Aktien Welche Dax-Werte wirklich top sind

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Was die Finanzunternehmen im Dax verdienen

Die Jahresbilanz der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung in Berlin bestätigt, dass in den Zahlenwerken der Unternehmen längst nicht alles zum Besten steht. Die Bilanzpolizei prüfte 2007 die Abschlüsse von 135 Unternehmen, in 35 davon fanden sich „wesentliche Fehler“.

Einer Studie des Kölner Bankhauses Sal. Oppenheim zufolge sind rund 15 Prozent der Dax-Gewinne auf rein buchtechnische Änderungen zurückzuführen. Früher übliche jährliche Abschreibungen auf erworbene Unternehmen (Goodwill) fallen beispielsweise seit drei Jahren weg. Allein das bringt den Dax-Unternehmen im Schnitt eine jährliche Gewinnverbesserung um 200 bis 250 Millionen Euro. Neue Regeln zu Pensionslasten – die Finanzchefs müssen die Lasten nicht mehr wie früher in die Gewinnrechnung packen, sondern können diese im Eigenkapital verstecken – bringen im Durchschnitt noch einmal 300 bis 400 Millionen Euro Gewinnplus.

Diese Scheingewinne können die Vorstände aber schlecht ausschütten. So stiegen die Jahresüberschüsse der 24 Industrieunternehmen aus dem Dax von 2003 auf 2007 um rund 34 Milliarden Euro. Die operativen Cash-Flows der Dax-Industriekonzerne erhöhten sich um rund 20 Milliarden Euro. Diese Summe entspricht in etwa der Erhöhung der Dividenden-Ausschüttungssumme im selben Zeitraum, liegt aber um 14 Milliarden Euro unter dem Gewinnzuwachs. Der Zusammenhang ist klar: Nur was aus dem Cash-Flow in der Kasse ankommt, können die Unternehmen an die Anleger ausschütten. Gewinne, die rein buchhalterisch aus Regeländerungen stammen, zählen nicht dazu. Wer diese zur Basis für Dividenden nimmt, muss die Substanz seines Unternehmens angreifen. Immerhin haben sich „die Cash-Flows zuletzt verbessert“, aber im „Vergleich zu den Nettogewinnen hinken sie nach wie vor hinterher“, so Ralf Zimmermann, Analyst bei Sal. Oppenheim. So hat sich die Gewinnrendite, der Jahresüberschuss gemessen am Börsenwert, bei einem repräsentativen Korb mit Dax-Industriewerten seit Anfang 2001 auf aktuell neun Prozent mehr als verdoppelt. Die Rendite der operativen Cash-Flows für diesen Aktienkorb sei jedoch gegenüber 2001 unverändert, so Zimmermann.

Anleger, die nur auf das KGV achten, könnten deshalb in eine Falle laufen. Aktuell sind die 30 Unternehmen im Dax mit rund dem Zwölffachen ihrer geschätzten Jahresgewinne bewertet – das ist günstiger als im historischen Durchschnitt, der in den vergangenen 20 Jahren bei einem Wert von gut 15 lag. Gemessen an den Mittelzuflüssen nach Investitionen (freier Cash-Flow) sind die Dax-Werte jedoch keineswegs zu billig. Sie kosten im Schnitt den sechsfachen freien Mittelzufluss des laufenden Jahres – exakt so teuer waren die Dax-Unternehmen im jährlichen Durchschnitt seit 1988.

Wer auf Suche nach Papieren für die Langfristanlage ist, sollte deshalb wie die vielzitierten Heuschrecken agieren. Finanzinvestoren achten nicht auf das KGV, sondern vor allem darauf, ob sich ein Investment aus den Mittelzuflüssen des Unternehmens refinanzieren lässt. Die entscheidende Frage lautet: Welches Unternehmen hat nicht nur einen positiven Gewinntrend, sondern auch wachsende Mittelzuflüsse, die im Idealfall stärker zulegen als die Jahresüberschüsse? Welche Unternehmen müssen aus der Kasse nicht hohe Schulden bedienen, sondern können entweder kräftig investieren, eigene Aktien zurückkaufen oder hohe Dividenden zahlen?

