Zweite Karriere ab 40 So überwinden Sie die Mid-Career-Crisis

Früher oder später stellen sich viele Menschen die Frage, ob sie noch in ihrem Traumjob arbeiten - und manchmal lautet die Antwort: nein. Was dann?

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Die Berufe mit den höchsten und niedrigsten Stressgraden
Platz 5:Höchste Stressbelastung: KochNiedrigste Stressbelastung: Sozialarbeiter* Die Stressbelastung von Berufen basiert auf 15 verschiedenen, stressfördernden Faktoren, wie z.B. Termindruck, Wettbewerbsintensität, körperliche sowie emotionale Belastung. Die Summe der Faktoren bestimmt das Ranking. Je schädlicher der Stress eingestuft wurde, desto höher wurde er dabei gewichtet. Quelle: dpa
Platz 4:Höchste Stressbelastung: JournalistNiedrigste Stressbelastung: Sekretär Quelle: dpa
Platz 3:Höchste Stressbelastung: PilotNiedrigste Stressbelastung: Übersetzer Quelle: dpa/dpaweb
Platz 2:Höchste Stressbelastung: FacharztNiedrigste Stressbelastung: Bibliothekar Quelle: dpa
Platz 1:Höchste Stressbelastung: BohrhelferNiedrigste Stressbelastung: Rezeptionistin Quelle: AP

Karin Schwesinger hat den Neustart gewagt. Nach 16 Jahren als selbstständige Geschäftsfrau und Chefin einer Modeboutique begann die 49-Jährige im September 2013 eine Friseur-Ausbildung. "Das belebt und beflügelt mich, das ist fast ein bisschen wie verliebt sein", sagt sie.

Zugegeben: Dass jemand freiwillig in der Lebensmitte noch einmal eine Lehre beginnt, ist selten. Nicht einmal 1100 Menschen im Alter über 40 schlossen nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2012 neue Verträge für eine duale Berufsausbildung ab.

Mid-Career-Crisis kommt zwischen 35 und 45

Gegeben hat es diese Wechsler jedoch schon immer, sagt Werner Eichhorst, Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit. "Es wird sich immer dann beruflich verändert, wenn es ein Ungleichgewicht zwischen Soll und Ist gibt."

Der ursprüngliche Traumberuf ist zum Albtraum geworden, die eigenen Ziele passen nicht mehr zum Job - bis 63, 67 oder 70 in dem Beruf zu bleiben, erscheint undenkbar. In den USA spricht man in so einem Fall von einer Mid-Career-Crisis. Zwischen 35 und 45 schlägt diese gerne zu.

Unzufriedenheit, Unterforderung und Langeweile sind die Symptome. Und die treten häufiger auf als man denkt. Laut des aktuellen Sozio-ökonomischen Panels, einer repräsentativen Wiederholungsbefragung bei mehr als 12.000 Privathaushalten in Deutschland, sind nur 8,1 Prozent der Deutschen ganz und gar zufrieden mit ihrer Arbeit. Handelt es sich nicht nur um eine momentane Unzufriedenheit, kann es sinnvoll sein, sich beruflich neu zu orientieren - auch mit 40 plus.

Worauf die Deutschen bei einem neuen Job Wert legen

"Es gibt zwei bekannte Hauptmotive für einen Neustart: Nach 15 Jahren Berufstätigkeit überlegen sich viele: Soll es das gewesen sein? Will ich diesen Job noch machen? Die andere Frage ist: Kann ich das gesundheitlich oder psychisch noch?", so Eichhorst. Typische Wechsler sind dementsprechend gestresste Akademiker, die ihre Lebensziele überdenken oder Menschen mit schwierigen Berufsbildern, also körperlich sehr anstrengenden Berufen oder Jobs, die im Aussterben begriffen sind.

Diese Jobs sind vom Aussterben bedroht
Finanzbeamte Quelle: Fotolia
Versicherungsmakler Quelle: dpa
Maschinenführer Quelle: dpa
Flugbegleiter Quelle: dapd
Juwelier Quelle: dpa
Chris Minore Quelle: AP
Zeitungsredakteur Quelle: Fotolia

Ohne Planung geht es nicht

Viele trauen sich den beruflichen Neustart jedoch nicht zu - auch wegen des finanziellen Rückschrittes, der zu Beginn damit verbunden sein kann. Auch Schwesinger muss sich finanziell einschränken.

Ein Auto oder größere Anschaffungen seien bei knapp 500 Euro Lehrlingsvergütung pro Monat nicht drin, aber das hat sie von Anfang an einkalkuliert. Das fällt manchem sicher nicht leicht. Deshalb ist es ratsam, sich ein entsprechendes Polster zuzulegen, bevor man den gut dotierten Job an den Nagel hängt, um Kaninchenzüchter auf Teneriffa zu werden. Gerade eine Existenzgründung sollte nicht überstürzt werden.

