Motivationstrainer Jürgen Höller Ein Besuch in der Höller-Show

Höller ist ein Phänomen. Kein Motivationsguru hält sich so lange im Geschäft wie er, nach dem geschäftlichen Ruin und einer Gefängnisstrafe ist er seit einigen Jahren wieder voll da. Quelle: imago images

Auf einem „Unternehmerwochenende“ verspricht Erfolgsguru Jürgen Höller gebeutelten Firmenlenkern, ihnen Wege aus der Krise zu zeigen. Unser Autor hat versucht, sich mitreißen zu lassen. Ein Protokoll.

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Es dauert nur eine knappe halbe Stunde, bis das Sakko fällt. Und eine weitere Stunde später dann auch das Hemd, voller Eifer turnt Jürgen Höller im schwarzen T-Shirt über die Bühne, redet sich in Fahrt. Diese Energie ist wohl einer der Gründe, warum seine Fans sich so für Höller begeistern, warum sie in normalen Zeiten zu Tausenden seine Seminare besuchen. Bei den „Power days“ laufen sie irgendwann über glühende Kohlen, Höller selbst inszeniert sich da mit Pyro-Shows. Aber jetzt fallen die Höller-Shows aus, schon seit knapp einem Jahr. Und so entdeckt der wohl schillerndste Coach des Landes doch noch die digitale Bühne für sich.

Höller wäre nicht Höller, wenn er sich von einem Jahr Pandemie unterkriegen ließe. 5500 Teilnehmer haben sich für sein „Unternehmer-Wochenende“ angemeldet, auch wenn es nur via Zoom stattfindet, ohne Pyro, ohne Lärm, ohne Fans.  

Für Höller-Neulinge ist das Online-Event die seltene Chance, sich dieser Kultfigur der Motivationsszene sozusagen auf neutralem Grund zu nähern: Kein Eintrittspreis, keine Mitmach-Pflicht – und der „Verlassen“-Knopf in unmittelbarer Nähe, falls es sich gar nicht ertragen lässt. 

Also rein in den absoluten Erfolg, denn um nicht weniger soll es heute gehen, so zumindest die klare Ankündigung: „Erfahre wie Du als Unternehmer, Geschäftsführer oder Selbstständiger 2021 zu Deinem Erfolgsjahr machst und mit Hilfe der Digitalisierung den Markt dominierst!“

Eine Bühne wie Mario Barth

Es ist ein Ziel, von dem sich viele Unternehmer längst verabschiedet haben. Mögen viele Großkonzerne die Krise besser überstehen, als sie selbst vor ein paar Monaten noch gedacht hatten, für viele Kleinbetriebe geht es in diesen Tagen um die Existenz – ob sie nun aus der Veranstaltungsbranche kommen, der Gastronomie, dem Einzelhandel. Nicht wenige von ihnen setzen dabei offenbar auf die Hilfe des Motivationstrainers Jürgen Höller. „Wer von euch allen hier hat denn selbst ein kleines Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern?“, fragt Höller irgendwann dem sieben Meter breiten Bildschirm entgegen, „den hat zuletzt Comedian Mario Barth genutzt“, ergänzt er stolz, wohl eine halbe Million Euro habe das Teil mal gekostet. Auf dem Bildschirm sind Hunderte Zoom-Kacheln zu sehen, und auf vielen von ihnen gehen auf die Frage tatsächlich die Arme in die Höhe.

Höller ist ein Phänomen. Kein Motivationsguru hält sich so lange im Geschäft wie er, nach dem geschäftlichen Ruin und einer Gefängnisstrafe wegen Untreue und vorsätzlichen Betrugs ist er seit einigen Jahren wieder voll da, anders als all die anderen Kurzzeit-Legenden, die sich seit den Neunzigerjahren als Trainer für den ganz großen Erfolg versucht haben. Höllers Fans sind ihm treu, auch aus der Ferne. Und so versichert er ihnen gleich zu Beginn der Show, nur zehn Prozent weniger Umsatz als 2019 habe er im vergangenen Jahr gemacht, „die Jürgen Höller Academy ist gut durch die Krise gekommen, sehr gut sogar“. Genau deshalb sei es auch so wertvoll, ihm jetzt seine Aufmerksamkeit zu schenken. „Ich werde euch die Systeme erklären, mit denen es uns gelungen ist, da durch zu kommen. Und mit denen könnt ihr es auch schaffen.“

Arnold Schwarzenegger kann nicht irren

Wer diesem Höller zum ersten Mal zuhört, der gerät schnell ins Rätseln. Klar, der Mann strahlt Vitalität aus, er weiß sich auf der Bühne zu bewegen. Aber er hat eben auch diesen unverkennbaren fränkischen Dialekt, der so offensichtlich mit seinen großspurigen Vergleichen kollidiert, die er da ständig wählt: Steve Jobs, Elon Musk, drunter macht Höller mit seiner Academy (Aus seinem Munde: Äggeddemi) es nicht. Andererseits: Hat Arnold Schwarzenegger, einer der vielen Promis, die Höller in seinem Trailer auftreten lässt, nicht auch nach Jahrzehnten in den USA seinen österreichischen Dialekt behalten?

