Sie wollen irgendwann mal Chef sein oder ein besserer werden? Dann müssen Sie vor allem eine Fähigkeit besitzen: Empathie – also die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen.
Diesen Eindruck gewinnt man zumindest beim Blick auf die Titel aktueller Ratgeber zu dem Thema. Die renommierte Wissenschaftlerin Tania Singer, Geschäftsführende Direktorin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaft in Leipzig, rät zu „Mitgefühl in der Wirtschaft“; für den Coach und Berater Andreas Graf ist Anteilnahme das „Führungsinstrument unserer Zeit“; der Wissenschaftsjournalist und Bestsellerautor Werner Bartens ist davon überzeugt, dass einfühlsame Menschen „gesund und glücklich“ sind; und der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin fordert bereits seit Jahren eine „empathische Zivilisation“.
Diese Faktoren beeinflussen die Unternehmensentwicklung
Cleverer Chef, volle Auftragsbücher: Ein Fünftel von mehr als 1000 befragten Mittelständlern der GE Capital-Studie „Triebwerk des Erfolgs“ benennt die Einstellung der Führungsebene als wesentlichen Erfolgsfaktor für das eigene Unternehmen.
Nur wer weiß, wie das Angebot der Konkurrenz aussieht, kann dauerhaft eine führende Marktposition einnehmen. Das denkt immerhin jeder vierte deutsche Mittelständler. Ebenso wichtig ist für die der Umfang der Teamarbeit und die Höhe der verfügbaren Finanzmittel, zum Beispiel für Forschung und Entwicklung.
Wer in seinem Arbeitsbereich Raum für Verbesserungen sieht, soll dafür belohnt werden, wenn er sie kommuniziert. 27 Prozent der Umfrageteilnehmer will damit der eigenen Belegschaft Anreize geben, sich konstruktiv in die Firmenentwicklung einzubringen.
... Schreiben aber auch: Wer sowohl auf dem heimischen als auch auf ausländischen Märkten bestehen will, sollte es den eigenen Mitarbeitern leicht machen, Informationen untereinander auszutauschen. Ob informell im Pausenraum oder durch geeignete technische Mittel – 31 Prozent der deutschen Mittelständler betrachtet neben der allgemeinen Einstellung der Mitarbeiter den Kommunikationsfluss unter ihnen als wesentlichen Erfolgsfaktor.
Ein Drittel aller Befragten ist sich sicher, dass mobiles Arbeiten und flexible Arbeitszeiten ein Maximum an Produktivität auf Seiten der Mitarbeiter ermöglicht.
Stimmt die Betriebsstruktur, klappt's auch mit dem Wachstum. 34 Prozent der deutschen Mittelständler legt für andauernden Erfolg Wert auf eine ordentliche Managementstruktur. Ohne sie kann die Entwicklung des eigenen Unternehmens nicht positiv verlaufen, denken die Befragten.
Ein Unternehmen ist in seiner Gesamtheit nur so fähig wie seine Belegschaft, denken die befragten Mittelständler. 49 Prozent von ihnen kümmern sich deswegen adäquat um ihre Aus- und Weiterbildung und wollen sie in zwei von drei Fällen langfristig an sie binden.
Tatsächlich belegen Dutzende von Studien die Vorteile von Empathie – für den Körper ebenso wie für die Karriere. Wer sich in Kollegen, Kunden und Konkurrenten hineinversetzt, kann demnach besser mit Stress umgehen, leidet seltener an Depressionen und ist außerdem weniger schmerzempfindlich. Doch bei all den positiven Aspekten gerät ein wichtiges Detail in Vergessenheit: Empathie hat durchaus Schattenseiten.
1. Empathie laugt aus
Was sich vermeintlich leicht anhört, ist in Wahrheit harte Arbeit: In die Gefühlszustände anderer einzutauchen raubt Kraft. Studien belegen, dass Menschen, die besonders empathisch sind, schneller ermüden und sich von ihrem Job leichter überfordert fühlen. Grund dafür ist das Stresshormon Cortisol: Bei emphatischen Menschen flutet es den Körper stärker, denn Stress steckt wortwörtlich an – selbst wenn wir ihn nur bei anderen beobachten.
Das fand Tania Singer in einer Untersuchung im Jahr 2014 heraus. Sie ließ 151 Probanden komplizierte Kopfrechenaufgaben lösen und harte Vorstellungsgespräche absolvieren, während zwei vermeintliche Experten ihre Leistung beurteilten. Wenig überraschend: Die meisten Probanden ließen sich aus der Ruhe bringen, bei ihnen stieg der Cortisolspiegel deutlich an. Schon überraschender: Selbst bei den neutralen Beobachtern, die eigentlich entspannt zugucken konnten, machte sich das Stresshormon bemerkbar – und zwar selbst dann, wenn ihnen die andere Person völlig fremd war: „Emotionale Verbundenheit ist keine Voraussetzung für empathischen Stress“, resümierten die Forscher.
Wer die Nöte seiner Kollegen zu stark annimmt, kann deshalb selbst in Bedrängnis geraten. Das zeigt sich beispielsweise in Berufen, die ohnehin nach viel Einfühlungsvermögen verlangen. Kranken- und Altenpfleger etwa, die sich besonders bereitwillig aufopfern, sind emotional häufiger überlastet. Der Psychiater Lawson Wulsin analysierte 2014 die Daten von 215.000 Erwerbstätigen im US-Bundesstaat Pennsylvania. Und fand dabei heraus, dass Depressionen überdurchschnittlich oft bei jenen Berufen vorkommen, die besonders viel mit anderen interagieren müssen. Im Klartext: Kunden, Patienten und Mitmenschen sind der Stressfaktor Nummer eins.
Warum wir Angst vorm Nein sagen haben
Die Gründe, warum sich viele Menschen nicht trauen, auch einmal Nein zu sagen, sind vielfältig. Einer davon ist die Angst vor Ablehnung. "Wenn ich jetzt ablehne, verliere ich Sympathien."
Wir fürchten, den anderen zu enttäuschen oder hängen zu lassen.
Wenn wir jemandem einen Wunsch abschlagen, sind wir herzlos oder egoistisch. Und das wollen wir nicht sein.
Viele haben außerdem Sorge, durch ein "Nein" eine Freundschaft, die fällige Gehaltserhöhung oder die Karriere aufs Spiel zu setzen.
2. Empathie macht einsam
Einfühlungsvermögen ist kein unerschöpfliches Reservoir: Wer sich tagsüber schon der Probleme seiner Kollegen annimmt, kommt abends abgestumpft nach Hause. Das belastet Beziehungen mitunter stark: Jonathon Halbesleben von der Universität Alabama untersuchte im Jahr 2009 gemeinsam mit Kollegen das emotionale Gleichgewicht von 800 Angestellten in verschiedenen Branchen – vom Friseur bis zum Feuerwehrmann.
Allen Mitarbeitern, die Kollegen besonders gerne zuhörten oder sie tatkräftig unterstützten, war eines gemein: Sie hatten Probleme damit, zu ihren Freunden und Verwandten eine gute Beziehung aufrechtzuerhalten. Anders formuliert: Sie hatten ihr Kontingent an Mitgefühl bereits im Job aufgebraucht.