Wie sich Cash-Flow-Rendite und Gewinnrendite entwickelt haben

Klarer Champion ist nach diesem Bewertungsansatz die Lufthansa. Gemessen am durchschnittlichen operativen Mittelzufluss der vergangenen fünf Jahre benötigt die Kölner Airline nur dreieinhalb Jahre, um ihren aktuellen Unternehmenswert (Börsenkapitalisierung plus Finanzschulden minus Kassenbestand) einzufliegen. Ein Aufkäufer hätte schon Ende 2011 seinen Einsatz wieder heraus, sollte die Lufthansa weiter ähnlich stabil Geld hereinholen. Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber macht jedenfalls Mut: „Das Rekordjahr 2007 soll keine Eintagsfliege bleiben.“

Auch die Gerüchte um eine Übernahme des Münchner Chip-Herstellers Infineon haben – gemessen an den Zahlen – Substanz. Binnen vier Jahren könnte eine Beteiligungsgesellschaft den Kaufpreis bereits wieder einspielen – sofern Infineon nicht in neue Werke und Anlagen fehlinvestiert.

In den roten Bereich rutscht dagegen ein gutes Drittel der 24 Industrieunternehmen im Dax. Beispiel SAP: Vor Jahresfrist erwartete Knut Woller von UniCredit in München, dass der Softwareriese nach eher schwächeren Jahren den Mittelzufluss „deutlich steigern“ werde. Zwar weist der Trend leicht nach oben, doch liegt SAP per saldo unter den hohen Erwartungen. Deshalb tritt auch der Aktienkurs auf der Stelle.

VW dagegen profitiert nicht nur vom Porsche-Einstieg und der damit verbundenen Aufkauffantasie. Der nackte Gewinn legte von 2003 auf 2007 deutlich um 3,1 Milliarden Euro zu. Den starken Kursanstieg der Aktie aber erklärt der binnen fünf Jahren nahezu verdoppelte operative Mittelzufluss besser: Er ist gleich um 7,3 Milliarden Euro nach oben gesprungen. Trotz der Kursverfünffachung seit 2005 zählt VW deshalb noch nicht zu den überteuerten Werten: Porsche könnte die zur Komplettübernahme noch fehlenden knapp 70 Prozent binnen sechs Jahren aus dem Cash-Flow der Wolfsburger bezahlen – vorausgesetzt, VW hält das Tempo.

Bei der Deutschen Börse dagegen liegt die Quote aus Unternehmenswert zu Cash- Flow bei 28. Das heißt, ein Aufkäufer müsste 28 Jahre warten, bis die Mittelzuflüsse auf Basis der Jahre 2003 bis 2007 den Unternehmenswert gedeckt haben. Dass die Börse die Zuflüsse demnächst vervielfachen könnte, ist eher unwahrscheinlich.

Hier ist also Vorsicht angesagt, die Suche nach einer Alternative könnte sich auszahlen. „Anleger sollten auch einen Vergleich zu den Renditen von Unternehmensanleihen ziehen“, rät Zimmermann von Sal. Oppenheim.

Unternehmen wie die Deutsche Telekom zahlen für lang laufende Anleihen über sechs Prozent Rendite. Mit diesen sicheren Papieren würden Investoren binnen 16 Jahren ihren Einsatz verdoppeln, mit Zinseszins sogar um das Zweieinhalbfache steigern.

Faustregel:  Bei 16 Jahren liegt die magische Grenze. Ist sie überschritten, braucht ein Unternehmen aller Voraussicht nach gut eineinhalb Jahrzehnte, um seinen Unternehmenswert durch operative Mittelzuflüsse hereinzuholen – Anleger sollten solche Aktien lieber meiden. Eine Anleihe ist dann meist die bessere Wahl – oder die Aktie eines Unternehmens, das seinen Wert deutlich schneller wieder einspielen könnte.

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