
WirtschaftsWoche Coach: Die Sommerferien stehen vor der Tür. Für viele heißt das: Stress. Vor dem Urlaub wird richtig viel gearbeitet - vorbereiten, delegieren, Übergaben machen - und nach dem Urlaub stapeln sich die Unterlagen auf dem Tisch, die die Vertretung nicht geschafft hat...
Ilona Bürgel: Der Stress vor und nach dem Urlaub ist häufig eine selbsterfüllende Prophezeiung: Weil ich erwarte, mir meinen Urlaub regelrecht verdienen zu müssen, wird es in den Tagen davor auch richtig stressig. Weil wir nichts liegen lassen wollen und Sachen abarbeiten, die schon drei Wochen liegen. Dann wird vielleicht zu Hause noch geputzt, damit wirklich alles picobello ist, bevor es in den Urlaub geht. Das sind dann selbstgemachte Leiden.
Zur Person
Dr. Ilona Bürgel ist Diplom-Psychologin und nach 15 Jahren Managementerfahrung in der freien Wirtschaft seit 2005 als Referentin und Autorin tätig. Sie lebt und arbeitet in Dresden und Aarhus (DK).
In Ihrem aktuellen Buch „Warum immer mehr nicht immer richtig ist. Neue Wege zu Erfolg UND Wohlbefinden“ befasst sie sich damit, dass immer mehr Menschen ihre Erholung der Leistung opfern.
Das E-Mail-Postfach quillt aber tatsächlich über...
Mancher tut ja regelrecht so, als wäre es etwas Peinliches, Urlaub zu machen. „Entschuldigen Sie bitte, da hatte ich frei“, heißt es dann. In unserer Gesellschaft ist Stress immer noch chic. Wer Überstunden macht, auch samstags ins Büro geht und den Urlaub streicht, der gilt als Leistungsträger. Dabei ist es richtig und wichtig, dass sich Menschen auch mal eine Pause gönnen – und Urlaub machen.
Wie viel Pause muss es denn sein, um dem Wahnsinn im Büro wieder gewachsen zu sein?
Früher hieß es, dass man sich unter zwei Wochen Fernreise sowieso nicht richtig erholen könne. Da ist die Forschung mittlerweile weiter. Man weiß jetzt, dass die Erholung im Alltag nur circa zwei Wochen anhält, egal, wie lange Sie weg waren. Deshalb rät man heute dazu, lieber öfter kleine Trips zu machen, als einmal im Jahr sechs Wochen wegzufahren und dann keinen Urlaub mehr übrig zu haben. Wenn ich nur drei, vier Tage weg bin, türmt sich auch nichts auf dem Schreibtisch. Nach vier Wochen Kreuzfahrt quillt das Postfach natürlich über.
Wer weniger Stress am ersten Arbeitstag möchte, macht also lieber nur Städtetrips am Wochenende...
Machen Sie sich Ihr eigenes Urlaubskonzept, das zu Ihnen und Ihrem Job passt. Alles muss immer individualisiert sein, aber alle machen den gleichen Urlaub: entweder sechs Wochen mit dem Rucksack durch Thailand oder drei Wochen All inclusive in Spanien.
Das sagt das Arbeitsrecht zum Thema Urlaubsanspruch
Wer sechs Tage pro Woche arbeitet, hat einen Mindestanspruch von 24 Urlaubstagen pro Jahr, bei einer Fünftagewoche stehen Arbeitnehmern 20 Tage zu und bei einer Viertagewoche 16 Urlaubstage.
Tarif- oder Arbeitsverträge können deutlich längeren Urlaub vorsehen - 30 Tage Jahresurlaub sind in vielen Berufen und Branchen üblich. Die Zahl der Urlaubstage hängt allerdings noch von weiteren Faktoren ab. Verschiedene Personengruppen bekommen mehr bzw. weniger, als andere.
