Brüder Mannesmann Wie der Werkzeughändler das Geld der Aktionäre vernichtet

Der stocksolide Werkzeug- und Armaturenhändler wurde nach dem Börsengang heruntergewirtschaftet. Leidtragende sind die Aktionäre. Warum möglicherweise sogar ein Delisting droht.

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Firmensitz der AG in Remscheid: Beteiligungen unter einem Dach. Quelle: Christian Gogolon für WirtschaftsWoche

Gut 15.000 Euro hatte Ludwig N. (Name geändert) in Aktien der Remscheider Brüder Mannesmann AG investiert. Beim Börsengang des Werkzeughändlers vor 18 Jahren zahlte er 19 D-Mark je Aktie, stockte später auf, verkaufte einige wieder. Rund 1.000 Stück hält er noch, die sind knapp 800 Euro wert, lassen sich mangels Nachfrage nur schwer verkaufen. „Mein Geld habe ich abgeschrieben“, sagt er heute. Wie Ludwig N. dürfte es vielen Privatanlegern gehen, 69 Prozent der Brüder-Mannesmann-Anteile befinden sich im Streubesitz.

Warum kauften Anleger die Aktie beim Börsengang 1996? Der große Name Mannesmann spielte eine Rolle, die lange Historie, wohl auch eine gehörige Portion Lokalpatriotismus. Brüder der berühmten Mannesmann-Röhrenwerk-Gründer hatten in der Firma ab 1931 Schellen für Wasserleitungen produziert. „Dieses Unternehmen ist in Remscheid eine Institution erster Güte“, sagt Klaus Mathies, Werkzeugunternehmer aus dem Bergischen. „Die Personen selbst genießen einen außerordentlich positiven Ruf.“

Welche Aktien Investoren verschmähen
Rang 10: Fielmann (36,8 Prozent der Analysten raten zum Verkauf)Der Brillenhändler Fielmann wächst weiter: Nach einem Gewinnanstieg in den ersten sechs Monaten blickt das Unternehmen auch weiter zuversichtlich auf das Gesamtjahr. Ganz so begeistert zeigten sich die Analysten jedoch nicht: 36,8 Prozent aller Analysten, die die Aktie beobachten, raten zum Verkauf. Damit gehört die Fielmann-Aktie zu den zehn unbeliebtesten deutschen Aktien unter Analysten. Die Privatbank Hauck & Aufhäuser begründete ihre Verkaufsempfehlung damit, das die Erwartungen leicht verfehlt wurden. Außerdem verliere das Wachstum des Unternehmens an Schwung und der Jahresausblick sei nur vage ausgefallen.Marktkapitalisierung: 4,1 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 19Analysten, die zum Verkauf raten: 7Zur Auswertung: Berücksichtigt wurden nur deutsche Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mindestens einer Milliarde Euro. Außerdem sollte die Aktie mindestens von zehn Analysten beobachtet werden. Quelle: dpa
Rang 9: MAN (39,1 Prozent)Die schwache Wirtschaftsentwicklung im einstigen Boomland Brasilien macht dem Lastwagen- und Maschinenbauer MAN schwer zu schaffen. Weil das Geschäft im größten Markt Lateinamerikas auch im vergangenen Quartal um 17 Prozent einbrach, schraubte MAN-Chef Georg Pachta-Reyhofen seine Umsatzerwartungen für den gesamten Konzern zurück.Auch die Analysten sind nicht besonders optimistisch für die MAN-Aktie: Fast 40 Prozent aller Analysten, die die Aktie beobachten, raten die Aktie zu verkaufen. Marktkapitalisierung: 13,2 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 23Analysten, die zum Verkauf raten: 9 Quelle: dpa
Rang 8: Puma (40,7 Prozent)Der Sportartikelhersteller hat es nicht leicht. Die Gewinne des Konzerns sind im zweiten Quartal trotz des Fußballfests in Brasilien um 76 Prozent eingebrochen, der Sportausrüster machte lediglich einen Überschuss von 4,2 Millionen Euro. Auch der operative Gewinn (Ebit) knickte deutlich ein: Dort musste Puma ein Minus von 60 Prozent verbuchen. Die Aktie ist dementsprechend ein Trauerspiel. 40,7 Prozent aller Analysten, die die Aktie beobachten, raten diese zu verkaufen.Ein Grund, warum Analyst William Hutchings von Goldman Sachs rät die Aktie zu verkaufen: Der Gewinn je Aktie werde noch geringer ausfallen als erwartet – außerdem sei die Onlinestrategie des Konzerns nicht überzeugend.Marktkapitalisierung: 2,9 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 28Analysten, die zum Verkauf raten: 11 Quelle: dpa
Rang 7: Südzucker (42,1 Prozent)In rund drei Jahren, im Herbst 2017, brechen für die Branche in Europa neue Zeiten an, da die EU-Zuckermarktordnung endet und die bisher preisstützenden Angebotsregulierungen wegbrechen. Der deutsche Zuckerhersteller Südzucker dürfte damit noch vor großen Umbrüchen stehen. Die Aktie ist kein Augenschmaus: 2013 stieg sie in ungeahnte Höhen, um danach wieder abzustürzen. Goldman Sachs begründet seine Verkaufsempfehlung unter anderem mit stärkerem Gegenwind im zweiten Geschäftshalbjahr. Insgesamt raten 42 Prozent der beobachtenden Analysten zum Verkauf der Aktie.Marktkapitalisierung: 2,7 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 19Analysten, die zum Verkauf raten: 8 Quelle: dpa
Rang 6: RWE (47,2 Prozent)RWE machen (wie anderen Stromversorgern) die gefallenen Strom-Großhandelspreise zu schaffen. Diese purzeln wegen der Überkapazitäten in Europa und der zunehmenden Konkurrenz durch den staatlich geförderten Ökostrom. RWE klagt zudem als einziger Versorger gegen das Atommoratorium. RWE musste im vergangenen Geschäftsjahr Milliardenabschreibungen auf seine Kraftwerke vornehmen.Der deutsche Strommarkt werde noch für längere Zeit schwierig bleiben, schreibt Analystin Tanja Markloff von der Commerzbank in ihrer Studie. Daher habe sie ihre Ergebnis- und Dividendenschätzungen für 2014 bis 2017 gesenkt. Da im aktuellen Kursniveau bereits viele Hoffnungen eingepreist seien, ergebe sich Spielraum für Enttäuschungen.Marktkapitalisierung: 17,8 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 36Analysten, die zum Verkauf raten: 17 Quelle: REUTERS
Rang 5: ElringKlinger (50 Prozent)Die Aktie des Autozulieferers ElringKlinger ist seit Jahren auf Erfolgskurs und hat sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre mehr als verdoppelt. Zuletzt geriet die Aktie jedoch unter Druck. Der Autozulieferer habe im zweiten Quartal zwar die Erwartungen erfüllt, schrieb Analyst Tim Schuldt. Allerdings konnte trotz starkem Umsatzwachstum nur ein geringer Gewinnanstieg erreicht werden. Die Hälfte aller beobachtenden Analysten rät die Aktie zu verkaufen.Marktkapitalisierung: 1,6 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 22Analysten, die zum Verkauf raten: 11 Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 4: Wacker Chemie (54,2 Prozent)Der Spezialchemiekonzern Wacker kämpft sich Stück für Stück aus der Solarkrise. Im abgelaufenen Quartal konnte der auf Silizium- und Silikonprodukte spezialisierte Konzern seinen Überschuss binnen Jahresfrist auf 29,4 Millionen Euro annähernd verdoppeln. Wacker verdiente zudem mehr als Analysten im Schnitt erwartet hatten. Trotzdem rät mehr als die Hälfte aller beobachtenden Analysten zum Verkauf der Aktie.So begründet Andrew Benson von der Citigroup seine Verkaufsempfehlung mit der Sommerflaute, die ihn bezüglich des zweiten Halbjahres skeptisch stimme.Marktkapitalisierung: 4,7 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 24Analysten, die zum Verkauf raten: 13 Quelle: dpa

