Harvard, Oxford und Co. Karrierefaktor Stallgeruch

An Eliteuniversitäten entstehen häufig wertvolle Netzwerke. Verantwortlich dafür sind auch die vielen gemeinsamen Aktivitäten, wie hier das Rudern an der Universität Oxford.  Quelle: REUTERS

Der große Mehrwert von Eliteuniversitäten liegt nicht in der fachlichen Ausbildung, sondern in ihren Netzwerken. Warum sie so belastbar sind und wem sie nützen.

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Die Sätze sind nicht unbedingt geeignet für ein Werbeplakat, aber sie treffen den Kern der Sache: „Im Wirtschaftsstudium an einer deutschen Uni erwerben Sie sicher mehr Wissen als in Oxford. Aber in Oxford bekommen Sie eine Prägung fürs Leben.“ Der Mann, der sie spricht, muss es wissen, er ist schließlich selbst Absolvent der britischen Eliteuniversität. Und er weiß, dass er sich mit dieser Aussage nicht nur Freunde macht, deshalb will er seinen Namen auch hier nicht lesen. 

Sein Urteil ist umso deutlicher: Auf dem Arbeitsmarkt entscheidet später nicht, was man weiß, sondern: wen man kennt. Wissen bekomme man überall, die richtigen Kontakte aber nur an ausgewählten Institutionen. Er empfiehlt deshalb jedem, der die Chance hat, es ihm gleichzutun und eine Eliteuniversität zu besuchen: „Das Netzwerk ist ein Schatz fürs Leben.“

Die Forschung scheint ihm recht zu geben. Wer an einer der renommiertesten Universitäten der Welt studiert hat, das zeigen Untersuchungen vieler Ökonomen, verdient in den ersten Jahren im Beruf deutlich mehr als Absolventen von durchschnittlichen Hochschulen. Dabei – auch das zeigen ökonomische Studien – sind die Eliteabgänger nur unwesentlich leistungsfähiger. Der Schluss liegt also nahe, dass Institutionen wie Harvard, Stanford oder Cambridge nicht unbedingt das Humankapital steigern, sondern einen anderen Mehrwert bieten.

Christian Stegbauer von der Goethe Universität in Frankfurt bringt das Prinzip auf den Punkt: „Je besser das Netzwerk, desto besser die Jobs, die man bekommen kann“, sagt der Soziologe. Er erforscht, was ein gutes Netzwerk ausmacht und kann erklären, warum die Verbindungen, die an den Eliteunis entstehen, offenbar besonders wertvoll sind. Einen Grund dafür sieht er in der Organisation des Studiums. Die einzelnen Jahrgänge sind üblicherweise deutlich kleiner als an deutschen Universitäten. Oftmals wohnen die Studierenden auch auf dem Campus, teilen sich Zimmer und Gemeinschaftsräume.

So entstehe von Anfang an eine viel engere Bindung als etwa an deutschen Unis, wo viele nur für eine Vorlesung das Hörsaalgebäude betreten und dann wieder nach Hause gehen. Absolventen von elitären Institutionen bestätigen das. Man wohne zusammen, feiere gemeinsam, lerne gemeinsam, man verbringe viel Zeit in verschiedenen Studierendeninitiativen und Clubs, wo man debattiert, sich zum Rudern trifft oder Kongresse organisiert. Die Intensität der Kontakte, so ein Absolvent, sei wesentlich höher. 

Besonders wichtig sind dabei ausgerechnet die Kontakte, die auf den ersten Blick eher nachrangig erscheinen: Die meist oberflächlichen, kaum über Vorstellungsrunden bei Empfängen hinausgehenden Kontakte zu Ehemaligen, den so genannten Alumni. Hier greift, was der amerikanische Soziologe Mark Granovetter die Stärke schwacher Beziehungen nennt. Der Gedanke dahinter: „Entfernte Bekannte, die man aus einem Anlass oder einfach zufällig trifft, sind für die Karriere mitunter hilfreicher, als enge Freunde, weil sie viel öfter mir noch unbekannte Informationen haben“, sagt Christian Stegbauer. 

Spenden an die Alma Mater

Eliteuniversitäten sorgen dafür, dass ihre Absolventen diese schwachen Kontakte auch wirklich Nutzen. Ihre Alumnivereine laden regelmäßig zu Vortragsreihen, Abendessen oder Workshops ein. Sie trommeln dabei zwar immer auch für Spenden an die Alma Mater, allerdings bieten sie auch den Gegenwert der Netzwerkpflege, die an den meisten deutschen Universitäten jeder für sich übernehmen müsste. Und das weltweit: Egal ob man gerade in Berlin, Peking oder New York ist, findet man Veranstaltungen der Oxford Society oder der Harvard Business School Alumni.

Zwei Beobachtungen machen diese Treffen für Christian Stegbauer zu besonders wertvollen Gelegenheiten: Zum einen sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass ältere Alumni selbst schon in guten Positionen säßen und deshalb auch gute Positionen zu vergeben hätten. Zum anderen stünden die Chancen besser, diese Positionen auch zu bekommen, wenn man an der gleichen Hochschule war. 

Klüngelei und Vetternwirtschaft

Das liege an etwas, das Stegbauer Stallgeruch nennt. „Die Institutionen vermitteln eine bestimmte Art von Sichtweisen, Werten und Verhalten“, sagt der Soziologe, „Wenn man Personen mit ähnlichem Hintergrund trifft, glaubt man, dass man sich mit ihnen besser versteht.“ Kulturelle Gemeinsamkeiten und das Wissen, die gleiche Maschinerie durchlaufen zu haben, ließen eine Art Grundvertrauen entstehen, auch wenn man sich nicht wirklich kenne. 

Wer sich dabei an Klüngelei und Vetternwirtschaft erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Christian Stegbauer schätzt, dass Korruption in besonders elitären Netzwerken öfter vorkommt und seltener auffällt. Und noch einen weiteren Nachteil sieht der Soziologe: „Wenn man nur Menschen einstellt, die einem sehr ähnlich sind, leidet die Diversität“, so Stegbauer.

Mehr zum Thema: Um als Uniabsolvent herauszustechen und später mehr zu verdienen, hilft heute nur die Station an internationalen Eliteuniversitäten wie Harvard, ETH und Co. Denn im Ausland waren fast alle, und der Doktor ist viel zu verkopft.

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