Der eine entwickelt nüchterne Maschinen, interessiert sich nicht für Fußball und nimmt sich kaum Zeit, fernzusehen. Der andere verdient Geld mit hoch emotionalen TV-Bildern, besucht jede Saison mindestens ein Dutzend Spiele, hat im Büro neun Fernseher gleichzeitig laufen: Auf den ersten Blick könnten die Unternehmen, an deren Spitze der drahtige Ralf Dieter und der kompakte Brian Sullivan stehen, unterschiedlicher kaum sein. Auch begegnet sind sich der 52-jährige Badener und der 51-jährige Amerikaner aus Philadelphia noch nie. Und doch haben der Vorstandschef des Maschinen- und Anlagenbauers Dürr und der CEO des Pay-TV-Senders Sky Deutschland eines gemeinsam: Sie sind derzeit Deutschlands erfolgreichste Vorstandsvorsitzende.
Kein CEO eines börsennotierten Unternehmens mit mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz war 2012 erfolgreicher als Dürr-Chef Dieter, und im Vergleich der Unternehmen unterhalb dieser Erlösschwelle schlug Sullivan alle Konkurrenten. Dieter ließ dabei 92 Prozent seiner Wettbewerber hinter sich, darunter den gesamten Dax 30, schnitt besser ab als Bayer-Chef Marijn Dekkers oder VW-Chef Martin Winterkorn. Und Sky-CEO Sullivan setzte sich mit mehr als 91 Prozent in einem Kopf-an-Kopf-Rennen gegen Rüdiger Kapitza durch, CEO von DMG Mori Seiki, bis 30. September geführt als Gildemeister.
Langfristige Sanierung
„Wir lassen uns nicht von Namen blenden“, sagt Hermann Stern, Gründer und CEO des Schweizer Finanzdienstleisters Obermatt, dessen gleichnamiger Index die Basis für das CEO-Ranking der WirtschaftsWoche ist. „Die Größten müssen nicht immer die Besten sein.“
Obermatt-Chef Stern misst den Erfolg der Unternehmen anhand der Entwicklung des operativen Erfolgs sowie des Aktienkurses – in diesem Fall vom Geschäftsjahr 2011 auf 2012 – und vergleicht sie mit der Performance einer Vergleichsgruppe von Wettbewerbern. „Somit“, sagt Stern, „ist ein branchenübergreifender Vergleich möglich“ (siehe Methode).
Methode - Wie der Obermatt-Index die Leistung der CEOs misst
Ins Ergebnis fließen zu gleichen Teilen die Entwicklung der operativen Leistung und der Börsenperformance eines Unternehmens von einem Geschäftsjahr zum nächsten ein. Das operative Geschäft wird gemessen anhand der Veränderung des Gewinns vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisierungen (organisches Ebitda), ist somit frei von Effekten aus Fusionen oder Akquisitionen. Die Aktienrendite wird um Aktiensplits, Kapitalausgaben und Dividendenzahlungen bereinigt, misst also veränderte Erwartungen der Aktionäre an den Ertrag des Unternehmens.
Die Platzierung ergibt sich aus dem Vergleich zu direkten Konkurrenten und Unternehmen, die denselben Geschäftszyklen unterliegen. Die Zusammensetzung dieser Gruppen aus bis zu 100 Unternehmen wird regelmäßig überprüft.
Dank Indexierung ist das Ergebnis unabhängig von volatilen Faktoren wie Konjunkturzyklen oder Rohstoffpreisen.
