
In einem von zehn deutschen Unternehmen müssen Mitarbeiter nicht einmal den Arbeitsplatz verlassen, um sich weiterzubilden: Über Computer, Tablet oder Smartphone nutzen sie Lernprogramme, nehmen an Online-Seminaren teil oder schauen interaktive Videos. Vorbei sind die Zeiten in diesen Betrieben, in denen die Angestellten teilweise mehrere Stunden den Worten eines Dozenten in einem überfüllten Seminar-Raum lauschen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Digitalverbandes Bitkom, der 500 Personalverantwortliche deutscher Unternehmen zu ihrer Weiterbildungsstrategie befragt hat.
Demnach sind digitale Weiterbildungen selbst in den Unternehmen beliebt, die weiterhin auf klassische Qualifizierungsmöglichkeiten setzen: Zwei Drittel aller befragten Betriebe gaben an, externe Seminare oder hausinterne Schulungen zu nutzen.
Zu der Weiterbildungsstrategie genauso vieler Unternehmen gehört es laut Untersuchung aber auch, digitale Lernprogramme oder online-gestützte Angebote einzusetzen. Am beliebtesten: webbasierte Lernprogramme, gefolgt von klassischen PC-Programmen und Online-Seminaren.
So bilden Unternehmen Mitarbeiter weiter
Zur Fortbildung von Beschäftigten nutzen die meisten Unternehmen laut Umfrage externe Seminare – und zwar 43 Prozent.
Der Branchenverband Bitkom hat mehr als 500 Unternehmen ab zehn Mitarbeitern befragt, wie sie ihre Beschäftigten schulen.
Vier von zehn befragten Unternehmen laden regelmäßig externe Referenten in den Betrieb ein, damit sie die Mitarbeiter schulen.
Unter den digitalen Weiterbildungsmöglichkeiten werden webbasierte Lernprogramme laut Erhebung am häufigsten eingesetzt: 36 Prozent der Unternehmen gaben an, diese zu nutzen.
Fast jedes vierte Unternehmen (24 Prozent) schult laut Umfrage mit Hilfe von Lernprogrammen, die auf dem Computer installiert werden.
Jedes fünfte Unternehmen gab an, Angestellten Seminare im eigenen Haus anzubieten, bei denen sie von anderen Mitarbeitern geschult werden.
Um ihre Mitarbeiter zu schulen, zeigen zwölf Prozent der befragten Unternehmen regelmäßig interaktive Videos.
Diese Online-Seminare können individuell an die Kenntnisse des Mitarbeiters angepasst werden, der Angestellte kann sie jederzeit und überall nutzen – und: Auf lange Sicht sind sie vor allem auch günstiger als ein Dozent. "Zwar muss der Betrieb erst einmal in die digitalen Programme investieren, aber langfristig sind sie preiswerter als ein Coach", sagt Thiemo Fojkar, Vorstandsvorsitzender des Internationalen Bundes, welcher der freie Träger der Jugend-, Bildungs- und Sozialarbeit ist.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung wird vor allem an einem Extrem-Beispiel deutlich: Das digitale Programm kann zumindest in der Theorie täglich kostengünstig aktualisiert und somit an den Wissensstand des Mitarbeiters angepasst werden. Ein Coach müsste sich dagegen täglich schulen, um permanent über den aktuellen Stand auf seinem Themengebiet informiert zu sein – und mit der digitalen Konkurrenz mitzuhalten. Solche Dozenten gibt es zwar, aber: "So ein Spitzencoach ist für die Mehrheit der Unternehmen kaum bezahlbar", sagt Fojkar.





Doch ausschließlich digitale Weiterbildungsmöglichkeiten sind in den wenigsten Branchen das optimale Mittel, um Mitarbeiter zu schulen. "In Berufen, in denen es auf persönliche Erfahrungen ankommt, sind praktische Seminare unverzichtbar." Und persönlicher Kontakt spielt in den meisten Berufen eine Rolle: vom Krankenpfleger über den Anwalt bis hin zum Karrierecoach.
Denn in diesen Jobs kommt es vor allem auf die Empathie der Angestellten an, damit das Unternehmen erfolgreich ist. "Es ist unmöglich, einem Mitarbeiter auf digitale Weise zu vermitteln, wie er sich in eine andere Person emotional hineinversetzen kann", sagt Fojkar.
Wenn der Mitarbeiter keinen persönlichen Kontakt zu Kunden, Patienten oder Klienten hat, heißt das aber noch längst nicht, dass der Chef ihm ausschließlich digitale Weiterbildungsmöglichkeiten auftischen kann. Denn: "Der Angestellte muss verschiedene Kompetenzen haben, damit ausschließlich digitale Lernprogramme oder Seminare Sinn machen", sagt Fojkar.
Fehlt das technische Verständnis, bleiben diejenigen auf der Strecke, die in ihrem Job sonst weniger mit Technik zu tun haben. Die Konsequenz: Ihnen fällt es schwer, den Inhalten zu folgen.
Merkt der Mitarbeiter beispielsweise schon im ersten Modul, dass er überfordert ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er aufgibt. "Im besten Fall ist das Programm so gestaltet, dass der Angestellte mit einer Hilfestellung selbst wieder voran kommt", sagt Fojkar.
Selbst dann ist Selbstdisziplin die größte Herausforderung und somit die wichtigste Eigenschaft eines Mitarbeiters: Bei praktischen Seminaren gibt es immer noch die Gruppe, die den Einzelnen motiviert. "Bei einer digitalen Weiterbildung muss der Mitarbeiter so selbstkontrolliert sein, dass er selbst dann noch am Ball bleibt, wenn seine Aufgabe unlösbar erscheint", sagt Fojkar.
Deshalb hält er es für sinnvoll, wenn ein Coach in der Nähe ist, wenn Angestellte sich digital schulen. Der Mitarbeiter ist dann zwar orts- und zeitgebunden – und der Chef muss wieder Geld in die Hand nehmen. "Der Mitarbeiter hat dadurch zumindest die Möglichkeit, sich individuell fortzubilden", sagt Fojkar.
Praktische Schulungen werden immer wichtig sein
Klar ist, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt in den kommenden Jahren noch stark verändern wird. Fojkar ist allerdings überzeugt, dass praktische Schulungen auch weiterhin einen hohen Stellenwert haben werden. "Der persönliche Kontakt ist vielen Mitarbeitern und Unternehmen wichtiger, als die Tatsache, dass sie sich durch digitale Programme orts- und zeitunabhängig schulen können."
Zwar sind die Weiterbildungen via PC, Smartphone und Tablet vor allem für Technikaffine interessant, weil sie sich so entsprechend ihres Lernstandes weiterqualifizieren können. Doch: "Menschen brauchen Feedback zu den Lerninhalten", sagt Fojkar. Digitale Programme können seiner Meinung nach vor allem in der Weise sinnvoll sein, dass Mitarbeiter sich Lerninhalte erst einmal allein aneignen und anschließend Seminare dazu nutzen, um offene Fragen zu klären.