Wenn Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen Recht hat, klafft bei so gut wie jedem Deutschen eine gewaltige Lücke in seiner Altersvorsorge. Das größte Problem: Die bisher vorgestellten Vorsorgemodelle schließen die Rentenlücke wahrscheinlich auch nicht. Viele vermeintliche Rentenexperten raten deshalb zu Aktien. Annabel Oelmann, Leiterin der Gruppe Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, schränkt diesen Vorschlag jedoch etwas ein: "Aktien sind nicht das Allheilmittel", sagt sie. Als Beimischung fürs Depot zur Absicherung der Altersvorsorge können Wertpapiere laut ihr aber durchaus sinnvoll sein.
Wer sich jetzt entscheidet, sein Geld an der Börse anzulegen, läuft Gefahr, selbiges zu verlieren, wenn er sich nicht im Vorfeld genügend informiert. "Ich muss mir selbst eine Menge anlesen und zur Not einen unabhängigen Berater konsultieren", rät Oelmann. Sich nur auf den Rat der eigenen Hausbank zu verlassen, sei ein Fehler. Die meisten Kleinanleger, die bei der Verbraucherzentrale vorstellig werden, seien sehr sicherheitsorientiert, sagt Oelmann. Ihnen gehe es vor allem um den Bestand des Geldes, nicht um Rendite. So jemandem rate sie vom Wertpapierhandel ab. "Aktien sind nicht für alle geeignet", sagt Oelmann. Wer am Börsenhandel teilnehmen wolle, müsse ein gewisses Risiko akzeptieren können.
Sie erlebe oft, dass Verbraucher, die sich von ihrer Bank Aktien aufschwatzen ließen, keine Nacht mehr ruhig schliefen und bei kleinsten Abwärtsbewegungen Panikverkäufe tätigten. Bei solchen Fällen sind Aktien kein Garant für eine sichere und stabile Altersvorsorge. Wer an der Börse mitspielen möchte, braucht auch die Nerven dazu.
Grundsätzlich, so die Finanzexpertin, sind "Einzelaktien für die meisten nicht sinnvoll." Sie rät daher zu Aktienfonds, die in viele verschiedene Wertpapiere investieren, oder zu börsengehandelten Indexfonds, sogenannten ETFs. Gerade für diejenigen, die weniger als 5000 Euro investieren wollen, sind Fonds sinnvoll.
Was Börsenneulinge beachten müssen
Denn schließlich bringen Aktien und Aktienfonds auf lange Sicht im Schnitt eine bessere Rendite als andere Anlageprodukten. Bei einer auf zehn Jahre ausgelegten Strategie fällt in der Regel auch ein kurzfristiger Börsencrash nicht weiter ins Gewicht. Wer grundsätzlich günstig kauft und teuer verkauft, kann sich im Alter über ein nettes Finanzpolster freuen. Wer dagegen mit seinem Notgroschen spekuliert, kommt bei Kurseinbrüchen schnell in Bedrängnis.
10 Tipps für Börseneinsteiger
Bevor ein potentieller Anleger zum ersten Mal Aktien kauft, sollte er sich Gedanken darüber machen, welches Ziel er mit der Geldanlage verfolgt und für welchen Anlegertyp er sich hält. Wenn mit den Aktien später die Altersvorsorge aufgestockt oder das Studium der Kinder finanziert werden soll, muss an der Börse eine andere Taktik angewendet werden, als wenn es um kurzfristige Gewinne geht. Die grundlegende Frage ist: Sind Sie auf den Betrag angewiesen und investieren deshalb lieber mit möglichst geringem Risiko oder können Sie eventuelle Verluste verschmerzen und renditestärkere aber auch riskantere Papiere kaufen?