Auch wenn ein Mitarbeiter krankheitsbedingt das gesamte Jahr ausgefallen ist, hat er Anspruch auf seinen Jahresurlaub. Diesen kann der Mitarbeiter in den ersten drei Monaten des Folgejahres nehmen.
Bei Jugendlichen ist der Urlaubsanspruch nach Alter gestaffelt: Wer unter 16 ist, bekommt bei einer Fünftagewoche 25 Urlaubstage. Azubis unter 17 Jahren erhalten 23 Urlaubstage, bei unter 18-Jährigen sind es 21 Urlaubstage.
In der Probezeit hat man pro vollem Monat Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs. Wer also einen Anspruch auf 20 Tage Jahresurlaub hat und nach drei Monaten Probezeit Urlaub nehmen möchte, bekommt fünf Tage frei.
Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung, die fünf Tage pro Woche arbeiten, haben einen Anspruch auf fünf Extraurlaubstage.
Neue Mitarbeiter erwerben ihren vollen Urlaubsanspruch nach sechs Monaten. Wer im Januar anfängt, kann also im Februar noch keine drei Wochen Urlaub nehmen.
Der Urlaubsanspruch ist grundsätzlich aufs jeweilige Kalenderjahr beschränkt. Mitarbeiter müssen daher alle ihre Urlaubstage bis zum 31. Dezember nehmen, sonst verfällt der Anspruch. Wer seinen Urlaub wegen Krankheit, einer Urlaubssperre oder anderen betrieblichen Gründen nicht komplett verbrauchen konnte, kann den Resturlaub jedoch auf das Folgejahr übertragen. Der Resturlaub muss dann in der Regel aber bis zum 31. März genommen werden – es sei denn, Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen sich auf eine Übertragung über den März hinaus.
Grundsätzlich regelt das Bundesurlaubsgesetz den Urlaubsanspruch. Ein Recht auf bezahlten Urlaub haben alle, die arbeiten gehen: Vollzeitkräfte genauso wie Teilzeitkräfte, befristete oder geringfügig Beschäftigte genauso wie Lehrlinge, Referendare und Volontäre.
Wenn es aber unbedingt die Weltreise sein muss, wie kommt man entspannt zurück in den Alltag?
Es hilft, sich Puffertage zu schaffen. Wenn Sie wissen, dass ihr Flieger Sonntagsabends um halb zwölf landet, nehmen Sie sich den Montag auch noch frei, damit Sie Zeit zum zu Hause ankommen und auspacken haben. Wer montags um sieben wieder auf der Arbeit steht, braucht sich nicht beschweren, wenn die Entspannung nicht lange anhält. Und vielleicht fangen Sie sowieso erst am Mittwoch oder Donnerstag wieder an zu arbeiten. Dann ist die erste Arbeitswoche nicht so lang.
Wie erholen wir uns denn am besten? Yoga, Wandern, beim Bungee Jumping mal den ganzen Ärger rausschreien?
Wichtig ist beim Erholen im Urlaub, dass Sie etwas ganz anderes machen, als im Alltag. Wer beruflich den ganzen Tag vor dem Computer sitzt, wird sich beim Surfen im Netz nicht erholen und ein Garten- und Landschaftsbauer sollte im Urlaub nicht seinen Garten umgraben. Unser Gehirn lernt gern Neues, das belohnt es durch gesteigerte Dopaminausschüttung. Gönnen Sie Ihrem Gehirn also ein paar neue Eindrücke.
Den Garten umgraben klingt nicht nach Urlaub.
Natürlich können Sie Ihren Urlaub zum Arbeiten nutzen – wenn Sie sich am Ergebnis freuen und keinen Leistungsdruck aufkommen lassen. Wer natürlich sagt: ich muss der Erste im Laden und an der Kasse sein und um 13 Uhr muss alles fertig sein, der erholt sich dabei nicht – und hat auch keinen Spaß an dem, was er tut.