
Yossi Sheffi will mehr „von den Besten der Besten“ ans Massachusetts Institute of Technology (MIT) ziehen. Der Professor ist einer der Verantwortlichen für den sogenannten „MicroMaster“ für den Studiengang Supply-Chain-Management, der sich mit der Logistik von Unternehmen beschäftigt. Interessierte können künftig das erste Semester des einjährigen Masters online absolvieren – weltweit und ohne Zulassungstest. Im zweiten Semester schließt der Student dann das Studium auf dem Campus der Universität in Cambridge ab.
Der Vorteil: Das erste Semester ist komplett kostenlos, nur die finale Prüfung kostet 1500 Dollar. Im zweiten Semester betragen die Studiengebühren 33.000 Dollar. Für die meisten dürfte das zwar ein halbes Vermögen sein, im Vergleich zu anderen Eliteunis ist das aber erstaunlich wenig. Vergleichbare Studiengänge in Harvard oder Yale kosten pro Semester bis zu 84.000 Dollar.

Höhere Chancen
Die Vorlesungen können sich Interessierte im Netz auf der Plattform edX ansehen. Sie ist eine Zusammenarbeit des MIT und der Harvard-Uni, auf der Nutzer Kursinhalte abrufen können. Zum zweiten Semester will das MIT aber nur 30 bis 40 Personen zulassen. Für die Zulassung müssen die Online-Studenten Seminararbeiten abliefern und eine Prüfung bestehen, die in einem Zentrum in der Nähe des Wohnorts geschrieben wird. Laut MIT erhöht ein Online-Semester die Chancen „beträchtlich“, akzeptiert zu werden.
Das MIT ist nicht die erste Spitzenuni, die Leistungsnachweise für Online-Vorlesungen vergibt. Das Georgia Institute of Technology bietet einen Master für Informatik an, der online absolviert werden kann. Allerdings gibt es dort wie an anderen Spitzenunis Zulassungstests.
Was man tun kann, wenn man sich noch nicht für ein Studium entschieden hat
Sich selbst besser kennenlernen und herausfinden, was man eigentlich werden will: Dafür eignet sich ein Orientierungsstudium. Die meisten solcher Programme dauern ein Jahr und sind aufgebaut wie ein Studium generale. Das bietet die Möglichkeit, in verschiedene Fachrichtungen reinzuschnuppern – und erleichtert so die spätere Studienwahl. Angeboten werden diese Ministudiengänge zum Beispiel von der Universität Witten/Herdecke und der TU Berlin, aber auch vom Elite-Internat Schloss Salem. Doch das kostet. Salem nimmt für das Jahr inklusive Unterkunft und Verpflegung 24.000 Euro.
Sich nach dem Abi erst einmal für ein halbes Jahr nach Australien abseilen – für Minderjährige fast unmöglich. Ein Auslandsaufenthalt ist trotzdem machbar. Zum Beispiel durch eine Teilnahme am Internationalen Jugendfreiwilligendienst. Abiturienten arbeiten meist für mindestens sechs Monate an einem Projekt im Ausland. Doch nicht jede Organisation will Minderjährige aufnehmen, da es mit höherem Aufwand verbunden ist. Lieber frühzeitig beraten lassen, welche Länder und Projekte infrage kommen und welche nicht.
Ob die Vertiefung der Englisch- oder Französischkenntnisse oder gar das Erlernen einer völlig neuen Sprache: In Zeiten der Globalisierung ergibt ein Sprachkurs Sinn. Für Minderjährige empfiehlt sich besonders die Kombination aus dem Besuch einer Sprachschule und einem Gastfamilienaufenthalt. Das beruhigt die Eltern, außerdem bekommt der Abiturient einen unverfälschten Einblick in die andere Kultur. Die Dauer ist frei wählbar. Intensivkurse nehmen nur wenige Wochen in Anspruch, es gibt aber auch die Möglichkeit, mehrere Monate lang Unterricht zu nehmen. Leider gibt es allerdings nur wenige Anlaufstellen für finanzielle Unterstützung. Weitere Informationen gibt es auf der Internet-Seite des Fachverbands Deutscher Sprachreise-Veranstalter (www.fdsv.de).