Wer die Frage nach der eigenen Risikoneigung mit "no risk, no fun!" beantwortet, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er zwar sehr viel gewinnen, aber auch sehr viel verlieren kann. Für den Anfang schadet es nicht, auf eine langfristige Strategie zu setzen und die Entwicklungen an den Märkten zu beobachten. Kleine Zockereien für den Nervenkitzel sind dann im Verlustfall besser zu verschmerzen. Nach dem Geckoschen Leitsatz "Greed is good" sollten Börsenneulinge nicht handeln.
Was eine Aktie ist und wie sie funktioniert, dürfte jedem klar sein. Wer sein Depot auch mit Anleihen und Zertifikaten füllen möchte, sollte nur in Produkte investieren, die er auch versteht. Wer nur auf die Renditeversprechen hört und Produkte kauft, deren Vor- und Nachteile, beziehungsweise Funktionsweisen er nicht begreift, fällt über kurz oder lang auf die Nase.
Bevor Sie ein Depot eröffnen, vergleichen Sie die Gebühren der Banken. Je höher die Gebühren sind, desto geringer fällt die Rendite nachher aus. Direktbanken haben im Regelfall günstige Konditionen und bieten kostenlose Depots an.
Anleger sollten ihr Geld - und damit auch ihr Risiko - zumindest am Anfang möglichst breit streuen. Verteilen Sie Ihr Geld auf verschiedene Märkte wie Rohstoffe und Energie, sowie auf Aktien, Fonds und Anleihen.
Wer seinem Portfolio Fonds oder Zertifikaten beimischt, sollte auch innerhalb dieser Anlageklassen auf eine gute Mischung achten. Fondsanbieter und deren Produkte lassen sich online schnell vergleichen. Wer nicht nur in ein oder zwei Gesellschaften investiert, ist auf der sicheren Seite.
Besonders wichtig ist, dass Sie sich Zeit nehmen für Ihre Geldanlage und Ihr Depot regelmäßig überprüfen: Welche Anlageinstrumente haben sich wie entwickelt? Ist es Zeit, das Depot umzuschichten, oder läuft alles in meinem Sinne?
Bei der Überprüfung des Depots sollte man sich immer mal wieder fragen: Würde ich diese Aktie oder diesen Fonds heute noch kaufen? Lautet die Antwort ja, behalten Sie das Produkt. Sind Sie von der Qualität nicht mehr überzeugt, wird es Zeit zum Verkauf.
Entwickelt sich eine Aktie oder ein sonstiges Produkt nicht so, wie geplant, sollten Sie nicht zögern, es zu verkaufen. Sogenannte Stopp-Loss-Orders, also Untergrenzen, bei denen verkauft werden soll, können hilfreich sein. Das bietet sich insbesondere dann an, wenn man den Kurs nicht permanent selbst im Auge behalten kann oder will.
Grundsätzlich gilt: Verlieren Sie nicht die Nerven. An der Börse gibt es Kursschwankungen, Aktienkurse können unerwartet einbrechen. Das sollte aber kein Grund sein, den Kopf zu verlieren. Panische und unüberlegte Deals kosten meist mehr Geld als die Abwärtstrends.
Wer also davon überzeugt ist, auch trotz Kursschwankungen keine Existenzängste beziehungsweise Alpträume zu bekommen, sollte sich für sein persönliches Debüt auf dem Parkett an ein paar wichtige Grundregeln halten:
- Informieren Sie sich im Vorfeld gründlich, wirklich gründlich, welche Anlageprodukte für Sie in Frage kommen und welche Risiken Sie damit eingehen. Börsenneulinge haben unter anderem die Möglichkeit, sich mittels zahlreicher Bücher zum Thema oder auch in Seminaren beispielsweise von der Frankfurter Börse, weiterzubilden
- Werden Sie sich im Vorfeld darüber klar, welches Risiko Sie tragen können und wollen, rät Oelmann von der Verbraucherzentrale. Und machen Sie sich klar: "Es gibt keine sichere, täglich verfügbare Geldanlage mit 20 Prozente Rendite", so Oelmann
- Kaufen Sie Aktien oder Fonds niemals auf Kredit: Bei fallenden Kursen ist die Kreditsicherung nicht mehr gegeben. Im schlimmsten Fall müssen Sie die Wertpapiere verkaufen und bleiben auf den Restschulden sitzen
- Investieren Sie nur, auf was sie in den kommenden Jahren verzichten können, also Geld, das Sie übrig haben, und keine Rücklagen für die Renovierung des Hauses oder Ähnliches
Kaufen Sie nur das, was Sie auch verstehen
Wie kommt man an Aktien?
