Gehaltstest Verdienen Sie, was Sie verdienen?

Wie viel steht Ihnen trotz Krise zu? Antworten gibt der große Gehaltstest der WirtschaftsWoche und der Vergütungsberatung Personalmarkt. Die Einkommen von 470 Berufen und Positionen im Vergleich.

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kliewer

Anna Kliewer ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir unserem Bauchgefühl trauen können. Vor drei Jahren war die Berufseinsteigerin eigentlich am Ziel – ein Maschinenbau-Diplom der Uni Karlsruhe in der Tasche, einen Arbeitsvertrag in Aussicht. Der Kosmetikkonzern L’Oréal hatte sie während des Studiums mit einem Stipendium gefördert, jetzt wollte er Kliewer länger an sich binden. Bloß: Sie wollte nicht. Das Bauchgefühl.

Bei einer Absolventenmesse in Karlsruhe hatte sie Kontakt zu Personalern des Maschinen- und Anlagenbauers Dürr geknüpft. Das Unternehmen aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen gehört zu den Hidden Champions der deutschen Industrie – auch Kliewer kannte ihn vor der Messe nicht. 

Wenige Wochen später unterschrieb sie dort einen Trainee-Vertrag. Auch deshalb, weil sie sich bereits während der Bewerbungsgespräche im Unternehmen wohl fühlte und ihr die Mitarbeiter sofort sympathisch waren. Bereut hat sie das nie: Die 27-Jährige arbeitet schon als Projektmanagerin bei Dürr Systems, wo Lackieranlagen für Autokonzerne geplant und gebaut werden – Angestellte in dieser Position verdienen nach dem Trainee-Programm pro Jahr etwa 50 000 Euro.

Durchschnittseinkommen in der Krise gesunken

Das Thema Gehalt, in Deutschland traditionell neidbehaftet, bekam in den vergangenen Wochen zusätzliche Brisanz – auch durch zwei Mitteilungen des Statistischen Bundesamts.

Zum einen verkündete die Behörde, dass der deutsche Durchschnittsmann im Jahr 2008 pro Stunde 18,90 Euro brutto verdiente, Frauen aber nur 14,51 Euro. Ein Unterschied von 23 Prozent, was gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist: Nur 4 der 27 EU-Staaten bezahlen Frauen schlechter. Zudem teilten die Statistiker mit, dass die deutschen Arbeitnehmer im Krisenjahr 2009 real immer weniger verdienen. Aktuell liegt das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen bei 27 648 Euro.

Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das zwar nur einen Rückgang von mickrigen 0,4 Prozent. Doch der Abstieg ist ein Novum. Noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik waren die Bruttoeinkommen im Jahresvergleich geschrumpft – weder während der Ölkrise in den Siebzigern noch beim Platzen der Dotcom-Blase Anfang des neuen Jahrtausends. Damit ist die Krise endgültig in den Portemonnaies angekommen – und in den Köpfen.

Schon im September bestanden nur noch neun Prozent der deutschen Fach- und Führungskräfte auf mehr Geld als Belohnung für ihre beruflichen Leistungen, ergab eine Umfrage der Online-Stellenbörse Stepstone mit knapp 9500 Beteiligten. 47 Prozent gaben an, auf mehr Geld verzichten zu wollen. Sicher auch aus Angst, ansonsten den Job zu gefährden.

Und dieses Jahr? Müssen Arbeitnehmer eine weitere Sparrunde hinnehmen? Noch mehr verzichten? Oder können Einsteiger, Berufserfahrene und Führungskräfte jetzt doch wieder mehr verlangen? Und wenn ja, wie viel?

Antworten liefert die Hamburger Vergütungsberatung Personalmarkt, die zusammen mit der WirtschaftsWoche dutzende Gehaltstabellen ausgewertet hat. Insgesamt analysierten die Personalmarkt-Berater knapp 380 000 Datensätze – 326 000 von Mitarbeitern, 54 000 von Führungskräften. Das Ergebnis: Deutschlands größter Gehaltstest.

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Der Gehaltstest offenbart vor allem zwei Trends: Führungskräfte gewinnen, Absolventen verlieren. Während für Mediziner durchschnittlich 45 690 Euro drin sind, kommen Sprach- und Kulturwissenschaftler nur auf 32 819 Euro.

Das durchschnittliche Einstiegsgehalt der zehn bestbezahlten Fachrichtungen lag nach Personalmarkt-Berechnungen im Jahr 2009 bei 39 565 Euro, 2010 sind es 39 971 Euro – ein Plus von nur einem Prozent. Im vergangenen Jahr lag die Steigerung noch bei 5,2 Prozent.

Ganz anders ist das Bild in den Chefetagen – selbst in krisengeschüttelten Branchen, deren Führungskräfte sich aufgrund staatlicher Rettungsaktionen eigentlich in monetärer Bescheidenheit üben sollten.

Stattdessen nehmen die Geschäftsführer von Banken in 2010 im Schnitt etwa 371 000 Euro mit nach Hause – drei Prozent mehr als im Vorjahr. Gar 3,4 Prozent Anstieg gönnen sich die Chefs der Automobilindustrie, die 344 500 Euro verdienen.

Den größten Gehaltssprung machen jedoch die Geschäftsführer von Pharmaunternehmen, die im Jahresvergleich etwa fünf Prozent plus verbuchen.