Sucht man nach den Gründen für Dieters und Sullivans Erfolg, fallen trotz aller Unterschiede schnell einige Gemeinsamkeiten ins Auge: Beide stehen schon geraume Zeit an der Spitze ihrer Unternehmen – Sullivan knapp vier Jahre, Dieter gar doppelt so lang. Beide kamen zu einem Zeitpunkt ins Amt, als ihre Arbeitgeber sich in starker Schieflage befanden. Und entwickelten einen auf mehrere Jahre und langfristigen Erfolg angelegten Sanierungsplan. „Der jetzige Erfolg unseres Unternehmens kommt für uns nicht völlig überraschend“, sagen Dieter und Sullivan unisono. „Wir haben mit unserer Mannschaft in den Jahren zuvor Boden und Saat bereitet und können nun die Früchte unserer Arbeit ernten.“
Ralf Dieter - Voll im Lack
Als ihn Anfang April die E-Mail erreicht, muss es ganz schnell gehen: Flug gebucht, Zahnbürste und einen Satz frische Wäsche ins Handgepäck – und ab geht’s zum Flughafen. Wenige Stunden später sitzt Ralf Dieter im Flugzeug – Richtung China.
Der Grund für den unverzüglichen Aufbruch gen Fernost: Ein wichtiger Kunde hatte kurzfristig zu finalen Vertragsverhandlungen gebeten – ein Millionenprojekt, für dessen endgültigen Abschluss die chinesischen Geschäftspartner die Anwesenheit des Chefs aus Deutschland wünschten.
„Es ist mir generell wichtig, nah am Kunden zu sein und auf dessen Bedürfnisse einzugehen“, sagt Ralf Dieter, Vorstandschef des Anlagen- und Maschinenbauers Dürr. „Ich bin als oberster Repräsentant unseres Unternehmens vor allem auch der erste Vertriebler.“
In seinem geräumigen Büro ist er deshalb nur selten anzutreffen: 23 Interkontinentalflüge standen 2012 in Dieters Kalender, im Schnitt fliegt er jede zweite Woche zu Kunden oder besucht unternehmenseigene Produktionsstätten – in Asien, Lateinamerika oder den USA. Und auch mal schnell wieder zurück: so wie neulich, als er zu einem Kundenmeeting auf Vorstandsebene an die amerikanische Ostküste flog. Anschließend mit dem lokalen Dürr-Management über Zusammenlegung und Neugestaltung der dortigen Unternehmensstandorte diskutierte. Und keine 24 Stunden später auf einer Betriebsversammlung den Mitarbeitern in der Zentrale in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart Rede und Antwort stand.
„Die Reiserei geht manchmal schon auf die Knochen“, sagt der 52-Jährige, der seit bald acht Jahren an der Spitze des schwäbischen Weltmarktführers für Lackieranlagen steht. „Aber im Flugzeug habe ich Zeit zum ungestörten Nachdenken.“
Der Blick auf die Zahlen zeigt: Dieters Draht zum Kunden ist offenbar sehr hoch, Unternehmen wie Vorstandschef stehen voll im Lack: 2012 steigerte das Unternehmen seinen Umsatz um rund 25 Prozent auf knapp 2,4 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern stieg um 66 Prozent auf knapp 177 Millionen Euro. Der Jahresüberschuss verdoppelte sich fast, auf mehr als 111 Millionen Euro, die Eigenkapitalquote stieg auf knapp 24 Prozent. Aufträge in Höhe von rund 2,6 Milliarden Euro sorgten für volle Auslastung der Kapazitäten, wovon auch Aktionäre und Mitarbeiter profitierten: Die Dividende wurde auf 2,25 Euro im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt, die Erfolgsprämie lag mit 2.500 Euro so hoch wie nie in der knapp 120-jährigen Unternehmenshistorie. Der Aktienkurs stieg 2012 um 96 Prozent und liegt heute nochmals knapp doppelt so hoch.
