Was haben sie geflucht, die großen Konzerne, als die Diskussion um die Frauenquote aufkam. Wie solle man denn eine Frau ins Management berufen, wenn Frauen schon in der Belegschaft Seltenheitswert haben? So ähnlich schrieb zumindest Daimlers Betriebsratschef Michael Brecht vor rund zwei Jahren in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Das geplante Gesetz zur Frauenquote in Aufsichtsräten müsse überarbeitet werden. "Es wäre kein Dienst an der Mitbestimmung, wenn aufgrund der pauschalen 30-Prozent-Quote Frauen in den Aufsichtsrat einziehen würden, die diesen Rückhalt in der Belegschaft nicht haben", so Brecht. Der Frauenanteil an der Belegschaft betrug bei Daimler damals 20 Prozent.
Auch bei K+S lag der Frauenanteil bei neun Prozent - in den Führungspositionen lag er dafür bei beachtlichen 11,5 Prozent. Aber auch hier. 30 Prozent sollten es sein. "Woher sollen die kommen, Frau Schwesig?", fragten viele die Familienministerin.
Führungsfrauen nur Dekoration?
Die Wirtschaftsprüfer von KPMG hatten vor dem Stichtag am 1. Januar 2016 nachgefragt, wie sich die Dax-Konzerne auf die Frauenquote vorbereiten, welche Hindernisse sie sehen und so weiter und so fort. Dabei stellten sie fest: wo Frauen Führungspositionen bekleiden, sind sie eher Frühstücksdirektorin als CFO.
Sie seien zuständig für die kommunikativen und kreativen Bereiche wie Human Resources, PR und Kommunikation. "In diesen Bereichen – die einem tradierten Rollenbild entsprechen – können angeblich weibliche Stärken besser genutzt werden", hieß es in der Studie. Der Fachmann spricht hier auch vom "Pink Ghetto".
So hoch ist der Frauenanteil in den Dax-Konzernen
Bei Adidas liegt der Frauenanteil in Deutschland bei exakt 50 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind es ebenfalls 50 Prozent. Die Führungskräfte des Konzerns sind jedoch nur zu 28 Prozent weiblich.
Bei der Allianz liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 47,5 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 52,9 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 31,5 Prozent weiblich.
Bei der BASF liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 23,7 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 24,4 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 19,1 Prozent weiblich.
Bei Bayer liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 31 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 37 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 26 Prozent weiblich.
Bei Beiersdorf liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 50,8 Prozent (Stand: 2014). Die Führungskräfte des Konzerns sind in Deutschland zu 27,5 Prozent und weltweit zu 26 Prozent weiblich.
Bei BMW liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 14,8 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 17,8 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind zu 14,2 Prozent weiblich.
Bei der Commerzbank liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 51,2 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 52 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 28,2 Prozent weiblich.
Bei Continental liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 21 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 27,3* Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 10* Prozent weiblich.
*Ergänzung der systematischen Belegschaftsdaten um 6 weitere Länder in 2014 mit unterdurchschnittlichem Frauenanteil
Bei Daimler liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 15,5 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 16,8 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind ebenfalls zu 15,5 Prozent weiblich.
Bei der Deutschen Bank liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 47,5 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 41,7 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 19,4 Prozent weiblich.
Bei der Deutsche Börsen Group liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 37 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 40 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 15 Prozent (oberes und mittleres Management) und 24 Prozent (Unteres Management) weiblich.
Bei der Deutschen Post liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 45,2 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 36 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 19,3 Prozent weiblich.
Bei Eon liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 27 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 29 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 15,8 Prozent weiblich.
Bei Fresenius liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 71,5 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind es nur 68,4 Prozent. Die Führungskräfte des Konzerns weltweit sind sogar nur zu 29,9 Prozent weiblich.
Bei Fresenius Medical Care liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 46,5 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 68,7 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu einem Drittel (32,4 Prozent) weiblich.
Bei Heidelberg Cement liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 14 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 13 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 9 Prozent weiblich.
Bei Henkel liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 36 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 33,2 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu einem Drittel (32,5 Prozent) weiblich.
Bei Infineon liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 25,5 Prozent (Stand: 30.09.2014). Weltweit sind 37,1 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 12,5 Prozent weiblich.
Bei K+S liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 9,2 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 12,1 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind weltweit aber nur zu 14 Prozent weiblich.
Bei Lanxess liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 17,1 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 18 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind weltweit aber nur zu 15,4 Prozent weiblich.
