Blick hinter die Zahlen #55 – Gender-Pay-Gap Lohnlücke bei Frauen: Diese Statistiken stecken hinter den 18 Prozent

Dass Frauen weniger verdienen als Männer, ist keine Neuigkeit. Dass das auch an der hohen Teilzeitarbeit oder den meist männlichen Chefs liegt, ebenso wenig. Dennoch offenbaren einige Statistiken spannende Zusammenhänge.

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Immerhin, es hat sich ein bisschen was getan. Allerdings nur ein kleines bisschen: Im vergangenen Jahr verdienten Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer. Das zeigen die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts zum sogenannten Gender-Pay-Gap, der im Jahr zuvor noch bei 19 Prozent lag. Seit der ersten Berechnung im Jahr 1995 im Europäischen Haushaltspanel drückt diese Lohnlücke die Ungleichheit – oder besser die Ungerechtigkeit – auf dem deutschen Arbeitsmarkt in nur einer Zahl aus. Seit 2006 veröffentlicht das Statistische Bundesamt die alljährlichen Prozentwerte. In den knapp 15 Jahren sank der Gap um gerade mal fünf Prozentpunkte. Dass der Gender-Pay-Gap überhaupt existiere, sei eine „ziemliche Kuriosität in der heutigen Zeit“, kommentierte Jasmin Arbabian-Vogel, Präsidentin des Verbandes Deutscher Unternehmerinnen, im ZDF. Die Bundesregierung will die Lücke bis 2030 zumindest auf zehn Prozent drücken.

Gerade wird nicht nur wegen der neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts viel über den Gender-Pay-Gap diskutiert. Der 10. März markierte in diesem Jahr den „Equal Pay Day“. Bis zu diesem Tag müssen Frauen über das Jahresende hinaus arbeiten, um so viel zu verdienen wie Männer im vorangegangenen Jahr. Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts wirbeln die Termine nun allerdings etwas durcheinander: Dem 10. März liegt noch die Lohnlücke von 2019, also 19 Prozent, zugrunde. Bei einem Gender-Pay-Gap von 18 Prozent, dem Wert für 2020, hätte der Equal Pay Day in diesem Jahr jedoch schon am 7. März stattfinden müssen. Und damit einen Tag vor der Bekanntgabe der neuen Zahlen durch das Statistische Bundesamt.

Doch hinter dieser einen Zahl verbirgt sich ohnehin viel mehr. Denn bei den 18 Prozent handelt es sich um den unbereinigten Gender-Pay-Gap. Strukturelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei Berufen, Beschäftigungsumfang, Bildungsstand, Berufserfahrung oder auch der Anteil an Führungspositionen werden dabei nicht berücksichtigt. Den bereinigten Gap präsentiert das Statistische Bundesamt nur alle vier Jahre im Rahmen der vierjährlichen „Verdienststrukturerhebung“. 2014 und 2018 lag er bei sechs Prozent.

Dass Frauen seltener in Führungspositionen arbeiten, dafür aber häufiger in Teilzeit, dürfte wenige Menschen überraschen. Doch auch andere strukturelle Unterschiede erklären, warum Frauen insgesamt weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, die sich am Ende des Monats über mehr Gehalt auf ihrem Konto freuen dürfen.

Anteil der Frauen an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Bruttomonatsverdienste

Eine große Rolle spielen regionale Unterschiede. Und wie so häufig offenbart sich beim Blick in die Statistiken eine große Gehaltslücke zwischen Ost und West. In unserer Deutschlandkarte sehen Sie den Unterschied. Doch nicht nur das: In den westlichen Bundesländern, in denen Frauen besser verdienen, ist ihr Anteil an den Beschäftigten im Schnitt auch deutlich kleiner als in den östlichen Bundesländern, wo das Lohnniveau wiederum deutlich niedriger ist (siehe Prozentwerte in Karte).

Klingt kompliziert? Dann lohnt ein Blick nach Mecklenburg-Vorpommern, wo dieses Phänomen am deutlichsten wird. Unter allen 16 Bundesländern ist das nordöstliche Land mit seinen Ostseestränden und Seen das einzige, in dem Frauen mit 50,5 Prozent die Mehrheit aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ausmachen. Eigentlich eine gute Nachricht für die Gleichberechtigung im Job. Immerhin sind 50,65 Prozent der deutschen Bevölkerung Frauen. Und doch zeigt sich, dass es nicht gerade ein großes Glück ist, in Mecklenburg-Vorpommern zu arbeiten. Dort verdienen Frauen so wenig wie in keinem anderen Bundesland. 2019 waren es gerade mal 3254 Euro brutto im Monat.

In Hessen, wo Frauen mit 4303 Euro bundesweit am meisten verdienen, liegt der Verdienst um mehr als 1000 Euro höher. Hier liegt der Anteil der Frauen an den Beschäftigten hingegen nur bei 45,5 Prozent. In Bremen, das in der Gehaltsliste auf dem siebten Platz liegt, sind es sogar nur 44,3 Prozent.