Bei der Bundeswehr haben Minderjährige besonders gute Chancen: Wie in jedem guten Unternehmen bemüht sich auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen um die frühzeitige Bindung der besten Talente – und bietet einige Anreize: Die Bundeswehr zahlt zwischen 800 und 1200 Euro pro Monat. Außerdem ist der Zeitraum frei wählbar, von 7 bis zu 23 Monaten. Unter 18-Jährige stehen allerdings unter besonderem Schutz: Sie dürfen keine Funktion ausüben, bei der sie zum Gebrauch einer Waffe gezwungen sind. Auch Auslandseinsätze sind tabu. Wem es gut gefällt, kann direkt bleiben und dort studieren. Oder eine Laufbahn als Berufssoldat einschlagen.
Für besonders Unentschlossene sind „Massive Open Online Courses“ (MOOCS) eine Alternative. Sie kosten wenig bis gar nichts, erfordern keinen Umzug und führen mitunter zum Ziel. Und zwar vom Sofa aus. Ob die Einführung in die Wahrscheinlichkeitsrechnung auf der deutschen Plattform Iversity oder die Harvard-Vorlesung über künstliche Intelligenz auf der US-amerikanischen Web-Seite Coursera – die einzigen Voraussetzungen sind ein Internet-Anschluss und ein Laptop. Und selbst wenn die Online-Kurse nur verdeutlichen, was man nicht will – auch das ist schon ein wichtiger Schritt.
Das MIT sieht das Online-Semester als Teil des Zulassungsverfahrens. „Mit diesem Ansatz wird der traditionelle Zulassungsprozess im Grunde auf den Kopf gestellt“, sagt Rafael Reif, Präsident des MIT. In den vergangenen Jahren wurden in den USA Arbeitskräfte mit Fachwissen in Supply-Chain-Management knapp. In einer Umfrage aus dem Jahr 2014 sagten 43 Prozent der Unternehmer, sie hätten Schwierigkeiten, kompetente Arbeitnehmer zu finden. 2013 waren es noch 37 Prozent, 2011 nur 22 Prozent gewesen.
Logistiker sind knapp
Der Arbeitskräftemangel hat sich mittlerweile bis zum MIT rumgesprochen. „Die eine Sache, die wir von jedem hören ist, dass es Talentknappheit in diesem Bereich gibt“, meint MIT-Professor Sheffi. Mit dem MicroMaster will das MIT junge Berufstätige ins Programm locken. Bisher mussten sie eine zehnmonatige Berufspause einlegen, um das Studium zu absolvieren; jetzt können sie den Master erst einmal antesten, bevor sie an die Uni gehen.
Generell gelten frei zugängliche, kostenlose Online-Kurse, auch MOOC genannt, aber als gescheitert. So sagte Sebastian Thun, der Erfinder der MOOCs, der Webseite Fast Company: „Wir waren auf den Titelseiten der Magazine und Zeitungen, und zur gleichen Zeit wurde mir klar, dass wir andere Leute nicht unterrichten wie ich oder andere das wünschten. Wir haben ein lausiges Produkt.“





Ähnliches zeigte eine Studie zu den MOOCs von Harvard und MIT, die 68 Kurse mit insgesamt 1,7 Millionen Teilnehmern untersuchte. Vor allem Hochschullehrer besuchten die Online-Kurse (39 Prozent); vermutlich, um sich auf eigene Vorlesungen vorzubereiten. Nur jeder Fünfte schaute sich mehr als die Hälfte aller Kursinhalte an. Von allen Teilnehmern wollten 57 Prozent einen Leistungsnachweis erlangen, aber nur ungefähr die Hälfte erwarb tatsächlich ein Zertifikat.
Der Online-Master bietet dem MIT vor allem einen Vorteil: Die Eliteuni kann über ein halbes Jahr in Ruhe schauen, wer das Zeug zum Studium in Cambridge hat und wer nicht. So wird das Online-Semester Teil eines verlängerten Auswahlverfahrens.