„2012 war ein durchweg erfolgreiches Jahr“, bilanziert Dieter. „Ich hatte damals das Gefühl: Die Mühe der vergangenen Jahre zahlt sich aus.“
Dass das Unternehmen 2012 so erfolgreich sein würde, deutete sich schon zum Jahresende 2011 an: Damals warteten Aufträge im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro darauf, abgearbeitet zu werden – so viel wie nie. Aber fast logische Konsequenz aus dem Rekordjahr 2011. Eine Vorlage, die an der Unternehmensspitze nicht nur Freude auslöste: „Ich bin in erfolgreichen Zeiten fast nervöser als in Krisen“, sagt Dürr-Chef Dieter. „Zu groß ist die Gefahr, sich vor lauter Zufriedenheit zurückzulehnen – wir müssen aber immer wachsam bleiben.“
Das gelang – vor allem dank guter Geschäfte mit der Automobilindustrie, die etwa für 80 Prozent der Dürr-Umsätze sorgt, zuletzt vor allem in aufstrebenden Märkten wie China, Brasilien oder Mexiko. 55 Prozent des Dürr’schen Gesamtumsatzes kamen schon damals aus diesen Ländern, jeden dritten Euro setzten die Schwaben in China um.
Unverputzte Bürowände
Die Grundlage für diesen Erfolg schuf Dieter schon Anfang 2009. Während Wettbewerber in der Krise wacklige Knie bekommen, schaltet Dieter auf Angriff: Obwohl damals in der Region keine Aufträge in Sicht sind, verdoppelt er die Dürr-Kapazitäten in China. Und steht ein Jahr später – schneller als die Konkurrenz – in den Startlöchern, als die Konjunktur dort wieder anzieht. „Je mehr wir in diesen Regionen wachsen, desto sicherer sind unsere Arbeitsplätze in Deutschland“, sagt Dieter, der nur noch 45 Prozent der weltweit mehr als 8000 Mitarbeiter im Inland beschäftigt. „Ihr Beitrag zum Unternehmenserfolg wird heute auch daran gemessen, wie gut sie Geschäfte in anderen Teilen der Welt unterstützen.“
Wer die 2009 errichtete Zentrale in Bietigheim-Bissingen betritt, merkt gleich, woher der Wind weht: „production efficiency is your advantage“ prangt von einem Transparent, das quer durch die Eingangshalle gespannt ist. So mahnt Dieter die Kollegen, intelligent abzuwägen zwischen dem, was aus Ingenieursicht möglich und für den Kunden sinnvoll ist. „Innovation muss Kundennutzen bedeuten“, lautet Dieters Credo. Und verweist auf ein im vergangenen Jahre intern am Standort China entwickeltes Verfahren, das den Farbbedarf beim Lackieren deutlich reduziert. Und so dem Kunden hilft, Millionen Euro zu sparen.
Auch im eigenen Unternehmen wird jeder Euro zweimal umgedreht, bevor man ihn ausgibt: Die Fertigungstiefe liegt bei zehn Prozent, neue Gebäude werden eher gemietet als gekauft. Oder extrem günstig selbst gebaut – so wie die neue Zentrale, in die Dieter das Unternehmen 2009 umziehen ließ: Statt Millionen für einen prestigeträchtigen Entwurf mit aufwendig lackierter Außenhaut entscheidet sich Dieter für preiswerte Funktionalität, lässt die Bürowände bewusst unverputzt. „Wo wir sparen können, sparen wir“, sagt Dieter, der meist Economy reist. Und eher einem Techniker einen Businessclass-Flug nach Übersee genehmigt, wenn der nach der Landung direkt auf die Baustelle muss, statt einem seiner Manager, die an gleicher Stelle ein Routine-Meeting besuchen. Abgesehen vom Finanzressort, kümmert sich der Dürr-Chef um alle anderen Vorstandsthemen selbst. Delegiert operative Aufgaben aber so weit wie möglich an die Chefs der sechs globalen Geschäftseinheiten und deren Mitarbeiter. „Wer gern selbstständig arbeitet und Verantwortung übernehmen will“, bestätigt Dürr-Betriebsratschef Hayo Raich, „hat hier viele Freiheiten.“
Stolz auf den Arbeitgeber
Das bestätigt auch die jüngste Mitarbeiterbefragung, in der mehr als 80 Prozent der Befragten angeben, mit ihrem Job zufrieden zu sein, und knapp 90 Prozent stolz auf ihren Arbeitgeber sind.