Wirtschaftszweige mit den hohen und niedrigen Verdienstunterschieden und der Anteil von Frauen an den Erwerbstätigen in dieser Branche 2019

Auch in den Wirtschaftszweigen zeigen sich deutliche Unterschiede. In Branchen mit einem hohen Gender-Pay-Gap – und demnach einer besonders ungleichen Bezahlung – arbeiten meist vergleichsweise viele Frauen. Etwa im Gesundheits- und Sozialwesen: Mehr als drei Viertel der Erwerbstätigen dieser Branche sind weiblich. Der Gender-Pay-Gap lag hier mit 25 Prozent im Jahr 2019 deutlich über dem Schnitt. 2020 verringerte sich die Lücke in diesem Sektor um einen Prozentpunkt.

Anders sieht es in vielen Branchen mit einem besonders niedrigen Gender-Pay-Gap aus. Ganz vorne liegt der Wirtschaftszweig „Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung“. Frauen verdienten hier 2019 nur vier Prozent weniger als Männer. Allerdings bestätigt die Statistik das Klischee: Nur 19 Prozent der Erwerbstätigen in der Branche waren 2019 weiblich. In den neuen Zahlen zum Gender-Pay-Gap, die das Statistische Bundesamt in dieser Woche vorstellte, ist der Wirtschaftszweig, der Wasserwerke und Müllabfuhr umfasst, übrigens wieder der Vorreiter: Der Gender-Pay-Gap lag hier 2020 nur noch bei zwei Prozent. Im Gastgewerbe ist die Lohnlücke mit acht Prozent ebenfalls einigermaßen niedrig. Und in Beherbergung und Gastronomie machten Frauen 2019 immerhin 55 Prozent der Erwerbstätigen aus.

Ist der Gender-Pay-Gap deshalb so hoch, weil so viele Frauen in der Branche arbeiten? In der Forschung wird über diesen Zusammenhang gerne gestritten. Breit belegt ist er noch nicht.

Führungskräfte in Deutschland nach ihrem Geschlecht

Viel eindeutiger ist der Einfluss anderer Ungleichgewichte in den Erwerbsbiografien von Männern und Frauen auf die Lohnlücke. Etwa die geringe Anzahl von Frauen in Führungspositionen: Weniger als ein Viertel der Führungskräfte war im April 2018 weiblich. Die absoluten Zahlen zeigt unsere Grafik. Auch deshalb hat die Bundesregierung ein Gesetz für eine Frauenquote in Vorständen auf den Weg gebracht. Gerade in den Vorstandsebenen der Unternehmen sind die Ungleichgewichte besonders ausgeprägt: Der Frauenanteil in den Vorständen der Dax-Konzerne lag Anfang März laut der schwedisch-deutschen AllBright-Stiftung bei gerade mal etwas mehr als 16 Prozent.

Eine exklusive Auswertung des Lübecker Wirtschaftsinformationsdienstes Databyte für die WirtschaftsWoche zeigte zuletzt, dass von den rund 100 übergeordneten Branchen, die etwa das Handelsregister zugrunde legt, hierzulande lediglich drei Branchen existieren, in denen Frauen die Mehrzahl an Führungskräften stellen: Frisör- und Kosmetiksalons (Frauenanteil an Führungskräften: rund 70 Prozent), Praxen von psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten (67 Prozent) und Sekretariats- und Schreibdienste (61 Prozent).

In der Verteilung auf die verschiedenen Größen von Unternehmen zeigen sich hingegen wenig Auffälligkeiten, die gleich einen Schluss auf die ungleiche Bezahlung zulassen. In sehr kleinen Betrieben mit bis zu neun Mitarbeitern arbeiteten 2018 mehr Frauen als Männer; ebenso wie in den sehr großen Unternehmen und Konzernen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. In allen Unternehmen dazwischen, also auch bei vielen so bedeutenden deutschen Mittelständlern, arbeiteten mehr Männer als Frauen.

In diesen Wirtschaftszweigen verdienten Frauen im im Jahr 2019 tatsächlich mehr als Männer

Wem der Sinn nun zumindest nach ein klein wenig Optimismus steht, der kann sich in der jährlich erscheinenden „Fachserie 16 Reihe 2.3: Verdienste und Arbeitskosten – Arbeitnehmerverdienste“ des Statistischen Bundesamts auf die Suche nach den Branchen machen, in denen Frauen tatsächlich mehr verdienen als Männer. Gibt es nicht? Doch! Zugegeben: Es sind gerade mal etwas mehr als eine Handvoll Wirtschaftszweige und ihre Unterkategorien. Und damit tatsächlich absolute Raritäten.

Im Hochbau verdienten Frauen 2019 im Durchschnitt mit einem Monatsgehalt von 4176 Euro immerhin 143 Euro mehr als ihre männlichen Kollegen. So viel wie in keiner anderen Branche. Dahinter liegt die klassischerweise weiblich geprägte Branche der Kindergärten und Vorschulen. Frauen verdienten hier 115 Euro mehr als ihre männlichen Kollegen.

Das Positive an dieser noch sehr elitären Gruppe von Wirtschaftszweigen? Auf der geringen Anzahl lässt sich zumindest gut aufbauen.

Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.

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Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.

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