Führungskräfte verdienen deutlich mehr als Fachkräfte

Noch deutlicher werden die Unterschiede zwischen Management und Angestellten beim Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre. So kamen Absolventen laut Personalmarkt im Jahr 2003 auf ein durchschnittliches erstes Einkommen von 37 432 Euro, in diesem Jahr sind es 38 860 Euro – ein Anstieg von 3,8 Prozent. Fachkräfte verbesserten sich von 47 582 auf 49 561 Euro – ein Plus von 4,2 Prozent. Und Führungskräfte? Sie verdienten im Jahr 2003 laut Personalmarkt 77 290 Euro, in 2010 sind es schon 88 940 Euro. Ein Unterschied von mehr als 15 Prozent .

Sind die Absolventen derzeit zu bescheiden? Oder nutzen die Unternehmen die Lage des Arbeitsmarkts aus? „Beides“, sagt Personalmarkt-Geschäftsführer Tim Böger. In Zeiten stagnierender Umsätze stünden eben viele Absolventen wenigen Arbeitsplätzen gegenüber. Und so sind aktuell unterhalb der Führungsebene allenfalls moderate Steigerungen drin.

Noch vor wenigen Monaten klang das ganz anders. Da rechnete etwa eine Umfrage von Hewitt Associates mit Gehaltssprüngen von bis zu vier Prozent – inzwischen wurde die Prognose auf 2,5 Prozent gesenkt. „Die meisten Firmen gehen in diesem Jahr verhalten vor und verfügen nur über begrenzte Budgets für Grundgehaltserhöhungen“, bestätigt Martin Hofferberth von der Unternehmensberatung Towers Watson. Der Spielraum nach oben sei weiterhin eingeschränkt.

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Was noch schwerer wiegt: Durch die hohe Inflationsrate bleibt am Schluss selbst von geringen Erhöhungen nichts mehr übrig. Viele werden gegen Ende des Jahres unter dem Strich weniger Geld zur Verfügung haben.

Experten gehen deswegen auch nicht davon aus, dass sich das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen bald ändert. Am schlimmsten sind die Unterschiede laut Statistischem Bundesamt bei freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen – hier kommen Frauen auf 34 Prozent weniger Bruttolohn.

Beim Anblick solcher Zahlen wird Marie Eve Schröder immer wieder bewusst, wie gut sie es hat. Die gebürtige Französin lernte ihren deutschen Ehemann einst während des Wirtschaftsstudiums in Lyon kennen und ging mit ihm nach Deutschland. Seit 2007 arbeitet die 39-Jährige beim Düsseldorfer Konsumgüterkonzern Henkel, zuvor war sie im Marketing des Haarpflegeunternehmens Wella in Darmstadt.

Der Jobwechsel hat sich gelohnt. Sie hat es inzwischen zur Marketingdirektorin gebracht und leitet ein Team von zwölf Mitarbeitern. Nur der französische Akzent ist ihr geblieben, sie nennt ihren Arbeitgeber immer „Enkel“. 

Lohnender Wechsel

Ihr Gehalt kann sich sehen lassen: Etwa 150 000 Euro verdient sie pro Jahr, dazu bis zu 40 Prozent variabel. Im Optimalfall sind für Mitarbeiter in ihrer Position bei Henkel über 200 000 Euro drin – und zwar unabhängig vom Geschlecht.

„Natürlich weiß ich, dass viele Frauen in der gleichen Position weniger verdienen als Männer – aber in unserer Branche ist das nicht der Fall“, sagt Schröder.

Sie wirkt nicht so, als wollte sie ihr Einkommen in nächster Zeit noch einmal nach oben verhandeln. Vielleicht auch deshalb, weil sie sich noch genau an ihren ersten Gehaltsscheck erinnert: Als Angestellte eines mittelständischen Unternehmens verdiente sie 1993 gerade mal 28 000 Euro.

Die Ingenieurin Anna Kliewer hört sich da schon wesentlich entschlossener an. „Wenn alles gut läuft, steht bald noch einmal eine Gehaltserhöhung an“, sagt die 27-Jährige.

Mit diesem Selbstbewusstsein ist sie in diesen Zeiten in der Minderheit. Zu Unrecht, findet der Gehaltscoach Martin Wehrle. Niemand bekomme heute noch mehr Geld, nur weil er eine bestimmte Zahl von Dienstjahren abgesessen hat.

„Das Gießkannenprinzip hat ausgedient“, sagt Wehrle. Leistungsträger hingegen hätten gute Aussichten, gerade in der Krise seien die Unternehmen mehr denn je auf ihre Spitzenkräfte angewiesen. Und deshalb sinken auch die Durchschnittsgehälter – während die der Manager weiter steigen: „Spezialisten werden momentan bevorzugt behandelt“, bestätigt auch Marco Reiners von Hewitt Associates. Sie können je nach Branche mit bis zu fünf Prozent mehr Gehalt rechnen. Dies betrifft neben Unternehmensberatungen und Banken vor allem die Finanzbranche und Softwarekonzerne.

Zwar raten Experten davon ab, unbedingt auf mehr Gehalt zu pochen. Ebenso falsch sei es jedoch, stillzuhalten. Wer Sparrunden einfach nur stumm hinnimmt, gilt irgendwann „als Leistungsschwächling“, warnt Wehrle.

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