Top-Manager „Die Ertragsmaximierer sind out“

Jochen Kienbaum, Chef der gleichnamigen Personalberatung, glaubt, dass erfahrene und besonnene Führungskräfte heute gefragter sind als allzu ehrgeizige.

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Jochen Kienbaum Quelle: Michael Dannenmann für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Kienbaum, die Commerzbank präsentiert sich in ihren neuen Werbespots als reuige Sünderin, die aus den Fehlern der vergangenen Jahre ihre Lehren gezogen hat. Hat die Finanzkrise in den vergangenen fünf Jahren wirklich etwas in den Köpfen der Banker verändert?

Kienbaum: Natürlich sind die Banker nicht über Nacht zu anderen Menschen geworden. Aber sie haben ihre Lektionen aus der Krise durchaus gelernt, davon bin ich überzeugt.

Was macht Sie da so sicher?

Wirtschaftsunternehmen können auf Dauer nicht gegen Öffentlichkeit, Gesetzgeber und Verbraucher operieren. Die Gesellschaft muss einer Unternehmung Nützlichkeit zusprechen, ansonsten beginnt sie zu sterben. Die Umbauprozesse in vielen Häusern sind Ausdruck dieser Einsicht.

Ist das verwunderlich? Schließlich gelten die Banken als Hauptschuldige der Krise.

Deshalb verändert sich die Branche. Und zwar von innen und außen – durch einen selbstkritischen Neuanfang einerseits und externe Regulierung andererseits.

Gilt das nur für den Bankensektor?

Nein, das trifft auf sämtliche Branchen zu. Es geht um nachhaltige Ertragskraft in Kombination mit höchster Seriosität und hohem Verantwortungsbewusstsein.

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Suchen die Unternehmen seit der Krise denn auch andere Typen von Führungskräften?

Ja. Heute ist eher der besonnene Unternehmertypus mit Risikogespür gefragt. Die Zeit der Ertragsmaximierer, die immer auf ihren persönlichen Nutzen achten, ist vorbei. Erfahrung ist wichtiger als Ehrgeiz.

Warum?

Gefragt sind Manager, die eine nachhaltige und langfristige Entwicklung garantieren.

Welcher aktuelle CEO passt denn in dieses Bild?

Zum Beispiel Martin Winterkorn als CEO von VW. Er hat es geschafft, die Innovationskraft von VW konsequent zu stärken, Markt- und Zukunftstrends aufzunehmen und gleichzeitig eine möglichst krisensichere Aufstellung des Unternehmens zu gewährleisten, auch in Form von Finanzkraft. Nur mit solchen Eigenschaften können Unternehmen das Vertrauen des Marktes sowie der Öffentlichkeit zurückgewinnen und Leistungsträger dauerhaft binden.

Eine neue Ausgewogenheit

Welcher Manager-Typ sind Sie?
Eine Statue von George Washington Quelle: AP
Warren Buffett Quelle: dpa
William Howard Taft Quelle: dpa
Mutter Teresa Quelle: REUTERS
Donald Trump Quelle: REUTERS
Woody Allen Quelle: dapd
Elvis Presley Quelle: AP

Welche Unternehmen haben diesen Weg eingeschlagen?

Die Deutsche Bank zum Beispiel. Sie baut nicht nur den Konzern selbstkritisch um, sie verändert ebenso die Unternehmenskultur.

Das klingt so, als setzten die Unternehmen wieder auf ältere, erfahrene Kandidaten. Ist der Jugendwahn vorbei?

Ja, zum Glück. Es herrscht eine neue Ausgewogenheit.

Hat der integere Hasenfuß also den hungrigen Wolf verdrängt?

Nein, so eindimensional darf man das nicht betrachten. Risikofeindlichkeit führt ebenso in den Ruin wie Risikoexzesse. Die Unternehmen brauchen auch hier eine gesunde Mischung – auch im Hinblick auf die verschiedenen Altersstufen.

Wer mischt denn in dieser Hinsicht besonders geschickt?

BMW ist einer der Vorreiter. Der Autobauer hat vor einigen Jahren ein Demografieprogramm aufgelegt, das sich mit den Folgen des Alterungsprozesses auseinandersetzt.

Die viel zitierte „Diversity“...

Genau. BMW hat deren Vorteile erkannt. Der Konzern sieht altersgemischte Teams auch als Teil der Personalentwicklung und des Wissenstransfers.

Und wie sieht es bei Mittelständlern und Familienunternehmen aus?

Dort ist der Wunsch nach Kontinuität noch stärker. Das geht sogar so weit, dass sie Top-Managern häufig eine Residenzpflicht vorschreiben.

Was verbirgt sich denn dahinter?

Diesen Arbeitgebern ist es besonders wichtig, dass sich ihr Management mit dem Unternehmen identifiziert, anstatt eine Söldnermentalität an den Tag zu legen. Da ist die Bereitschaft der Manager, den Wohnsitz und damit den Lebensmittelpunkt samt der ganzen Familie an den Firmensitz zu verlagern, ein wichtiges Signal.

Das Privatleben als Indiz für die Führungsstärke?

Genau. Volatile Lebensverhältnisse werfen Fragen auf, in Bezug auf Integrität, Stabilität und soziale Kompetenzen. Deshalb stellen sich die Unternehmen Fragen zur Person. Übernimmt der Manager auch privat Verantwortung? Kann er langfristige soziale Beziehungen aufbauen? Oder ist er eher ein auf Selbstoptimierung ausgerichteter Narzisst?