Wer diese Grundsätze verinnerlicht hat, kann sich nun beispielsweise an seine Bank, seine Sparkasse oder einen Onlinebroker wenden, um in den Börsenhandel einzusteigen. Aktien direkt kaufen können nur Börsenhändler und Makler, Privatpersonen sind nicht zugelassen. Bevor Sie Wertpapiere kaufen, erstellt ihr Broker ein Profil von Ihnen: Anlageziele, Einkommen, Risikoneigung, Erfahrung. Banken sind darüber hinaus gemäß dem Wertpapierhandelsgesetz WpHG zu einer umfangreichen Aufklärung über Chancen und Risiken verpflichtet. Wenn Sie sich für verschiedene Anlageprodukte entschieden haben, erstellt der jeweilige Anlageberater Ihre Order, sprich Ihren Kaufauftrag und gibt diesen an einen Börsenhändler weiter. Die Aktien beziehungsweise Anlageprodukte landen dann in einem eigens dafür eingerichteten Depot, einem Konto nur für Finanzprodukte.
Gebühren beachten
Eine gedruckte Aktie bekommt allerdings niemand ausgestellt, Anleger müssen sich mit der Kaufbestätigung zufrieden geben. Bei der Wahl der Bank, die das Depot verwaltet, sollte der Verbraucher immer auch die Gebühren im Auge behalten, empfiehlt Oelmann. Depotgebühren fallen in der Regel jährlich an. Hinzu kommen Ordergebühren pro gekaufter Aktie beziehungsweise pro Fonds. Eine Provision bekommen der Börsenmakler und das jeweilige Kreditinstitut immer, egal, wie viel Sie investieren. Ansonsten orientiert sich die Höhe der Provision am Kurswert.
Wichtige Handelsplätze
Grundsätzlich gibt es für jedes Handelsgut einen speziellen Handelsplatz. Während an dem einen Markt Rohstoffe gehandelt werden, sind es am nächsten Aktien, am nächsten Derivate und so weiter. Das ermöglicht es den Investoren, die geeigneten Anbieter zu finden und umgekehrt, außerdem lassen sich so die Preise der Angebote auf einen Blick vergleichen.
Die wichtigsten Handelsplätze in Deutschland sind:
- Frankfurter Wertpapierbörse mit ihren elektronischen Handelsplattformen Xetra (Aktien) und Eurex (Futures und Optionen). Über die Xetra werden rund 80 Prozent der Deals in Deutschland abgewickelt
- Börse Stuttgart (Derivate und Zertifikate)
- Wertpapierbörsen Hamburg und Hannover (Fondshandel)
- Berliner Börse (festverzinsliche Wertpapiere)
- Börse Düsseldorf (DAX-Werte ohne Spread, Fondshandel ohne Ausgabeaufschlag)
- Börse München (Aktien, Renten und Fonds, spezielles mittelständisches Börsensegment M:access)
Wie es zu Kursschwankungen kommt und wie man sich absichert
Wenn sich nun an diesen speziellen Handelsplätzen Investoren und Makler - indirekt, nicht physisch - treffen, entstehen die Preise für einzelne Papiere. Sie resultieren aus dem, was der Anleger bereit ist zu zahlen, und dem, was der Anbieter für das Finanzprodukt haben möchte. Durch diese ständigen digitalen Absprachen kommt es zu den vielzitierten Kursschwankungen. Wenn eine Aktie morgens noch jedermanns Liebling ist, ist das Papier entsprechend teuer. Das kann sich im Laufe des Tages aber auch ins Gegenteil verkehren - der Kurs rauscht in den Keller. Wer nicht den ganzen Tag damit zubringen möchte, den Kurs seiner Aktie zu beobachten, kann bei Order spezielle Verkaufsgrenzen einrichten, sogenannte Stoppkurse. Diese gibt es sowohl nach unten als auch nach oben.
