Ein "Psychopath" ist laut Definition des Dudens "jemand der an Psychopathie leidet", also einer "besonders schwere Form einer antisozialen Persönlichkeitsstörung". Wenn Forscher nun behaupten, dass Psychopathie zu beruflicher Spitzenleistung führe - ohne jemandem dabei Schaden zu bereiten, klingt das zunächst einmal absurd. Als Psychopath bezeichnen wir gerne Menschen, die wir als kalt und manipulativ empfinden und die handeln ohne Rücksicht auf andere zu nehmen - im Gegenteil. Sie nehmen den Schaden anderer sogar gerne in Kauf.
Zwei Forscher des Instituts für Psychologie an der Universität Bonn stellen aber genau diese Behauptung auf: Eine bestimmte Form von Psychopathie entfalte sich so, dass jemand beruflich besonders erfolgreich sei ohne anderen oder dem Unternehmen zu schaden, schreiben sie in ihrer Studie "Trait psychopathy, task performance, and counterproductive work behavior directed toward the organization".
Laut der Studie, die die beiden Psychologen Gerhard Blickle und Nora Schütte diesen Monat im Fachjournal „Personality and Individual Differences“ veröffentlichen, erweckten Menschen mit dieser "paradoxen Persönlichkeit" eines Psychopaten den Eindruck einer besonderen Risikobereitschaft und Rücksichtslosigkeit, erscheinen aber gleichzeitig äußerst charmant. Das verhelfe ihnen dazu schnell die Karriereleiter zu erklimmen.
Mit wem wir uns im Beruf am häufigsten streiten
Je mehr ein Mensch mit einem anderen zu tun hat, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie aneinander geraten. Entsprechend gaben 37 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage "Streit - erfolgreich oder folgenreich" der IHK Frankfurt an, sich häufig mit Kollegen beziehungsweise Mitarbeitern zu streiten.
Mehr als ein Drittel gab an, sich häufig mit Führungskräften zu streiten.
Ein Viertel sagte, dass sie häufig mit der Geschäftsleitung aneinander geraten.
23 Prozent streiten sich häufig mit Kunden.
Bei 14 Prozent sind Zulieferer ein häufiger Streitgrund und -partner.
Elf Prozent streiten sich häufig mit Behörden, mit denen sie beruflich zu tun haben.
Jeweils sieben Prozent gaben an, sich mit Gesellschaftern beziehungsweise Kooperationspartnern in die Haare zu kriegen.
Nur drei Prozent geraten häufig mit Kapitalgebern und Banken aneinander.
Die dunkle Seite der Psychopathie fördere aber auch, dass diese Menschen riskante Entscheidungen treffen, Anweisungen ignorieren und gerne zu Drogen- oder Alkoholkonsum neigten. Die Studienergebnisse der beiden Psychologen zeigte aber auch noch eine helle Seite der Psychopathie. Die Forscher bezeichnen die beiden Seiten als toxische und die gutartige Form von Psychopathie.
„Die toxische Form von Psychopathie kennzeichnet sich durch antisoziale Impulsivität“, sagt Blickle, Professor am Institut für Psychologie. Solche Personen könnten sich nicht kontrollieren, nehmen was ihnen gefällt, agieren ohne vorher nachzudenken und schieben die Schuld auf andere. „Die potenziell gutartige Form von Psychopathie wird furchtlose Dominanz genannt“, ergänzt Mitautorin Schütte. „Sie kann sich zum Schlechten, aber auch zum sehr Guten entwickeln.“ Menschen mit dieser Eigenschaft kannten keine Angst, hätten ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, gute soziale Fertigkeiten und seien extrem stressresistent.
Für ihre Untersuchung luden die Wissenschaftler deutsche Angestellte aus den unterschiedlichsten Berufen zu einer E-Mail-Umfrage ein. Zunächst wurden die Studienteilnehmer auf ihre persönlichen Faktoren , ihrem Bildungsgrad und ihrer Psychopathie-Ausprägung getestet. Anschließend bewerteten zwei Kollegen das Sozialverhalten und die Arbeitsleistung des jeweiligen Probanden. Insgesamt wurden so 161 Arbeitnehmer analysiert.
Das Ergebnis: Ob psychopathische Züge positive oder negative Auswirkungen bei der Arbeit haben hänge in erster Linie vom Bildungsniveau ab. Während Personen mit furchtloser Dominanz und niedriger Bildung Verhaltensweisen an den Tag legen, die Unternehmen schädigen könnten, würden solche „Psychopathen“ mit hoher Bildung von ihren Kollegen am Arbeitsplatz als hervorragend tüchtig und in keiner Weise antisozial auffällig beurteilt.
„Diese Befunde bestätigen die bisher wenig beachtete Theorie, dass Psychopathie zwar sehr häufig zu antisozialem Verhalten führen kann, aber eben nicht muss“, sagt Blickle. Personen mit hoher furchtloser Dominanz, überdurchschnittlicher Intelligenz und einer erfolgreichen Bildungskarriere könnten so auch zu "selbstlosen Helden im Alltag" werden. Als Beispiele nennen die Psychologen Krisenmanager oder Notfallärzte.
Bereits 2016 hatten Schütte und Blickle in einer Studie herausgefunden, dass ausgeprägte soziale Fähigkeiten auch bei Menschen mit psychopathischen Zügen zu mehr Hilfsbereitschaft und Kooperation im Job führen könne.