Also. Und der Trailer verspricht schließlich einiges. Höller mit Champagner im Privatjet, Höller im roten Ferrari, beim Fallschirmsprung, auf der Harley. „Mit 19 Jahren hatte ich ein klares Ziel: Eine Million Euro verdienen, in jedem Jahr“, sagt Höller später und natürlich sagt er auch, dass er das Ziel längst erreicht hat. „Auch wenn es zwischendurch mal runter geht, aber dadurch weiß ich heute umso besser, worauf es ankommt, wenn man Erfolg haben will.“

Was in den kommenden Stunden folgt, ist ein Parforceritt durch die liebsten Phrasen der Unternehmensberater, garniert mit dem besten, was das Duden-Zitate-Lexikon im Kapitel Erfolg zu bieten hat. Und ein paar Vergleichen aus der Tierwelt, wie der gleich zu Beginn des Programms. Auf dem Münchner Oktoberfest, erzählt Höller da, gebe es noch einen Flohzirkus. Und der Direktor dieses Flohzirkus‘, der transportiere seine Flöhe immer in einem Eimer mit einem Glasdeckel, damit die ihm nicht ausbüxen. „Und dann sitzen die Flöhe in diesem Eimer und hüpfen immer nach oben, weil sie die Glasscheibe nicht sehen“, sagt Höller. „Und tun sich immer weh dabei. Also hören sie irgendwann auf zu hüpfen – und fangen auch nicht wieder an, wenn der Deckel weg ist!“ Logisch, was seine, Höllers, Mission deshalb ist: „Ich will euch heute Feuer machen, höher zu springen.“

Tatsächlich ist es diese Botschaft, auf die sich ein erstaunlicher Teil dieses Tages am Ende reduzieren lassen wird. „Die Revolution wird von Revolutionären gemacht“, sagt Höller später einmal, oder: „Die wichtigste Aufgabe des Unternehmers ist es, sich ständig neu zu erfinden“, das schreibt er Karl Lagerfeld zu. In seinen eigenen Worten sagt er es am liebsten so: „Im Raum des Geistes gibt es keine Beschränkungen.“ Er belegt das mit Anekdoten aus dem Leben von Steve Jobs, der Geschichte des Raumfahrtunternehmens SpaceX. Zwischendurch gibt es sogar ein bisschen BWL-Theorie, die Lebenszyklus-Analyse wendet Höller auf sein eigenes Unternehmen und Leben an, natürlich nicht ohne dabei zu verraten, wie es sich aus dem ewigen Kreislauf von Gedeihen und Verderben entkommen lässt: „Relaunch heißt das Stichwort“, am besten noch in der Phase des Wachstums, spätestens aber in der Stagnation müsse der Unternehmer sich neu erfinden. Womit Höller wieder bei Karl Lagerfeld wäre.

Und der Zuhörer wieder da, wo er vorher war. Aber je länger die Höller-Show dauert, desto klarer wird einem unbeteiligten Zuschauer, dass der Reiz dieser Veranstaltung tatsächlich weniger in den genialen Erkenntnissen liegen dürfte als im Moment selbst. Sich für ein paar Stunden, einen Tag von dem Gefühl mitreißen zu lassen, man stehe kurz davor, sein Leben radikal zu verändern, zum viel, viel besseren natürlich. Wie kurz, das weiß Höller: „Wenn man eine Idee hat, muss man sie innerhalb von 72 Stunden umsetzen“, sagt er. Das hätten wissenschaftliche Studien gezeigt, danach „sinkt der Umsetzungsquotient auf Null“.

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Aber Höller wäre selbst ein schlechter Unternehmer, wenn er nicht auch noch für diese missliche Lage eine Lösung anbieten würde: Für alle, bei denen die neue Firma nicht binnen drei Tagen steht, gibt es ein Angebot der Academy, den Eventus Club. Mit diesem ausgewählten Zirkel war Höller erst im Dezember auf Fuerteventura, eine Woche lang. Das Wetter zumindest war klasse, so viel ergibt sich aus dem Einspieler, und die Stimmung der Teilnehmer ebenfalls. „Da begleiten wir euch insgesamt ein Jahr lang dabei, damit ihr eure Ideen auch umsetzt.“ Mehr dazu nach der Pause. Dranbleiben lohnt sich also, bestimmt. Wäre da nur nicht dieser „Verlassen“-Knopf.

Mehr zum Thema: Immer mehr Deutsche lassen sich für ihre Karriere mental trainieren. Doch damit das funktioniert, braucht es den richtigen Coach – und keinen teuren Guru.

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