Zu den reibungslosen Abläufen trägt auch eine intelligente IT-Infrastruktur bei, die Dieter vor zwei Jahren im gesamten Unternehmen eingeführt hat: Sie ermöglicht es, einzelne Arbeitspakete von Projekten auf Teams in bis zu neun Ländern zu verteilen und so für eine gleichmäßige Auslastung aller Standorte zu sorgen – von Thailand bis Mexiko. „Ein riesiger Wettbewerbsvorteil.“
Den erhofft sich Dieter auch durch die jüngste Großinvestition: den Ausbau der Unternehmenspräsenz in China. Sechs Millionen Euro hat Dürr allein in einen Ende September eröffneten, neuen Standort in Shanghai investiert, wo jetzt 650 Mitarbeiter auf sieben Etagen arbeiten. Dürr zählt in China zu den Top-Arbeitgebern, die Fluktuation liegt bei weniger als fünf Prozent – „Chinesen“, sagt Dieter, „arbeiten eben gern mit Weltmarktführern zusammen.“
Damit das so bleibt, wird der Dürr-Chef sein Flugpensum vermutlich auch künftig nicht wesentlich reduzieren können – in diesen Tagen steht die Einweihung eines neuen Werks in Mexiko an.
„Ausruhen ist nicht angesagt“, sagt Dieter, „es gibt immer ein nächstes Ziel.“
Brian Sullivan - Abergläubischer Himmelsstürmer
Während der Schulferien half er zum ersten Mal im Büro aus, da war er 14 Jahre alt. Später verkaufte er den Zuschauern im Stadion erst Programmhefte, dann Hotdogs, für 2,40 Dollar pro Stück: Mehr als zehn Jahre lang, bis zum Abschluss seiner Collegezeit mit Mitte 20, engagierte sich Brian Sullivan für die Philadelphia Phillies, den Profi-Baseballclub seiner Heimatstadt Philadelphia, für den auch sein Vater 49 Jahre lang tätig war. Als Marketingmanager verantwortete Sullivan senior alle Werbeaktionen rund um das Baseballteam. „Ich habe ihm dabei ständig über die Schulter geguckt“, erinnert sich Filius Brian, heute Deutschland-Chef des TV-Bezahlsenders Sky. Der war sich damals nicht zu schade, in den Pausen das Publikum bei Laune zu halten – als Mannschaftsmaskottchen. Für diesen Job schlüpfte er in ein riesiges grünes, haariges Kostüm und machte Faxen – manchmal vor mehreren Zehntausend Fans.
„Vermutlich habe ich in dieser Zeit mehr für meinen heutigen Job gelernt als jemals sonst“, sagt Sullivan. „Schließlich ging es schon damals um nicht viel anderes als das, was heute wieder meine Hauptaufgabe ist: um die Aufmerksamkeit der Leute zu buhlen, sie zu unterhalten. Ein hartes Brot – bist du nur für eine Sekunde unaufmerksam, kann sich das Spiel schnell drehen.“
Offenbar eine gute Schule, durch die Sullivan in jungen Jahren gegangen ist. Gemessen an der Entwicklung, die das Unternehmen, an dem Medienunternehmer Rupert Murdoch knapp 55 Prozent hält, von 2011 auf 2012 im Vergleich zu seinen Wettbewerbern nahm, ist Sullivan derzeit Deutschlands erfolgreichster CEO unter Deutschlands Mittelständlern. Der Sky-Umsatz stieg um 17 Prozent auf mehr als 1,3 Milliarden Euro, die Zahl der Abonnenten um zwölf Prozent auf knapp 3,4 Millionen. Zwar machte das Unternehmen 2012 noch 195 Millionen Euro Verlust – 2011 aber waren es mit knapp 278 Millionen Euro wesentlich mehr. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wuchs um 104 Millionen Euro, im zweiten Quartal gelang gar ein operativer Gewinn von knapp sechs Millionen Euro. Wenig, gemessen am Umsatz, und doch eine historische Wegmarke – der erste Quartalsgewinn in der Geschichte des Unternehmens. Der Aktienkurs kletterte 2012 um 188 Prozent und stieg seit Anfang 2013 nochmal um mehr als 80 Prozent.
