Frauenquote „Als Unternehmen will ich ja nicht nur eine Frau, sondern den Erfolg für meine Firma“

Quelle: dapd

60 Unternehmen werden sich nach der beschlossenen Quote für Frauen im Vorstand auf die Suche nach geeigneten Kandidatinnen machen. Warum dafür eher Kreativität als ein hohes Gehalt gefragt sein wird, erläutert Headhunter Thomas Tomkos.

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Thomas Tomkos ist Partner bei Russell Reynolds Associates und leitete lange das Deutschlandgeschäft des US-amerikanischen Headhunters. Bevor der promovierte Physiker 2005 bei Russell Reynolds einstieg, arbeitete er bei den Beratungsfirmen Gemini sowie der Fluggesellschaft LTU. Er beschäftigt sich vor allem mit der Suche nach den idealen Kandidaten für die oberste Managementebene.

WirtschaftsWoche: Herr Tomkos, die Frauenquote für den Vorstand ist beschlossene Sachen. Da kommt viel Arbeit auf Sie zu, oder?
Thomas Tomkos: Für etwas Bewegung hat das Gesetz schon im Vorfeld gesorgt. Mein Eindruck ist allerdings, dass die meisten Unternehmen sich frühzeitig Gedanken gemacht haben und keine Hektik ausbricht.

Sie fürchten also keinen Aktionismus?
Die Unternehmen haben vor zehn Jahren, als die Quote für den Aufsichtsrat kam, durchaus verstanden, dass der gesellschaftliche Druck steigt – und dass die Politik es ernst meint. Damals wurde viel mehr gejammert, wurden beispielsweise Ausnahmen für einzelne Branchen gefordert. Inzwischen gibt es viele Unternehmen, die verstanden haben, dass sie ein eigenes Interesse an den Frauen haben. Es ist nicht so, dass man sie zwingen müsste.

Laut einer Untersuchung des Vereins Frauen in die Aufsichtsräte trifft die Regelung 66 Unternehmen, von denen 25 bisher keine einzige Frau im Vorstand haben.
Man darf aber auch vereinzelt Verständnis für die Konzerne haben. Wenn Sie etwa in einem Unternehmen mit einem vierköpfigen Vorstand über Jahre eine ordentlich bearbeitete interne Nachfolge vorbereitet haben und sich dabei ein Mann durchgesetzt hat, dann können Sie den Plan nun in die Schublade legen, haben den männlichen Kandidaten eigentlich verloren – und müssen vermutlich eine Frau von außen rekrutieren.

Und das wird dann teuer, weil es so wenige Frauen gibt, die das Zeug für einen solchen Job haben, dass die nun jeden Preis aufrufen können?
Nein, das beobachte ich nicht. Und ich würde auch niemandem empfehlen zu feilschen. Vorstandsgehälter sind für alle sichtbar – und die Diskussion darüber, welche Summen angemessen sind, die tut sich niemand freiwillig an. Und: Als Unternehmen will ich ja nicht nur eine Frau, sondern den Erfolg für meine Firma.

Was also tun? Darauf hoffen, dass die gewünschten Frauen sich schon zu zügeln wissen?
Natürlich bedeutet die Tatsache, dass Vorstandsgehälter für alle einsehbar sind auch, dass Frauen sich nicht unter Wert verkaufen müssen. Aber ich glaube schon auch, das der Pool an geeigneten Frauen schnell wachsen wird. Viele Konzerne werden jetzt auch Frauen in den Blick nehmen, die eigentlich erst in drei Jahren so weit wären. Da beschleunigt sich lediglich ihr nächster Karriereschritt.

Gibt es noch andere Möglichkeiten, um Vorstandsfrauen zu finden?
Ich kann überlegen, ob ich das Vorstandsgremium erweitere – um Kompetenzen, die an Relevanz gewonnen haben: Compliance, Digitalisierung, Nachhaltigkeit. Themen, die bislang vielleicht unter der Vorstandsebene angesiedelt waren, aber so an Bedeutung gewonnen haben, dass sie ein eigenes Vorstandsressort rechtfertigen. Und vielleicht gibt es da eine qualifizierte Kandidatin. Es lohnt, einen ganz neuen Blick auf den Vorstand zu werfen.

Aber bei den Aktionären kommt ein übervoller Vorstand nicht immer gut an.
Ein vierköpfiges Gremium kann ich auch vorübergehend auf fünf erweitern – und dann in drei Jahren, wenn turnusgemäß Neuwahlen anstehen, wieder verkleinern. Vielleicht hat eines der Vorstandsmitglieder dann ohnehin ein Alter erreicht, in dem es aufhören will? Ich erlebe jedenfalls mehr Pragmatismus, als dass sich die Unternehmen da auf die Hinterbeine stellen.

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Viele Konzerne haben doch schon vor Jahren Diversityprogramme aufgelegt. Warum haben sie dann nun nicht die geeigneten Frauen für die Vorstände?
Das erinnert mich an bisschen an die Frage: Warum habe ich nicht früher mit dem Rauchen aufgehört? Ich will das nicht kleinreden, aber es braucht eben seine Zeit, ehe diese Programme Wirkung zeigen. Und ob es mir gelingt, eine Frau für den Vorstand zu gewinnen, hängt auch von vielen anderen Faktoren ab: vom Standort, von der Unternehmenskultur.

Oder der Branche? Viele verweisen auch darauf, dass Frauen seltener Naturwissenschaften studieren oder vielleicht kein Benzin im Blut haben.
Das könnte man meinen. Tatsächlich sehen wir in der Auto- oder auch der Pharmabranche einige Frauen auf Vorstandsposten. Und meine Erfahrung aus der Suche nach möglichen Kandidatinnen zeigt: Man muss den Stein eben einmal mehr umdrehen, dann stößt man auch in diesen Branchen durchaus auf passende Frauen.

Mehr zum Thema: Fränzi Kühne hat mit Managern und Politikern über Fragen gesprochen, denen sich sonst immer nur Frauen stellen müssen – mit verblüffenden Ergebnissen.

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