Warum die Deutschen gründen

Denn häufig lässt sich im ersten Jahr nach der Unternehmensgründung nicht vom neuen Traumjob leben. Statistiken des IfM zeigen, dass bei 35,2 Prozent der Erstgründer das Einkommen den Lebensunterhalt nicht deckt. Bei 38,8 Prozent reicht es zumindest für die Miete.

Außerdem sollte man sich zumindest die finanzielle Zukunft nicht allzu rosig ausmalen. Eine Studie von Barton Hamilton, einem Professor der Washington Universität zeigt, dass Selbstständige im Zehnjahresvergleich 35 Prozent weniger verdienen als Angestellte in der gleichen Branche. Außerdem kommt bei Selbstständigen immer noch das Risiko des Scheiterns hinzu. Wer als Angestellter nur Branche oder Arbeitgeber wechselt, bleibt zumindest davor gefeit.

Wer wirklich unglücklich in seinem Beruf - oder auch mit seiner aktuellen Stelle ist - sollte sich davon aber nicht abschrecken lassen. Wer scheitert, kann schließlich von vorne anfangen.

Und gescheiterte Gründer sind in bester Gesellschaft, wie beispielsweise die Düsseldorfer Fuck up-Night beweist. Das Motto der Veranstaltung: Geh pleite und rede darüber. Die Botschaft: Gründer müssen scheitern dürfen - und es beim nächsten Mal besser machen.

Branchenwechsel kann helfen

Talane Miedaner, Coach und Autorin, rät in ihrem Buch "Coach dich selbst zu einer neuen Karriere", mit dem Neustart nicht bis zur Rente zu warten. Wenn etwas ins Ungleichgewicht geraten sei, solle man das Problem lieber gleich angehen.

Klar: Wer familiäre Verpflichtungen hat, wird sich gut überlegen, ob er sich freiwillig eine mehrjährige Ausbildung mit geringem Verdienst antut, wie es Schwesinger getan hat. Aber es muss ja nicht gleich die Friseurlehre sein.

Beispiele erfolgreicher Quereinsteiger, Downshifter und sonstiger Aussteiger gibt es viele - und nicht jeder wurde vom Manager zum brotlosen Künstler. Oft kann es schon hilfreich sein, die Branche zu wechseln, dem gelernten Beruf aber treu zu bleiben. So sind beispielsweise viele Juristen in Unternehmensberatungen tätig.

Umschulung kann helfen

Miedaner rät außerdem, auch eine Umschulung oder Weiterbildung in Betracht zu ziehen. "Vorher sollten Sie allerdings genügend Informationsgespräche geführt haben und sich auch über Ihre Werte klargeworden sein, um sicherzugehen, dass Sie Ihre Zeit nicht mit einer Fortbildung verschwenden, die für Ihren beruflichen oder geschäftlichen Erfolg gar nicht notwendig ist", sagt sie. Allerdings darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass mit einem neuen Job alles gut wird. Schattenseiten und nervige Kollegen gibt es schließlich überall.

Worauf Sie beim Neustart in der Lebensmitte achten sollten

Wer aber wirklich etwas grundlegend ändern will, dem empfiehlt Angelika Gulder, Karriere-Coach in Hofheim im Taunus, einmal zu träumen und in Gedanken zurück in die Kindheit zu schweifen. "Überlegen Sie, was Ihnen früher am meisten Spaß gemacht hat. Und stellen Sie sich einmal vor, dass einfach alles möglich wäre. Was würden Sie dann tun?"

Diese Luftschlösser können ein Hinweis darauf sein, in welche Richtung es beruflich gehen kann. Neben der Träumerei gehört jedoch auch eine gute Portion Realismus zur Beurteilung der Lage.

Über Prioritäten klar werden

Fragen Sie sich also selbst, was Sie wirklich können - und was Sie noch erreichen wollen. Bei der Bestandsaufnahme der eigenen Fähigkeiten kann die Einschätzung von Freunden und Ex-Kollegen helfen. Ziele definieren müssen Sie dagegen selbst. Dabei können plötzlich völlig andere Dinge wichtig sein als der Job, sagt Diplompsychologin Brigitte Scheidt.

"Manche sind dann vielleicht mit einem etwas langweiligeren Arbeitsplatz zufrieden, bei dem sie aber pünktlich Feierabend und dann Zeit für ihre Familie und ihre Hobbys haben. Oder sie akzeptieren eine unbefriedigende Tätigkeit, weil sie damit viel verdienen und ihren Kindern so ein Studium ermöglichen können." Befriedigung zieht man eben nicht nur aus dem Job an sich - sondern auch daraus, dass man weiß, wofür man ihn macht.