„Die Personen“: Das sind Aufsichtsratschef Reinhard Mannesmann, ein echter Nachfahre, vor allem aber zwei Brüder Schafstein, die die Geschäfte führen. Mit unheilvollen Konsequenzen für Aktionäre.

Das Unternehmen ist ein Musterbeispiel dafür, dass Aktionäre nicht nur mit windigen Internet-Start-ups, sondern auch mit auf den ersten Blick stocksoliden Mittelständlern ihr Geld verlieren können. Die Firma muss nur lange genug heruntergewirtschaftet werden. 1,3 Millionen Euro Verlust machte das Unternehmen 2013, die Schafsteins zahlten zuletzt im Jahr 2007 und 2008 eine Dividende. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz setzte die Brüder Mannesmann AG bereits zwei Mal auf die Liste der größten Kapitalvernichter Deutschlands. Wie konnte es so weit kommen?

Brüder Mannesmann ist eine Holding, die über fünf Tochterfirmen Werkzeuge und Armaturen handelt. Das Werkzeug verkauft zum Beispiel der Discounter Lidl.

Lieber woanders unterwegs

Die Firmenleitung scheint sich für das Geschäft kaum noch zu interessieren. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder engagieren sich nebenher entweder als Geschäftsführer oder als Gesellschafter in anderen Unternehmen, die laut Registerauskunft vor allem im Armaturen- und Sanitärgeschäft operieren, einer Kernbranche auch der Brüder Mannesmann AG. „Es kann doch nicht angehen, dass die hoch bezahlten Herrschaften dem Unternehmen, das uns Aktionären gehört, einfach Konkurrenz machen“, sagt Ludwig N. In der Schweiz haben oder hatten Reinhard Mannesmann sowie Jürgen und Bernd Schafstein weitere Gesellschaften. Offengelegt werden die Namen der Unternehmen den Mannesmann-Aktionären nicht. Laut Aktiengesetz sind solche Neben-Engagements nur mit einer Genehmigung des Aufsichtsrats möglich.

