Ein Prinzip, das funktionieren mag, so lange ein Chef keine harten Entscheidungen treffen muss. In so einem Fall „kann er geliebt werden, wie er will“, sagt Carsten Steinert. „Kein Mitarbeiter wird bei seiner Entlassung danke sagen.“ Es sind Situationen wie diese, die die Position von Führungskräften so undankbar macht, so angreifbar.
Vielleicht ist das ein Grund dafür, weshalb sich einige Chefs von Natur aus emotional distanzieren von ihren Mitarbeitern. Mitunter sogar soweit, dass ihnen Empathie und Menschlichkeit verloren geht. Ein anderer ist der Druck, das Unternehmen auf Dauer wirtschaftlich erfolgreich zu machen. Gelingt das nicht, „sitzt ein Chef letztlich als erstes auf der Straße“, sagt Personalexperte Steinert.
Wer Chef sein will, muss also auch Überlebenskünstler sein. Mit etwas Phantasie lässt sich diese Rolle mit dem Rädelsführer eines Löwenrudels vergleichen. Je mehr Rivalen er klein hält oder vertreibt, desto unantastbarer wird seine Stellung gegenüber anderen Mitgliedern des Rudels. Einem starken Anführer ordnen sich Herdentiere in der Regel unter.
In diesem Punkt sind Mensch und Tier dann aber wiederum verschieden. Einem menschlichen Oberhaupt droht die Isolation, je mächtiger es wird. „Wenn eine Führungskraft sich das Image aneignet, über Leichen zu gehen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ihn sein Team fallen lässt“, sagt Carsten Steinert.
Ein Beispiel aus dem Fußball zeigt, was er meint. Bei Bundesliga-Krösus Bayern München gilt Louis van Gaal noch immer als einer der erfolgreichsten Trainer der Vereinsgeschichte. Unter dem Niederländer gewann der Klub in zwei Jahren zweimal das Double. Am Ende wurde van Gaal trotzdem mit Schimpf und Schande von der Säbener Straße vertrieben. „Er hat es trotz sportlichen Erfolgs nicht geschafft, die Leute menschlich hinter sich zu bringen“, sagt Steinert.
Die Erwartungen der Mitarbeiter
Typen vom Schlag van Gaal hätten es heutzutage vermutlich schwer, in der Bundesliga noch einmal unterzukommen. Ähnliches gilt für Chefs von Unternehmen, die nicht offen sind für die Bedürfnisse von Mitarbeitern.
Die nämlich haben bisweilen ziemlich konkrete Anforderungen an ihren Arbeitgeber.
Was gute Führung ausmacht
Laut einer Umfrage der "Initiative Neue Qualität der Arbeit" unter 400 Führungskräften sind Flexibilität und Diversität sind weitgehend akzeptierte Erfolgsfaktoren. Das Arbeiten in beweglichen Führungsstrukturen, mit individueller Zeiteinteilung und in wechselnden Teamkonstellationen ist aus Sicht der meisten Führungskräfte bereits auf einem guten Weg. Die Idee der Förderung von Unterschiedlichkeit ist demnach in den Unternehmen angekommen und wird umgesetzt. Die Beiträge zur Führungskultur gerade aus weiblichen Erfahrungswelten werden äußerst positiv bewertet.
Prozesskompetenz ist für alle das aktuell wichtigste Entwicklungsziel. 100 Prozent der interviewten Führungskräfte halten die Fähigkeit zur professionellen Gestaltung ergebnisoffener Prozesse für eine Schlüsselkompetenz. Angesichts instabiler Marktdynamik, abnehmender Vorhersagbarkeit und überraschender Hypes erscheint ein schrittweises Vortasten Erfolg versprechender als die Ausrichtung des Handelns an Planungen, deren Verfallsdatum ungewiss ist.
Selbst organisierende Netzwerke sind das favorisierte Zukunftsmodell. Die meisten Führungskräfte sind sich sicher, dass die Organisation in Netzwerkstrukturen am besten geeignet ist, um die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu bewältigen. Mit der kollektiven Intelligenz selbst organisierender Netzwerke verbinden diese Führungskräfte die Hoffnung auf mehr kreative Impulse, höhere Innovationskraft, Beschleunigung der Prozesse und Verringerung von Komplexität.
Hierarchisch steuerndem Management wird mehrheitlich eine Absage erteilt. Die meisten Führungskräfte stimmen darin überein, dass Steuerung und Regelung angesichts der Komplexität und Dynamik der zukünftigen Arbeitswelt nicht mehr angemessen sind. Zunehmende Volatilität und abnehmende Planbarkeit verringern die Tauglichkeit ergebnissichernder Managementwerkzeuge wie Zielemanagement und Controlling. Überwiegend wird die klassische Linienhierarchie klar abgelehnt und geradezu zum Gegenentwurf von „guter Führung“ stilisiert.
Kooperationsfähigkeit hat Vorrang vor alleiniger Renditefixierung. Über die Hälfte der interviewten Führungskräfte geht davon aus, dass traditionelle Wettbewerbsstrategien die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben und das Prinzip Kooperation weiter an Bedeutung gewinnt. Nur noch 29,25 Prozent der Führungskräfte präferieren ein effizienzorientiertes und auf die Maximierung von Profiten ausgerichtetes Management als ihr persönliches Idealmodell von Führung.
Persönliches Coaching ist ein unverzichtbares Werkzeug für Führung. Mit dem Übergang zur Netzwerkorganisation schwindet der selbstverständliche Schonraum hierarchischer Strukturen. Die Durchsetzung eigener Vorstellungen über Anweisung werde immer schwieriger oder sei gar nicht mehr möglich. Mächtig ist nur, was auf Resonanz trifft. Einfühlungsvermögen und Einsichtsfähigkeit werden dadurch immer wichtiger. Alle Akteure, ob nun Führungskraft oder geführte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bräuchten im Unternehmen mehr Reflexion und intensive Entwicklungsbegleitung.
Motivation wird an Selbstbestimmung und Wertschätzung gekoppelt. Die Führungskräfte gehen davon aus, dass die motivierende Wirkung von Gehalt und anderen materiellen Anreizen tendenziell abnimmt. Persönliches Engagement wird mehr mit Wertschätzung, Entscheidungsfreiräumen und Eigenverantwortung assoziiert. Autonomie werde wichtiger als Statussymbole und der wahrgenommene Sinnzusammenhang einer Tätigkeit bestimme den Grad der Einsatzbereitschaft.
Gesellschaftliche Themen rücken in den Fokus der Aufmerksamkeit. In der intuitiven Schwerpunktsetzung der Führungskräfte nimmt die Stakeholder-Perspektive des Ausgleichs der Ansprüche und Interessen von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen einen wachsenden Raum ein. Über 15 Prozent aller frei genannten Beschreibungen im Führungskontext beschäftigen sich mit Fragen der gesellschaftlichen Solidarität und der sozialen Verantwortung von Unternehmen.
Die Online-Plattform Kununu, auf der Angestellte und Bewerber Unternehmen bewerten können, hat in einer aktuellen Studie die dringlichsten Wünsche von Mitarbeitern gemessen. Das Ergebnis: Flexible Arbeitszeiten, die Nutzung des Home Office sowie Verpflegung am Arbeitsplatz sind Beschäftigten im Berufsleben am wichtigsten – viel wichtiger als monetäre Anreize.