distanz zwischen Chefs und Mitarbeitern – schwierig wird, verlangt auch das anderes Arbeiten. „Der Zugriff auf den einzelnen Mitarbeiter wird geringer. Die Frage ist dann: Wo kommen die Informationen fürs Leistungsmanagement her“, sagt von Hülsen. Dadurch werden alternative Beurteilungen nicht nur interessant, sondern notwendig. Dann kommen etwa Team- oder Peer-to-Peer-Beurteilungen verstärkt ins Spiel. Manager sollten sich deshalb in dieser Situation fragen, ob nicht auch Kollegenbeurteilungen oder Teambeurteilungen in das Gesamtbild einfließen und auch Einfluss auf Honorierung und Bonierung nehmen sollten.

Bis die moderne Führungskultur, wie Digitalisierung und Co. sie mit sich bringen, Einzug in die Mehrheit der Büros deutscher Manager gehalten hat, kann es aber nach Schätzung der Experten noch dauern: „Wir spüren ein gewisses Interesse an umfassenden Veränderungen im Performance-Management, aber auch eine gesunde Skepsis“, sagt von Hülsen. „Unternehmen sehen den Wandel“, ist sich auch Remdisch sicher. „Aber ein Führungsverhalten, das sehr stark auf Kontrolle und Führungsprestige ausgelegt ist, lässt sich nicht so schnell verändern. Der notwendige Mindset wird also sehr stark gesehen – er braucht aber Zeit.“

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