Was ein Mann vor seinem 50. Geburtstag getan haben sollte
Mindestens ein Kind zeugenDas wichtigste zuerst. Männer kommen zwar nicht in die Wechseljahre, aber die Fruchtbarkeit nimmt mit dem Alter ab. Verlassen Sie sich nicht darauf, wie Charly Chaplin und Luis Trenker auch noch mit 80 Kinder zeugen zu können. Vermutlich wird das eher nicht klappen. Zumal Sie dazu auch noch eine deutlich jüngere Frau benötigen. Quelle: dpa
Einen Baum pflanzenDie Bibel hat recht. Zumindest in diesem Fall. Pflanzen Sie am besten einen Obstbaum, dessen Wachstum Sie miterleben und dessen Früchte Sie alljährlich genießen können. Quelle: Fotolia
Dem Chef die Meinung sagenGängeleien, Demütigungen, Ungerechtigkeiten. Irgendwann ist es genug, wenn Mann seine Selbstachtung und die der anderen nicht verlieren will. Wenn es zuviel ist, sagen Sie Ihrem Chef in aller Ausführlichkeit, was Sie von ihm halten. Lassen Sie am besten alles auf einmal raus. Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie danach nicht nur Ihre Frustration, sondern auch Ihren Job los sind. Quelle: Fotolia
Eine Prügelei durchstehenNatürlich wird ein Gentleman nur in äußersten Notlagen handgreiflich. Aber wenn er tätlich angegriffen wird, lässt er sich nicht ohne Gegenwehr zusammenschlagen. Selbst wenn Sie unterliegen, werden Sie sich zumindest im Nachhinein besser fühlen, wenn sie nicht vor Angst gewinselt haben. Quelle: Fotolia
Einen Marathon laufenEs geht darum, sich selbst zu bezwingen. 42,2 km sind lang. Spätestens bei Kilometer 39 werden Sie leiden. Aber halten Sie durch. Wer einen Marathon gelaufen ist, weiß, dass er kein Weichei ist. Alternative: Mit dem Fahrrad über einen Alpenpass fahren. Quelle: REUTERS
Einen Berg besteigenEs muss nicht der Mount Everest sein. Aber den einen oder anderen schönen Berg sollte ein Mann bezwungen haben, solange das Herz mitspielt. Tun Sie es also dem Dichter Petrarca gleich, der 1336 den Mont Ventoux (1912 Meter) bestieg - "einzig von der Begierde getrieben, diese ungewöhnliche Höhenregion mit eigenen Augen zu sehen" - und damit als Urgroßvater des Alpinismus gilt. Quelle: AP
Einmal voll über die Stränge schlagenVöllig besoffen ins Bett getorkelt ist wohl fast jeder schon mal. Aber davon reden wir jetzt nicht. Es geht darum, dass Sie Dinge getan haben müssen, über die man in Ihrem Bekanntenkreis noch nach Jahren redet. Wie Sie das anstellen, überlassen wir Ihrer Phantasie. Zu viel des Guten ist es erst, wenn Sie von der Polizei in eine kleine gemütliche Zelle verfrachtet werden. Quelle: dpa

Wer sein berufliches Soll und Haben genau analysiert, läuft natürlich auch Gefahr, herauszufinden, dass er den völlig falschen Beruf gelernt hat. Wer auf seine Eltern gehört und eine Lehre nach deren Geschmack gemacht hat, anstatt zum Theater zu gehen, muss sich nicht wundern, wenn er später unzufrieden ist.

Für manche Jobwechsel ist man ab einem gewissen Zeitpunkt zu alt. Doch auch dann gibt es Möglichkeiten, sich beruflich zumindest anzunähern, sagt Gulder. "Wenn ich 50 bin und immer Arzt werden wollte, dann ist es für ein neues Studium vielleicht zu spät. Aber bestimmt findet man andere Berufe, in denen man Menschen helfen kann, gesünder zu werden."

Wichtig ist, dass man nicht in die Gemütlichkeitsfalle tappt und sich jahrelang jeden Tag mit einer mehr oder weniger großen Unlust ins Büro schleppt - aber nichts an seiner Situation ändert. Wer nur noch mit Bauchschmerzen zur Arbeit geht und schon montags den Freitag herbeisehnt, muss etwas unternehmen.

Noch besser allerdings wäre es, wenn man mit diesen Überlegungen nicht erst anfängt, wenn einen alles nur noch nervt. "Eigentlich sollten wir regelmäßig überlegen, ob wir noch zufrieden mit unserem Leben und unserer Arbeit sind, oder ob man irgendwo nachsteuern muss", sagt Gulder. Einmal im Jahr sollte man sich dafür auf jeden Fall die Zeit nehmen.

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