Wer etwa ein Wertpapier zu 15 Euro kauft, kann also bestimmen, dass das Papier zum nächstbesten Kurs verkauft wird, beispielsweise sobald sie weniger als zehn Euro wert ist. Diese zehn Euro wären der sogenannte Stoppkurs, den entsprechenden Auftrag nennt man Stop-Loss-Order.
Wichtige Börsenbegriffe
Es geht aber auch in die andere Richtung. So kann der Börsianer beim geplanten Kauf einer Aktie auch per Limit festlegen, ab welchem Kursniveau (Stop-Buy) er eine Aktie kaufen will. Die Broker bieten hier mittlerweile vielfältige Ordermöglichkeiten an.
Weitere wichtige Börsenbegriffe sind:
- Anleihe: Anders als bei der Aktie wird der Anleihenkäufer nicht Teilhaber des Unternehmens (im Wert der Aktie), sondern leiht dem Unternehmen Geld zu einem festen Zinssatz
- Ask: das Angebot, also der Kurs, zu dem ein Papier gekauft werden kann
- Außerbörslicher Handel: Bei dieser Form des Wertpapierhandels tätigen vor allem institutionelle Anleger, also Banken, Investmentgesellschaften und Versicherer, ihre Geschäfte. Dies geschieht außerhalb der regulären Börsenzeiten (vor- oder nachbörslich)
- Baisse: Die Baisse oder Bärenmarkt ist das Gegenteil der Hausse und steht für eine negative Entwicklung, also fallende Kurse
- Bid: die Nachfrage, sprich: der Kurs, zu dem verkauft werden kann
- Cashflow: Der Cashflow eines Unternehmens setzt sich zusammen aus dem Jahresüberschuss, den Abschreibungen, den Veränderungen bei langfristigen Rückstellungen und den Veränderungen bei Rücklagen. Mittels des Cashflows wird die Finanzkraft eines Unternehmens bestimmt.
- Dax: Der Deutsche Aktienindex (DAX) umfasst die 30 größten deutschen börsennotierten Unternehmen und wird von der Deutschen Börse AG ermittelt. Die Kriterien, mit denen die Unternehmen bewertet werden, sind der Börsenumsatz oder Turnover und die Marktkapitalisierung nach Streubesitz
- Hausse: Die Hausse oder auch Bullenmarkt steht für anhaltend steigende Kurse
- KGV: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist eine Kennzahl zur Beurteilung von Aktien. Die Formel zur Berechnung des KGV lautet Kurs der Aktie geteilt durch Gewinn pro Aktie. Beträgt der Kurs 100 und der Gewinn 20 Euro, wäre das KGV gleich fünf. Das bedeutet, dass das Unternehmen, das die Aktien ausgibt, fünf Jahre braucht, bis es den Aktienwert als Gewinn erwirtschaftet hat. Dementsprechend gut ist ein niedriges KGV.
Zum Schluss sollten Anleger noch bedenken, dass Kapitalerträge seit 2009 mit der Abgeltungssteuer belegt werden. Seit dem werden auf Kursgewinne und Zinserträge 25 Prozent Steuern fällig. Da die Abgeltungssteuer eine sogenannte Quellsteuer ist, kommen die 25 Prozent gar nicht mehr beim Investoren an: Banken und Sparkassen zwacken die Abgeltungssteuer direkt von den Kapitalerträgen ab und geben sie an das zuständige Finanzamt weiter. Ein kleiner Vorteil hierdurch: Der Anleger muss seine Einkünfte aus Börsengeschäften nicht mehr in der Steuererklärung angeben. Seine Steuerschuld ist abgegolten.