Warum wir Schlaf unterschätzen „Wir sind eine chronisch unausgeschlafene Gesellschaft”

Schlaf ist wichtig – und fördert das Wohlbefinden. Aber er hat ein Imageproblem und wird viel zu oft mit Faulheit in Verbindung gebracht. Warum wir aufhören sollten, zu wenig zu schlafen.

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So schlafen Sie besser ein und stehen morgens entspannter auf
Joggerin in Köln Quelle: dpa
Jemand schaltet ein Smartphone aus Quelle: dpa
Ein kochendes Paar Quelle: Boggy - Fotolia
Eine Hand mit einer Meditationsgeste Quelle: Tran-Photography - Fotolia
Kalender Quelle: Public Domain
Jemand liest ein Buch Quelle: dpa

Jedes Jahr entsteht der deutschen Wirtschaft ein Schaden von 57 Milliarden Euro, weil Mitarbeiter zu wenig Schlaf bekommen. Dass nur ausgeschlafene Menschen besonders leistungsfähig sind, zeigen auch Studien, die verdeutlichen, dass Menschen, die dauerhaft weniger als sechs Stunden schlafen, öfter unkonzentriert sind und mehr Fehler machen.

„Wir müssen uns bewusst machen, dass der Schlaf etwas Bedeutsames für die körperliche Erholung ist,” sagt Hans-Günther Weeß,  Leiter des Schlafzentrums der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Denn viel zu viele Menschen in Deutschland schlafen schlecht. Bei sechs Prozent ist das sogar von klinischem Ausmaß und muss behandelt werden. Das sind immerhin 4,8 Millionen Menschen. „Wir sind eine chronisch schlaf-deprivierte Gesellschaft” fasst der Experte zusammen.

Um schon die falsche Haltung zum Thema Schlaf zu ändern, muss sich vor allem die Wirtschaft bewusst machen, dass ausgeschlafene Mitarbeiter nicht nur leistungsfähiger sind, sie können sich auch mehr merken und kreativer arbeiten. Laut dem Schlafforscher gibt es da aber auch eine moralische Ebene, da der unausgeschlafene Zustand das Treffen ethischer Entschlüsse erschwert.

Wie viele Stunden verschiedene Personengruppen im Durchschnitt schlafen

„Das wirft nächtliche Entscheidungsfindungen in der Wirtschaft und der Politik in ein ganz neues Licht” klärt Weeß auf und appelliert so an ein Umdenken in der Gesellschaft.

Wie viel Schlaf?

Die benötigte Schlafmenge ist allerdings genetisch festgelegt und unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Das Spektrum reicht dabei von drei bis vier Stunden bis 13 Stunden die Nacht. In Deutschland liegt der Durchschnitt bei sieben bis acht Stunden. Außerdem unterscheiden Schlafforscher zwischen Lerchen und Eulen – zu welcher man gehört, bedingen ebenfalls die Gene.

Während Lerchen gerne früh ins Bett gehen und die Morgenstunden genießen, begeben sich Eulen zwischen 23.30 Uhr und zwei Uhr ins Bett. Die Folge: Sie brauchen morgens länger, um richtig in die Gänge zu kommen. In Deutschland machen sie zwei Drittel der Gesellschaft aus und das bestimmt auch unseren Arbeitsalltag. Denn der beginnt in der Regel früh. Menschen, die häufig mit wenig Schlaf auskommen müssen, haben außerdem ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

So schlafen Sie besser ein und stehen morgens entspannter auf

Obwohl die regenerative Wirkung noch nicht voll erreicht wurde, beenden die meisten Menschen ihre Nachtruhe vorzeitig. Am Tage hinken sie deshalb ihrem Leistungspotenzial hinterher. „Sie würden ja auch nicht das Programm der Waschmaschine vorzeitig beenden, denn das bedeutet, dass Ihre Wäsche noch schmutzig ist”, sagt der Schlafforscher.

Ausschlafen am Wochenende

Für die meisten Menschen kommt am Wochenende die langersehnte Möglichkeit, den Schlaf richtig auszukosten. Doch laut Weeß ist das ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist es wichtig, dann auch lange im Bett zu bleiben, um das werktags aufgebaute Schlafdefizit auszugleichen. Auf der anderen stellt sich dann ein neues Problem ein: Das lange Ausschlafen am Sonntagmorgen erschwert das rechtzeitige Einschlafen am Abend. Am Montagmorgen klingelt der Wecker aber wieder wie gewohnt. „Der fehlende Schlafdruck am Sonntagabend ist ein Grund, warum ganz Deutschland von Sonntag auf Montag am schlechtesten schläft”, sagt der Experte.

Falsche Volksweisheiten rund um den Schlaf

Um gut einzuschlafen, ist es wichtig, dem Körper die richtigen Signale zu senden. Dabei hilft ein Ritual beim Zubettgehen: Das kann etwa ein entspannendes Buch sein, eine Seite Tagebuchschreiben oder der immer gleiche Rhythmus beim Zurechtmachen im Badezimmer:  „Damit distanzieren wir uns von den großen und kleinen Problemen. Indem wir uns vom Alltag entpflichten, begeben wir uns in den Entspannungsmodus - und Entspannung ist der Königsweg zum Schlaf.”  Schlecht ist es, zu nah zur Schlafenszeit noch Sport zu treiben, Alkohol zu trinken oder schwer zu essen. Ganz ungünstig - und für viele Menschen gang und gäbe - ist das Einnicken vor dem Fernseher. Dabei wird Schlafdruck abgebaut und das spätere Einschlafen im Bett fällt um einiges schwerer.

Dürfen elektronische Geräte mit ins Bett?

 LED-Bildschirme gelten als Wachhalter, unterdrücken sie doch die für den Schlaf so wichtige Melatoninproduktion. Das Hormon wird in einer Drüse im Gehirn produziert, gibt unsere innere Uhr vor und steuert den Lichteinfall auf unsere Netzhaut. Oft wird diese Wirkung überschätzt, meint Weeß. Deshalb gilt: Keine E-Mails checken oder Kalendereinträge tätigen.

Auch anregende Inhalte oder wildes Rumklicken im Internet sollten vermieden werden. Beruhigendes zum Lesen, Schauen oder Hören kann man sich aber ruhig - auch digital - im Bett gönnen.

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