Business-Frauen in den Emiraten „Wir müssen nicht mehr kämpfen“

Raja al-Mazrouei Quelle: PR

Raja al-Mazrouei ist eine führende Frau in der Fintech-Branche der Vereinigten Arabischen Emirate. Ein Gespräch über Selbstzweifel, den richtigen Umgang mit Widerworten und die Frage, warum eine traditionelle Gesellschaft auch Vorteile hat.

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WirtschaftsWoche: Frau Mazrouei, Sie haben Karriere im Finanzsektor der VAE gemacht und sind heute Vize-Geschäftsführerin des Fintech Hive im Dubai International Financial Centre – dem wichtigsten Handelsplatz im Nahen Osten. Wie sind Sie da hingekommen?
Raja al-Mazrouei: 2014 habe ich ein Führungskräftetraining an der Harvard Business School mitgemacht – nach drei Monaten kam ich komplett gehirngewaschen zurück (lacht). Das war der Anschub für mich, in neue Bereiche vorzudringen. Bevor ich den Kurs belegt habe, war ich introvertiert, hatte Angst, vor Leuten zu sprechen, und dachte überhaupt, ich könne meine Meinungen nicht laut äußern. Ich musste aus meiner Komfortzone heraustreten.

Das klingt nach einem langwierigen Prozess. Was hat Sie ermutigt?
Ich spreche immer mit anderen und schätze Feedback sehr. Ich hatte in meinem Leben viele Mentoren, in meinem Unternehmen, bei meiner Arbeit – und auch außerhalb davon. Durch diese Gespräche wusste ich, dass das Hauptproblem war, wie sehr ich an mir selbst zweifelte. Ein französischer Freund sagte mir das ganz deutlich: ‚Du musst im Job aussprechen, was du denkst.' Aber genau an dem Punkt hatte ich vorher immer gedacht: Vielleicht ist mein Gedanke nicht relevant. Als ich schließlich begann, meine Ideen mitzuteilen, stieß ich auf Offenheit und Wohlwollen.

Es gab gewiss auch mal Widerspruch. Wie gehen Sie damit um?
Ich akzeptiere das und versuche das Beste fürs Business zu machen. Wenn mir alle nur sagen: Ja, gut gemacht, dann verbessere ich mich nicht. Anecken ist also hilfreich.

Wie kamen Sie schließlich in den Fintech Hive?
Ich kam in Berührung mit Unternehmensentwicklung, lernte viel über Kundenorientierung. Das machte Spaß. Dann kamen die ersten Fintechs auf und ich dachte: Das ist es – Technologie und Finanzdienstleitungen in einem. Für den Fintech Hive hatte ich außerdem bereits eine Menge Marketing gemacht.
Müssen Frauen besser in ihrem Fach sein, um genauso weit zu kommen wie Männer?
Frauen sind sowieso ausgezeichnet. Sie müssen es nur sagen und kommunizieren. Sie müssen sich mit sich selbst wohlfühlen. Sie müssen ihre eigene Sicht haben und sich darüber im Klaren sein, dass sie auch mal falsch liegen können. Und das ist okay. Wir Frauen sind zu streng mit uns selbst. Das können wir von den Start-ups lernen – die würden alles machen, wenn man sie ließe.

Und wie sind Sie dann an die Spitze des Fintech Hives gekommen?
Ich dachte mir damals: Warum frage ich nicht einfach, ob ich den Posten übernehmen kann? Eine Freundin war damals Chefin der Rechtsabteilung im Dubai International Financial Centre. Als ich sie um Rat fragte, sagte sie: ‚Was willst du mit den Fintechs? Du setzt deine Karriere aufs Spiel! Was, wenn das scheitert? Du musst dich absichern! Es wird keinen Weg zurück geben.‘ Ich überlegte und beschloss: Ich mache es einfach und wenn es nicht klappt, überlege ich neu.

Hat Ihre Familie das so einfach mitgemacht?
Meine Familie hat mich immer sehr unterstützt. Sie verstehen, dass ich sehr ambitioniert bin, sogar meine Kinder – zwei Jungs im Alter von 13 und 15 Jahren – denen ich die ganze Zeit etwas über Fintechs erzähle. Sie alle sind Teil meiner Arbeit. Und meine Arbeit begleitet mein Leben, auch in Freizeit und Urlaub. Ich gehe darin auf.
Wie war das, als Ihre Söhne noch klein waren?
Am schwierigsten war die Erfahrung mit meinem ersten Kind. Ich nahm zwar eine sechsmonatige Elternzeit – doch nach zwei Monaten war ich wieder im Büro. Ich wollte meinen Sohn nicht woanders lassen, aber  auch nicht auf meinen Job verzichten. Also habe ich ihn mitgenommen. Als er etwas älter war, gab ich ihn in eine Kinderkrippe. Beim zweiten Kind war es einfacher, den gab ich direkt in die Krippe. Die Balance zu finden, war nicht einfach. Aber irgendwann war mir plötzlich klar, dass ich genug Energie für beides habe: Job und Kinder.

Welche Erwartungen hatte Ihre Familie?
Die haben dauernd irgendwelche Erwartungen. Meine Mutter fragt, warum ich nicht mehr Kinder habe. Mein Mann fragt, wann ich mich aus dem Geschäft zurückziehe. Meine Kinder fragen, warum ich nicht zuhause bin, wenn sie aus der Schule kommen. Aber dann frage ich zurück: Warum wollt ihr, dass ich zuhause bin, wenn ihr aus der Schule kommt? Ihr geht duschen und macht eure Hausaufgaben – und dann bin ich da. Als die beiden jünger waren, habe ich mich sehr viel mehr gekümmert. Aber nun sind sie unabhängig.

Das Ringen um eine Balance zwischen Familie und Beruf gibt es überall auf der Welt. Müssen Frauen hier in den Emiraten mehr kämpfen, wenn sie unabhängig sein wollen?
Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Wenn ich reise, kann ich meine Kinder immer bei meiner Mutter oder meinen Schwestern lassen. Wir haben große Familien und es ist immer jemand für einen da. In Europa haben viele nicht diesen direkten Familienzugang – und die Kompromisse machen oft die Frauen. In unserer Kultur ist die Großfamilie immer noch die Regel und sie hilft – wenn man das will. Wir müssen nicht mehr kämpfen, wir haben viele Vorbilder wie Ministerinnen und andere starke Frauen in der Wirtschaft. Der Premierminister nimmt häufig seine Nichte mit auf Termine, um zu zeigen, dass die Menschen stolz auf ihre Töchter sein können. Wenn er das tut, akzeptieren die Menschen das. Aus meiner Sicht sind wir Frauen heute super-befreit.

Was würden Sie Ihren Söhnen – und später Schwiegertöchtern – raten?
Meinen Schwiegertöchtern würde ich vorher raten: Heiratet nicht, bevor ihr nicht gelebt habt! Und wisst, wohin ihr im Leben wollt! Sucht den Richtigen, egal wie lange es dauert! Heirat hat nichts mit Status, sondern mit Partnerschaft zu tun! Meinen Söhnen gebe ich mit: Vergesst nie den Gentleman, haltet Türen auf, holt eure Freundinnen ab – das sind die Basics. Ich sage ihnen: Jeder Mann wurde von einer Frau geboren, also respektiert alle Frauen!

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