Der Alltag in deutschen Büros ist meist ein bewegungsarmer. Die Augen auf den Bildschirm gerichtet, die Hände auf der Tastatur, sitzen Angestellte aller Hierarchieebenen wochentäglich acht Stunden am Schreibtisch. Dass das nicht gerade die Gesundheit fördert, haben immer mehr Unternehmen erkannt und bieten ihren Mitarbeitern höhenverstellbare Tische und ergonomische Stühle. Ziel: Die Entlastung des Rückens, der für so viel Sitzen nicht gemacht ist.
Nur für mehr Bewegung sorgt das nicht.
Dabei ist gerade die besonders wichtig, um unser Gehirn auf Trab zu bringen. Gerade gemächliches Gehen hat eine Vielzahl positiver Effekte auf unseren Organismus und unsere geistigen Fähigkeiten.
Mehr gehen, weniger grübeln, weniger depressive Gedanken
So hat ein Biologe der Stanford University herausgefunden, dass Spaziergänge im Grünen das Stresslevel reduzieren können. Dafür ließ Gregory Batman Probanden anderthalb Stunden über den grünen Campus seiner Uni laufen und maß danach ihre Gehirnaktivität. Dabei stellte er fest, dass der Teil des Gehirns, der von Hirnforschern allgemein mit Grübeln assoziiert wird, weniger aktiv war. Andere Studien zeigen, dass Spaziergänge Gedächtnisleistungen fördern und dem Risiko einer Depression entgegenwirken können.
Die besten Ideen kommen beim Gehen
Welche positive Auswirkung Spazieren auf den Geist haben kann, zeigt sich aber auch bei einem Blick in die Geschichte. So soll Albert Einstein an einem Abend im Mai mit einem Freund durch Bern spaziert sein. Von dem Gespräch und der Bewegung angeregt, setzt er sich an den Schreibtisch und begann den ersten von vier Aufsätzen zu schreiben, die 1905 zum „Wunderjahr der Physik“ machen sollten.
1990 trafen sich Helmut Kohl und Michail Gorbatschow im Kaukasus, um über die Zukunft Deutschlands zu beraten. Doch anstatt sich in einem Hinterzimmer zu verkriechen, zogen sie die Sakkos aus und machten einen Spaziergang. An dessen Ende stand fest, das wiedervereinigte Deutschland sollte die vollständige Souveränität zurück erhalten.
So bringen Sie mehr Bewegung in Ihren Büroalltag
Nicht der kürzeste Weg im Gebäude ist der beste, sondern der längste. Das verschafft Ihnen Bewegung und nebenbei stärkt es sozialen Zusammenhalt und Wissensaustausch, wenn auf dem Weg auch in anderen Abteilungen vorbeigeschaut wird.
Nehmen Sie die Treppe und nicht den Aufzug. Treppensteigen bringt Muskulatur und Kreislauf in Schwung.
Ordnen Sie Ihre Arbeitsmittel so an, dass Sie ab und zu aufstehen müssen: das Telefon nicht auf dem Tisch, sondern auf dem Sideboard; der Papierkorb nicht unter dem Tisch, sondern entfernt in der Raumecke.
Verwandeln Sie Sitzungen in Steh-Meetings. Das führt nebenbei auch zu deutlich intensiverer Beteiligung, kürzeren Meetingzeiten und höherer Effizienz.
Die befreiende Wirkung des Gehens machen sich nicht nur Politiker zu Nutze. Auch immer mehr Therapeuten haben die Vorteile erkannt: Anstatt mit ihren Patienten auf einer Couch über ihr Leben zu sprechen, machen sie einen Spaziergang.
Die positiven Effekte des Gehens wirken sich auch auf den Alterungsprozess aus. Forscher der Universität Pittsburgh stellten fest, dass schon wenige Kilometer Gehen pro Woche die Gehirnstruktur von Menschen mit Alzheimer schützen können. Außerdem gibt es einen Zusammenhang zwischen regelmäßigem Gehen und dem Gehirnvolumen. Mehrere Untersuchungen zeigen zudem, dass Gehen das Herz-Kreislauf-System schützt und Diabetes vorbeugt.
Bei all den positiven Eigenschaften des Gehens, ist jedoch eine Sache besonders wichtig: die Freiwilligkeit. Der Dresdener Neurologe Gerd Kempermann hat dies bei Experimenten mit Mäusen festgestellt. Während ein Teil der Tiere dazu gezwungen war, zu schwimmen um eine Plattform zu erreichen und so nicht zu ertrinken, stand es den anderen frei sich dann zu bewegen, wann sie es wollten. Danach untersuchte er die Bildung neuer Nervenzellen im Hippocampus, dem Teil des Gehirns der für das Übertragen von Informationen vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis zuständig ist. Das Ergebnis ist eindeutig. Bei den Tieren, dich sich freiwillig bewegt haben, überlebten doppelt so viele neu gebildete Nervenzellen, wie bei denen, die ums Überleben kämpften.
Vor zwei Jahrhunderten mussten sich die Menschen noch keine Gedanken über das Gehen machen. Die Frage, ob sie Gehen sollten oder nicht, kam für sie gar nicht erst auf. Wer von A nach B kommen wollte, musste zumeist seine Beine benutzen. Mit dem Aufkommen der Massenverkehrsmittel und des Autos, geriet das Gehen immer mehr in den Hintergrund. Heutzutage ist Gehen oft eher eine bewusste Entscheidung, als eine Notwendigkeit. Doch es gibt gute Gründe dafür, die Beine wieder öfter voreinander zu setzen.