10 Tipps für den perfekten Chef
Jeder Mensch macht Fehler, denn Menschen sind nicht perfekt. Durch diese Eigenschaft werden Menschen überhaupt erst liebenswert. Wichtig ist jedoch, dass wir um unsere Fehler wissen und Wege finden, wie diese Fehler behoben werden können. Fehler, richtig verstanden, führen zu einer Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und des Unternehmens.
Es ist daher verwunderlich, warum immer noch so viele Chefs meinen, dass sie perfekt sind. Eine solch grobe Selbstüberschätzung führt letztlich zu Arroganz und einem Stillstand an Wachstum (sowohl persönlich als auch unternehmerisch).
Darin liegt die Größe eines wirklich „perfekten“ Chefs. Er verwendet die Kenntnis seiner Fehler für die persönliche Weiterentwicklung. Gute Führungspersönlichkeiten meinen nicht, „jemand zu sein“, sondern verstehen sich als „jemand, der wird“ und zwar jeden Tag ein wenig mehr.
Eine wesentliche Eigenschaft von „perfekten“ Chefs ist, dass sie Menschen mögen. Viele so genannte Führungskräfte mögen aber nicht einmal sich selbst, geschweige denn andere Menschen. Unter solchen Umständen wird Führung nur schwer möglich sein. Um exzellent zu sein, muss man das, was man tut, lieben. Und um exzellent zu führen, muss man Menschen lieben.
Der „perfekte“ Chef sagt und meint „Wir!“ und nicht „Ich!“ Er ist ein Teamspieler. Im 21. Jahrhundert werden nur Teams gewinnen und nicht Einzelspieler. Die Mondlandung beispielsweise war auch nicht das Werk eines einzelnen Menschen, sondern das mehrerer tausend Ingenieure, auch wenn die visionäre Kraft eines Wernher von Brauns dahinter stand. Aber er hätte es niemals alleine geschafft.
Der „perfekte“ Chef fordert Menschen heraus. Er will Leistung erleben und regt Menschen an, sie zu erbringen. Dabei orientiert er sich nur ungern am Durchschnitt, sondern an Spitzenleistungen. Der „perfekte“ Chef gibt sich mit dem zweitbesten Ergebnis nicht zufrieden.
Von dem Gedanken, stets der Beste in allen Bereichen sein zu wollen, müssen sich Führungspersönlichkeiten trennen. Der „perfekte“ Chef konzentriert sich auf seine Stärken und seine Hauptaufgaben.
Grundvoraussetzung eines „perfekten“ Chefs sind gelebte Werte, die von allen Mitarbeitern als Führungsgrundsätze empfunden werden. Nur so entsteht das viel geforderte Vertrauen.
Letztlich geht es um das wesentliche: Der „perfekte“ Chef bewirkt, dass Menschen Ziele erreichen. Das Wesen guter Führung ist Wirksamkeit.
Meistens halten wir unsere Meinung für die Wahrheit, basierend auf der Wirklichkeit, wie wir sie empfinden. Häufig entspricht unsere Wirklichkeit jedoch nicht der Realität. Der „perfekte“ Chef setzt sich auf den Stuhl des anderen. Wer durch die Augen anderer sieht, entdeckt eine Fülle von Wirklichkeiten.