Finanzvorstände als CEOs

Sind Sie auch rhetorisch der Chef?
Mitarbeiter machen nicht, was sie sollenWenn Mitarbeiter nicht wissen, was es ihnen persönlich einbringt, dann machen sie in den seltensten Fällen, was ihnen gesagt wird. Deshalb sollten die Manager persönliche Anreize setzen und erklären, was der Vorteil für den individuellen Mitarbeiter ist: Ob er Fußballkarten, einen Bonus oder eben Karten für die Oper möchte, Sie sollten ihm den Wunsch erfüllen. Quelle: dpa/dpaweb
4. Effektiv kommunizierenIst erstmal ein Aktionsplan erstellt, sollten ihn auch alle Mitarbeiter verstehen. Konkret bedeutet das, dass Sie Ihre Pläne mit allen Kollegen teilen und diese um Ihre Meinung bitten sollten. Dank Chester Barnards Klassiker "The functions of the executive" ist bekannt, dass Organisationen in Wahrheit durch Informationen zusammengehalten werden, nicht durch gutes Management oder Besitzverhältnisse.Druckers Tipp: Sparen Sie nicht an Informationen, sondern kommunizieren Sie Ihre Pläne. Dabei sollten Sie auch untergebene Mitarbeiter nicht ausschließen. Quelle: dpa
Mit den Enttäuschten reden! Bei Umstrukturierungen wird immer jemand der Leidtragende sein: Damit der Enttäuschte nicht auf Rache sinnt, sollte mit ihm geredet werden. Persönliche Anerkennung in wenigen Sätzen kann manchmal dafür sorgen, dass er die Kröte besser schluckt. Und Sie und die Firma in Ruhe lässt. Quelle: REUTERS
5. Chancenorientiert denkenEs klingt wie eine Floskel, ist aber ein effektives Element guten Managements. Erfolgreiche Führungskräfte konzentrieren sich auf Chancen, nicht auf Probleme. Japan geht dabei als gutes Beispiel voran: Dort wird sichergestellt, dass vorhandene Chancen nicht von Problemen erdrückt werden. Dabei spielt auch die Stellenbesetzung eine wichtige Rolle. Japanische Führungskräfte lassen ihre besten Mitarbeiter an Chancen arbeiten, nicht an Problemen.Druckers Tipp: Probleme und Risiken gibt es überall – aber auch Chancen. Stellen Sie diese in Ihrem Unternehmen in den Mittelpunkt. Auch Probleme lassen sich in Chancen umwandeln, indem Sie sich fragen: Wie können wir diese Veränderung oder jenes Problem als Chance für unser Unternehmen nutzen? Quelle: dpa
Das Kündigungsgespräch: kurz und schmerzlosMachen Sie es sich und ihrem bald Ex-Mitarbeiter nicht schwerer als es ist: Zwei, drei Sätze reichen, um keine der beiden Seiten unnötig zu belasten. Und helfen Sie Ihrem ehemaligen Mitarbeiter dann noch, indem Sie ihm schnell und unbürokratisch seine Papiere geben und ihm ein Arbeitszeugnis schreiben. Quelle: dpa-tmn
Konsequenzen dramatisieren!Sie müssen unpopuläre Maßnahmen wie Kostensenkungen und Budgetkürzungen kommunizieren? Kein Problem, wenn Sie nur dramatisch und konsequent sind. Denn nur dann können die Mitarbeiter Ihre Maßnahmen nachvollziehen. Die meisten Manager schreiben Mails, weil sie die nicht beantworten müssen. Ein Gespräch mit dem Mitarbeiter könnte hingegen zu unbequemen Nachfragen führen. Quelle: dpa
Loben Sie die Mitarbeiter namentlich!Seien Sie kein eitler Hahn, sondern geben Sie etwas vom Erfolg auch an Ihre Mitarbeiter zurück. Ein rhetorisch guter Manager lobt sein Team namentlich - das führt auch bei gelobten Mitarbeiter zu einem kleinen Motivationsschub. Quelle: dpa

Haben sich die Anforderungen an Manager und Unternehmen in den USA ebenfalls geändert?

Es gab Zeiten, da wollte man dort den aggressiven, erfolgshungrigen, rein profitorientierten Manager, um dem Druck der Kapitalmärkte und den Interessen der Anteilseigner zu entsprechen. Heute hat man auch dort erkannt, dass man Werte nicht im Quartal, sondern über Generationen erschafft. Das ist ein langsamer Prozess, der selbst bei Apple erkennbar ist.

Führungsstile nach der Typologie von Hay Group

Inwiefern?

Apple-Chef Tim Cook hat auf der Hauptversammlung im Februar betont, dass das Unternehmen auf eine langfristige Entwicklung und die Herstellung der besten Produkte ausgerichtet ist. Er lässt sich durch die starken Kursverluste nicht von seinem Weg abbringen, den ja auch die Aktionäre mitgehen: Sie haben sämtliche acht Aufsichtsräte im Amt bestätigt.

In den vergangenen Monaten haben immer mehr ehemalige Finanzvorstände den CEO-Posten in großen Konzernen übernommen, zum Beispiel Joe Kaeser bei Siemens. Welche Anforderungen erfüllen die Finanzexperten besser?

Sie haben einen ausgeprägten Sinn für verantwortbare Geschäfte. Außerdem müssen sie in Kategorien langfristiger Wertschöpfung denken und für nachhaltiges Unternehmertum stehen.

Eigenschaften, die auch hervorragend zu einem CEO passen.

Genau. Außerdem müssen beide in Szenarien denken und planen. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Rahmenbedingungen über Nacht fundamental anders aussehen können als am Tag zuvor.

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