Herr Lafrenz, Sie haben einen sicheren, gut bezahlten Job gekündigt, um den Logistik-Optimierer Cargonexx zu gründen. Und Herr Kuch, Sie haben Ihr Studium hingeworfen, um das E-Sports-Unternehmen MateCrate zu starten. Bereuen Sie das manchmal?
Lafrenz: Fragen Sie mich das in fünf Jahren. Auf jeden Fall ist es viel mehr Arbeit, Zweifel und Stress, als ich gedacht habe. Viel zu viel für mein Alter, sagt meine Frau.
Kuch: Vieles hab ich mir tatsächlich anders vorgestellt. Angeblich führen Start-up-Gründer ein cooles Leben, haben jede Menge Spaß und verdienen schnell viel Geld. In Wirklichkeit ist es Leben am Limit: Sieben-Tage-Woche, jeden Tag Vollgas, abends auch gern mal bis elf Uhr im Büro.
Mit dem Alter kommt die Erfahrung. Die dürfte von Vorteil beim Gründen sein, oder?!
Lafrenz: Ich hab ein Logistik-Start-up gegründet. Die Kunden müssen mir vertrauen. Da ist Alter auf jeden Fall ein Vorteil. Und auch bei Verhandlungen kann ich souveräner auftreten.
Kuch: Ich sehe es als einen großen Vorteil, jung und unvoreingenommen zu sein. Ich habe noch keine Abläufe im Kopf, die ich aus anderen Unternehmen kenne und die mich auf einen falschen Weg lotsen. Aber ich stimme zu, dass es ein Nachteil ist bei Verhandlungen, jung zu sein. Ich habe Leute getroffen, die offenbar dachten: Den Bubi kann ich über den Tisch ziehen. Denen musste ich erst klar machen, dass ich zwar erst Anfang 20 bin, aber nicht auf den Kopf gefallen.
Lafrenz: Ich verstehe, was Herr Kuch meint, wenn er von Unvoreingenommenheit spricht. Aber ich glaube auch, dass ich in bestimmten Dingen aufgrund meiner Erfahrung viel schneller bin, bei Bankgesprächen, bei der Organisation. Das alles habe ich in der Vergangenheit schon mal gemacht.

Auch finanziell steht man im Alter meist etwas besser da, was es einfacher macht, ein Unternehmen zu gründen.
Lafrenz: Nicht unbedingt, im Alter hat man schließlich auch höhere Ansprüche. Statt ein Start-up zu gründen, könnte ich sehr viele andere Dinge machen, die sehr gut bezahlt werden. Dann fragt mich meine Frau schon häufig mal, ob das denn der richtige Weg ist. Aber ich mache es nicht wegen des Geldes. Ich mache es, weil ich die Vision habe, die Logistikbranche zu verbessern. Bei der Investorensuche war es durchaus hilfreich, etwas Vermögen zu haben, weil ich so meine Investoren sorgfältiger auswählen konnte. Bei klassischen Früh-Investoren in Berlin hatte ich es dagegen schwer. Da passe ich nicht ins Schema. Die setzen lieber auf junge Gründer mit einfachen Geschäftsmodellen.
Kuch: Keine Familie, eine kleine Wohnung am Stadtrand. Ich brauche nicht viel. Wenn‘s knapp wird, esse ich einfach etwas weniger. Ich habe mein Studium abgebrochen, die ersten Monate komplett auf Gehalt verzichtet und aus Ersparnissen gelebt. Inzwischen gönne ich mir ein dreistelliges Geschäftsführergehalt pro Monat. Und wenn ich Geburtstag habe, wünsche ich mir eine neue Hose. Fürs Unternehmen ist das gut, ich kann mehr Geld drin lassen. Und wir passen ins Schema der klassischen Wagniskapital-Investoren.
Könnten Sie damit leben, wenn Ihr Start-up scheitert?
Lafrenz: Darüber mache ich mir schon häufig Gedanken, schließlich werde ich keine zehn Unternehmen mehr gründen können. Deshalb muss das jetzt funktionieren. Und deshalb fehlt mir oft die ganz große Leichtigkeit, die Herr Kuch vielleicht noch hat.
Kuch: Okay, das ist jetzt nicht meine letzte Chance. Aber ich will schon, dass MateCrate erfolgreich wird. Allerdings stimmt auch, dass ich Anfängerfehler machen darf, die im Alter sicher kritischer gesehen werden.
Wie kamen Sie zu der Entscheidung, sich selbständig zu machen?
Lafrenz: Ich war über 20 Jahre Partner einer Unternehmensberatung und habe mich intensiv mit der Digitalisierung beschäftigt.
Kuch: Wow, 20 Jahre in einem Unternehmen. So lang bin ich ungefähr auf dem Planeten.

Lafrenz: Ja, irgendwann stand ich im Stau, sah die Lkws sich bis zum Horizont aufreihen. Da habe ich mich gefragt: Kann ich das mit Technologie lösen? Ich hatte von Logistik keine Ahnung, trieb das erstmal als Projekt in der Unternehmensberatung voran. Wir haben Konzepte und Businesspläne gemacht, bevor ich zum Notar gegangen bin und ausgegründet habe. Wir haben dann fast ein Jahr unsere Algorithmen entwickelt, mit denen wir den Transport optimieren. Das alles, bevor wir in den Markt gegangen sind. Das ist eher ungewöhnlich. Die meisten Start-ups gehen direkt in den Markt.
Kuch: Bei mir läuft es tatsächlich ganz anders ab und ich würde mich nicht trauen, in einer Branche zu gründen, von der ich nichts weiß. Ich habe mich deshalb gefragt: Wo hast du Erfahrung? Ich hatte extrem viel gezockt, mit neun Jahren angefangen, Computer- und Videospiele zu spielen. Ich wusste, was Gamer wollen und was fehlt. So bin ich Hals über Kopf gestartet. Bei einer Abendveranstaltung mit Investoren gab es ein entscheidendes Gespräch, und es gab ein erstes Investment. Binnen drei Monaten waren wir am Markt.
Lafrenz: Anders als Sie fanden wir es sogar besser, nichts zu wissen über die Branche. Ich hab am Anfang beispielsweise intensive Gespräche mit der Transportwirtschaft geführt. Alle haben mir gesagt, was ich versuche, kann nicht funktionieren. Und tatsächlich, wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich womöglich nie angefangen. Es gibt so viele kleine Probleme, die man eines nach dem anderen aus dem Weg räumt. Zudem habe ich am Anfang, weil ich mir über zu wenig Erfahrung Sorgen gemacht habe, erfahrene Speditionsleute eingestellt. Von denen musste ich mich nach sechs Monaten trennen, weil die bei uns ein traditionelles Logistikunternehmen aufbauten.