Quelle: Perspektive Mittelstand
Eine Entwicklung, die sich auch für Sullivan selbst auszahlte: Mit knapp 5,7 Millionen Euro kassierte er 2012 mehr als mancher Chef eines Dax-Unternehmens. Zu Recht, wie Hermann Stern, Gründer des Zürcher Finanzdienstleisters Obermatt, meint: „Sullivan hat bei Sky den Turn-around geschafft. Die jüngste Entwicklung des Unternehmens ist eine echte Erfolgsstory.“
Meetings abgeschafft
Die Basis legt Sullivan nach seinem Start an der Sky-Spitze im Frühjahr 2010: Er verbessert Technik und Kundenservice („wir wollen sicherstellen, dass immer jemand ans Telefon geht, wenn ein Kunde anruft“). Und schafft die wöchentlichen Meetings mit bis zu 30 Führungskräften ab – für den neuen Chef „nichts als verlorene Zeit“. Die nutzt er lieber, um Angebote anzuschieben, die ihm von seinem bisherigen Arbeitgeber, dem britischen Pay-TV-Sender BSkyB, längst geläufig waren: etwa mehr Programme in hochauflösender HD-Qualität oder High-Tech-Videorekorder – eines der Lieblingsprojekte des technikvernarrten Vorstandschefs – Spitzname Inspektor Gadget –, der schon mal selbst Hand anlegt, um eine Fernbedienung weiterzuentwickeln.
Quantensprünge
Ein Quantensprung gelingt Sullivan 2012 mit der Kooperation mit dem US-Sender HBO, auf dessen hochwertige Filme und Serien Abonnenten über Sky Atlantic zugreifen können – nicht nur von der heimischen Couch aus, sondern über Sky Go und Sky Anytime auch von unterwegs – vom Laptop, Smartphone, Tablet. Das gilt auch für die Programme rund um die Sky-Kernkompetenz – Live-Berichterstattung von Fußballspielen. Sullivan setzt auf neue Formate wie Sky90 und Mein Stadion. Oder die Bundesliga-Konferenzschaltung in hochauflösender Qualität – ein Angebot, auf das ihn die E-Mail eines Kunden bringt.
Sullivan befreit die Sportberichterstattung aus ihrem zeitlichen Korsett, das bis dahin kaum über die Dauer eines 90-minütigen Fußballspiels hinausgegangen war – mit dem Sportnachrichten-Sender Sky Sports News HD, der 2012, im ersten vollen Geschäftsjahr, gewaltig an Fahrt aufnimmt: Dafür lässt Sullivan ein Studio auf dem neuesten Stand der Technik bauen – im ersten Stock des Senders in Unterföhring bei München. Wo bis dahin drei riesige Konferenzräume für Managementmeetings reserviert waren, produzieren nun 200 neue Mitarbeiter im Schichtbetrieb rund um die Uhr Sportnachrichten.
Sullivan setzt auf ein junges Nachrichtenteam – manche kommen mit dem Skateboard zur Arbeit – und lässt Dutzende Bildschirme in den Empfangsbereich hängen, auf denen die Sky-Programme allgegenwärtig sind. „Dieser Spirit soll auf die gesamte Company und alle Kollegen ausstrahlen“, sagt Sullivan. „Wer hier arbeitet, soll jede Sekunde daran erinnert werden, wofür wir uns hier anstrengen.“ Denn Sullivan weiß: „Wir müssen mehr bieten als die frei empfangbaren Programme. Warum sollte sonst jemand für unser Angebot bezahlen wollen?“
Offenbar wollen sie, immer öfter: So steigt 2012 nicht nur die Zahl der Abonnenten um mehr als 351.000. Den von Sullivan 2010 eingeführten Festplattenrekorder nutzen Ende 2012 knapp eine Million Kunden, bei Sky Go werden mehr als 33 Millionen Kunden-Logins gezählt – fast fünf Mal so viel wie 2011. Der Umsatz pro Kunde steigt im Schnitt auf knapp 32 Euro – 2008 lag er noch bei weniger als 24 Euro.
