
Wie wollen wir in Zukunft arbeiten?, fragt sich das Bundesarbeitsministerium. Und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) versucht, in ihrem Weißbuch die drängendsten Fragen zu beantworten. Was passiert, wenn künftig nur noch Roboter für uns arbeiten? Wie flexibel müssen Angestellte und Unternehmen sein?
Management-Symposien und -Experten versuchen dagegen Antworten auf die Frage zu finden, wie flach die Hierarchie denn sein muss, die alle glücklich macht.
Und die Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften unken: Haben wir die Digitalisierung im Griff? Sind wir gewappnet für eine Ära, in der Informationstechnik zum dominanten Produktionsfaktor aufsteigt? Was wird aus stolzen Industriebetrieben, wenn smarte Start-ups ganze Branchen auf den Kopf stellen? Und was wird aus Mitarbeitern, deren Berufsbilder vom technischen Fortschritt zerlegt werden?
Arbeiten 4.0 - Das sind die Pläne von Arbeitsministerin Nahles
In einer zweijährigen Probephase soll flexibleres Arbeiten erleichtert werden. Wenn sich Tarifpartner darauf einigen, sollen gesetzliche Vorgaben begrenzt gelockert werden können. Tarifpartner sollten vereinbaren können, für welche Gruppen und unter welchen Bedingungen Öffnungen bei der Arbeitszeit denkbar seien.
Ein Arbeitnehmer soll mit dem Arbeitgeber darüber verhandeln können, zum Beispiel morgens eine halbe Stunde später zu kommen, um das Kind zur Kita zu bringen. Der Chef soll das nur gut begründet ablehnen können.
Auch Anstöße zur Erleichterung von Home-Office sollen die Tarifpartner vereinbaren können. Wer zum Beispiel wegen der Kinder früher heimgeht und dann abends weiterarbeitet, bei dem könnte nach entsprechenden Vereinbarungen die Spätschichtzulage wegfallen.
Ein Rückkehrrecht aus der Teilzeit in eine frühere volle Arbeitszeit soll es vor allem Frauen erleichtern, nach einer Familienphase wieder komplett in den Job einzusteigen.
Die Bundesagentur für Arbeit soll bundesweit Weiterbildungsberatung anbieten. Das soll in jeder Arbeitsagentur aufgebaut werden.
Nahles will ein Guthaben für jeden Arbeitnehmer - damit soll Zeit für Weiterbildung oder familienbedingte Auszeit finanziert werden. Vorausschauend soll Weiterbildung finanziert werden, die absehbare Anforderungen an die Arbeitnehmer betrifft.
Gerade in der Internetwirtschaft sind viele Soloselbstständige tätig - Nahles will für sie eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rente.
"Wir erleben in Deutschland eine große Verunsicherung", sagt Kai Bender, Partner und Leiter der deutschen Digital Practice bei der Managementberatung Oliver Wyman, die kürzlich die Querschnittstudie "Digitales Deutschland" vorgestellt hat.
Diese Verunsicherung scheint jedoch nicht groß genug zu sein, um etwas am Führungsstil zu verändern. Zumindest zeigt eine repräsentative Umfrage unter mehr als 1.800 deutschen Arbeitnehmern des Karrierenetzwerkes Xing, dass zwischen Mitarbeiterwunsch und Arbeitswirklichkeit noch große Lücken klaffen.
So wünscht sich rund jeder zweite Beschäftigte (49,1 Prozent) zu aller erst Wertschätzung vom Chef. 39 Prozent wollen, dass ihr Vorgesetzter nicht nur fachlich gut ist, sondern auch tatsächlich Führungskompetenz besitzt und 30 Prozent hätten gerne einen Vorgesetzten, der sie motivieren kann und nicht nur Befehle brüllt. Alles sehr 2016 eben.
In kleinen Unternehmen klappt das auch ganz gut. Aber in den großen Konzernen, die vermeintlich innovativ und modern sind, hapert es damit. Bei Konzernen mit mehr als 50.000 Mitarbeitern vergibt nicht einmal mehr jeder fünfte Befragte (18,3 Prozent) die Bestnote für Wertschätzung an den jeweiligen Boss.
Spannend: Weibliche Vorgesetzte lassen ihren Mitarbeitern laut den Umfrageergebnissen eine höhere Wertschätzung zu Teil werden. 25,6 Prozent der weiblichen Chefs erhalten die Bestnote in dieser Kategorie, während nur 22,6 Prozent der männlichen Chefs diese erreichen.
Dafür sind die Hierarchien in Konzernen und kleinen Unternehmen zeitgeistgemäß eher flach als pyramidenförmig: 64,9 Prozent der Befragten bevorzugen flache Hierarchien (27,6 Prozent plädieren für eine vollständig basisdemokratische Philosophie, in der sämtliche Entscheidungen im Team gefällt werden). Tatsächlich sagen auch 72,4 Prozent, dass ihnen die direkten Vorgesetzten kollegial auf Augenhöhe begegnen. Und auch hier wieder: Weibliche Vorgesetzte zeigen sich nahbarer als ihre männlichen Pendants.
Der Wandel im menschlichen Verhalten der Führungskräfte ist also erkennbar, auch wenn es noch nicht überall rund läuft.
Schlechte Noten für die Technik
Anders dagegen sieht es beim physischen Arbeitsplatz der Zukunft beziehungsweise Gegenwart aus, wenn man der Studie "Arbeitsplatz der Zukunft" des IT-Dienstleisters CSC unter 1000 Arbeitnehmer in Deutschland glaubt. Die stellen ihren Chefs nämlich eher ein schlechtes Zeugnis aus:
60 Prozent bemängeln einen schlechten Datenzugriff von unterwegs, 58 Prozent kritisieren einen zu langsamen IT-Störungsdienst und 55 Prozent erleben die IT der eigenen Firma als zu unflexibel, um neue Anforderungen - beispielsweise der digitalen Geschäftswelt - einzubinden. Und knapp jeder zweite Arbeitnehmer (48 Prozent) bewertet die IT-Ausstattung der eigenen Firma mit befriedigend oder schlechter, wenn er beispielweise auf Geschäftsreisen in Deutschland unterwegs ist.
Auch im Home Office sieht es nicht besser aus, weil die Anbindung an das Firmennetzwerk nicht funktioniert: 42 Prozent der Befragten geben dem IT-Arbeitsplatz die Schulnote befriedigend oder schlechter. Zehn Prozent erteilen sogar eine glatte Sechs. "Die Erfahrungen der Arbeitnehmer mit dem IT-Support sind eine wichtige Orientierung, wenn Firmen den Arbeitsplatz der Zukunft gestalten", sagt Claus Schünemann, Vorsitzender der Geschäftsführung von CSC in Deutschland. "81 Prozent der Arbeitnehmer halten einen modernen, digitalen IT-Arbeitsplatz für wichtig, um als Unternehmen für Mitarbeiter attraktiv zu sein."
Denn trotz aller Debatten um die Führungskultur und die Organisationsform eines Unternehmens: Wenn die Technik streikt, oder die Angestellten arbeiten müssen wie vor 20 Jahren, hilft auch der netteste Chef nicht.