Bei der Lufthansa liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 45,8 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 44,7 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind weltweit jedoch nur zu 14,2 Prozent weiblich. Bezieht man Frauen mit Personalverantwortung (inkl. Leitungsebenen und Vorstand) mit ein, liegt der Wert bei 33,7 Prozent.
Bei Merck liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 38 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind sogar 41 Prozent der Mitarbeiter Frauen. In den Führungskräften des Konzerns sind weltweit jedoch nur 26 Prozent weiblich.
Bei Munich RE liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 52 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind sogar 54 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die weiblichen Führungskräfte des Konzerns liegen jedoch nur bei 31 Prozent weltweit.
Bei der RWE liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 21,5 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 26,6 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 14,3 Prozent weiblich.
Bei SAP liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 28,7 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 31* Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind weltweit zu 21,3* Prozent weiblich.
*Aktuelle Akquisitionen einbezogen und historische Daten entsprechend angepasst
Bei Siemens liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 22* Prozent. Weltweit sind 24* Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 16* Prozent weiblich.
*Stand jeweils 30.09.2013: Siemens ohne Osram
Bei der Telekom liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 31,4 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 35,5 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 25,6 Prozent weiblich.
Bei The Linde Group liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 25,4 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 28,7* Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind weltweit aber nur zu 13,9* Prozent weiblich.
*inklusive Akquisition von Lincare in den USA
Bei Thyssen Krupp liegt der Frauenanteil sowohl in Deutschland, als auch weltweit bei 14,5 Prozent (Stand: 2014). Die Führungskräfte des Konzerns sind jedoch nur zu 8,6 Prozent weltweit weiblich.
Bei Volkswagen liegt der Frauenanteil in Deutschland bei 17,5 Prozent (Stand: 2014). Weltweit sind 15,7 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Die Führungskräfte des Konzerns sind aber nur zu 12,1 Prozent weiblich.
Trotzdem kam die Frauenquote und mit ihr zogen die Frauen in die Vorstände und Aufsichtsräte der Konzerne ein - wenn auch zunächst schleppend. Und zumindest die Befürchtungen, die die KPMG-Studie zunächst weckte, scheinen unbegründet zu sein: Die größte Gruppe der Vorstandsfrauen leitet operative Geschäftsbereiche – und nicht das Personalressort. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung der Beratung Korn Ferry.
Lisa Davis leitet das USA-Geschäft bei Siemens, Erica Mann verantwortet den Bereich Consumer Health bei Bayer und Helga Jung das Spanien- und Lateinamerikageschäft bei der Allianz. Kim Hammonds ist COO bei der Deutschen Bank, Melanie Kreis ist Finanzvorstand bei der Deutschen Post und Simone Menne bekleidet noch die Position des CFO bei der Lufthansa. Sie will in Kürze jedoch das Unternehmen wechseln. Bei Daimler übernimmt Britta Seeger ab 2017 den Job des Vertriebsvorstandes.
Sechs Vorstandsfrauen im MDax
Offenbar gibt es sie also, die qualifizierten Führungsfrauen. Man muss sie nur suchen wollen. "Diese Frauen beweisen, dass sie Geschäft können. Mehr Offenheit bei Besetzungen wäre darum wünschenswert", sagt Floriane Ramsauer, Partner von Korn Ferry.
Denn noch ist in punkto weibliche Führungskräfte Luft nach oben: In der Hälfte aller Dax-Unternehmen gibt es im Vorstand nach wie vor keine Frauen. Im MDax ist das sogar in 88 Prozent der Unternehmen der Fall – nur sechs MDax-Firmen haben weibliche Vorstandsmitglieder berufen:
RTL-Chefin Anke Schäferkordt, Dagmar Knopek und Christiane Kunisch-Wolff bei der Aareal Bank, Ute Wolf als CFO von Evonik, Anke Giesen leitet Personal und Operations bei Fraport, Dagmar Steinert zeichnet für Finanzen, IT und Recht im Vorstand von Fuchs Petrolub verantwortlich und Claudia Hoyer ist COO bei TAG Immobilien.
"Es wäre vermessen gewesen zu erwarten, dass der MDax schon deutlich weiter ist beim Thema ‚Frauen in Führungspositionen’ als der Dax", sagt Ramsauer. "Dass es aber gerade einmal sechs Unternehmen gibt, die einer Frau Vorstandsverantwortung übertragen haben, hat mich doch sehr überrascht."