Gefahr des Scheiterns
Dazu tragen auch intelligente Marketingaktionen bei: Die Verpflichtung des bissigen Entertainers Harald Schmidt gilt als imagefördernd. Und statt mit klassischen TV-Spots zu werben, lässt Sullivan am Abend des Champions-League-Spiels FC Arsenal London gegen Bayern München eine Live-Sequenz bei der Konkurrenz einspielen – prompt fällt in diesen 40 Sekunden ein Tor, die Aktion ist in aller Munde. „Wer nichts wagt und nicht ab und zu die Gefahr des Scheiterns auf sich nimmt“, sagt Sullivan, „wird nie Spektakuläres erreichen.“
Das gelingt ihm am 17. April 2012 – dem letzten Tag eines monatelangen Bieterverfahrens, über das die Senderechte für die Fußballbundesliga bis 2017 vergeben werden. Sky erhält den Zuschlag – für knapp zwei Milliarden Euro oder 486 Millionen Euro pro Saison, fast doppelt so viel wie bisher.
Der Sieg liebt die Vorbereitung
Führungsstile nach der Typologie von Hay Group
Der Vorgesetzte gibt Anweisungen und erwartet, dass der Mitarbeiter sie kommentarlos und uneingeschränkt befolgt.
Der Vorgesetzte entwickelt den Mitarbeiter langfristig und zeigt ihm Perspektiven auf
Der Vorgesetzte legt viel Wert auf ein harmonisches Miteinander.
Der Vorgesetzte legt Wert auf das gemeinsame Entwickeln von Ideen
Der Vorgesetzte erwartet Aufgabenerfüllung auf höchstem Niveau
Der Vorgesetzte legt Wert auf die berufliche Entwicklung der Angestellten
Monatelang hatte Sullivan sich auf diesen Moment vorbereitet, einen eigenen Raum eingerichtet, auf der Suche nach der besten Bietertaktik und dem bestmöglichen Preis. Immer wieder ändert sich die Ausgangslage – alte Konkurrenten springen ab, neue kommen hinzu. Sullivans sechsköpfiges Team, zu dem auch Experten für Spieltheorie gehören, simuliert immer neue Konstellationen und Geschäftsmodelle, um die richtige unter den mehr als 6.000 Varianten zu wählen, ein Angebot abzugeben. Zwei Wochen vor dem finalen Termin schickt Sullivan seine Familie auf Urlaub in die USA, das Team pflastert die Wand mit den Fotos aller Mitarbeiter („um uns stets daran zu erinnern, für wen wir diese Entscheidung treffen“). Immer öfter arbeitet er durch, fährt nur kurz zum Duschen nach Hause.
Und formuliert neun verschiedene Pressemitteilungen vor, um auf alle denkbaren Konstellationen vorbereitet zu sein – auch eine Erklärung für den Fall einer Niederlage, die er als Mahnung bis heute aufgehoben hat. So wie die alte Münze mit der Aufschrift „Ten Millions“ – verteilt bei BSkyB, als eben diese Abonnentenzahl erreicht war. Und die er seit Ende des Bieterverfahrens durch eine neue ersetzt hat: „Amat victoria curam“ steht darauf – der Sieg liebt die Vorbereitung. „Ich bin ein bisschen abergläubisch“, sagt Sullivan. „Es ist schön, eine Erinnerung an bestimmte Situationen zu behalten.
Durch Dinge, die mir auf dem Weg dahin geholfen haben und mir auch künftig die richtige Richtung zeigen sollen.“ So wie ein alter Baseballschläger in seinem Büro, der ihn an seine Lehrzeit bei den Phillies erinnert. Oder die Abgüsse, die er von den Babyfüßen seiner drei Kinder jeweils kurz nach deren Geburt machen ließ.
„Sie erinnern mich Tag für Tag daran, warum ich tue, was ich tue – gegenüber meiner Familie und unseren Mitarbeitern.“