Aktienkurs seit Börsensart. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Der börsennotierte Konzern, so scheint es, dient vor allem als Versorgungsbetrieb für die eigene Sippe. Der Vorstand wollte das nicht kommentieren. Aber es gibt eine Reihe von Hinweisen.

- Die Brüder Jürgen und Bernd Schafstein leiten die Geschäftsführung der AG. Jürgen Schafstein besitzt als Vorstandsvorsitzender 16,7 Prozent der Aktien, sein Bruder Bernd hält 8 Prozent.

- Der dritte im Bunde ist Frank Schafstein, der im Aufsichtsrat sitzt. Anleger fragen: Wie objektiv können sich Brüder kontrollieren? Der Vorstand sagt, ein verwandtschaftliches Verhältnis bedeute nicht, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht als unabhängig anzusehen ist. Analyst Matthias Wahler, der Aktionäre auf Hauptversammlungen vertritt, sagt, er habe schon viele Vorstände erlebt, „aber das ist der Gipfel: Die werden richtig laut, wenn Aktionäre kritische Fragen stellen“.

- Reinhard Mannesmann sitzt als Vorsitzender im Aufsichtsrat.

- Nicole Schafstein-Coen war bis 2013 Mitglied des Aufsichtsrats. Sie hält 7,6 Prozent der Aktien.

- Ihr Mann, Heiner Coen, leitete bis 2013 die Geschäfte der Saltus Werke Max Forst, einem Werkzeughersteller, an dem Jürgen Schafstein als Gesellschafter beteiligt war. 2012 hielt Coen knapp 2000 Aktien der Brüder Mannesmann AG.

Auf Distanz bei den Aktionären

Bis 2012 notierte der Remscheider Traditionsbetrieb im Prime Standard der Deutschen Börse in Frankfurt. Das ist erste Liga in Sachen Transparenz, Quartalsberichte sind Pflicht – auch die Dax-Konzerne notieren hier. Mittlerweile sind die Brüder Mannesmann in den weitgehend unregulierten Freiverkehr gewechselt, ins Mittelstandssegment m:access nach München.

Die größten Anlegerskandale
InfinusAnlagebetrug im großen Stil wird der Dresdener Finanzgruppe Infinus vorgeworfen. Das Unternehmen soll 25.000 Anleger um ihr Geld gebracht haben. Summe: 400 Millionen Euro. Acht Infinus-Mitarbeiter sollen so genannten Orderschuldverschreibungen mit falschen Angaben zum Vermögen und Erträgen von Emittenten ausgegeben haben, gegen sie ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Bild: Infinus Hauptsitz. Quelle: dpa
Ordnerschuldverschreibungen sind Wertpapiere, bei denen sich ein Schuldner verpflichtet, an einen namentlich genannten Gläubiger zu zahlen. Die Forderung ist übertragbar. Die Anlageform gilt als riskant, weil es kein Einlagesicherungssystem vorsieht, das die Anleger vor Totalverlust schützt. Nun prüft die Staatsanwaltschaft, ob es sich um ein Schneeballsystem gehandelt habe. Dabei werden Zahlungen an Anleger durch die Einlagen von Neukunden finanziert. Quelle: dpa
Infinus wurde 2002 in Dresden gegründet und wuchs seitdem rasant. Nach eigenen Angaben hat der Finanzdienstleister im vergangenen Jahr einen Umsatz von knapp 22 Millionen Euro erzielt - das entspricht einem Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das verwaltete Vermögen stieg sogar um 47 Prozent auf 820 Millionen Euro, wie das Unternehmen mitteilte. Es ist nicht der einzige Finanzdienstleister, dem die Anleger misstrauen können…Bild: Firmensitz in Dresden. Quelle: dpa
S&KSaga und schreibe 85 Verdächtige und eine 20.000 Seiten dicke Verfahrensakte kann der durch eine bundesweite Großrazzia Februar 2013 bekannt gewordene Skandal um die S&K-Gruppe vorweisen. Die Frankfurter Immobiliengruppe könnte – ähnlich wie der Verdacht bei Infinus – die Anleger mittels eines Schneeball-Systems geprellt haben. Das Geld der Neuanleger sollen S&K-Mitarbeiter nicht investiert, sondern an alte Gläubiger ausgeschüttet haben. Der Schaden bewege sich in dreistelliger Millionenhöhe, schätzen Ermittler. Ob für die Investoren noch etwas zu holen ist, ist fraglich. Allerdings hat das zuständige Frankfurter Amtsgericht zumindest im Fall eines Privatanlegers entschieden, dass dieser mittels eines „Dinglichen Arrest“ in das von der Staatsanwaltschaft sichergestellte Vermögen hineinvollstrecken könne. Quelle: dpa
Eine Liste der beschlagnahmten Dinge ist im Bundesanzeiger veröffentlicht: Drei Rolex, Goldbaren, Motorräder – Die S&K-Chefs Jonas Köller und Stephan Schäfer waren nicht gerade für ihren bescheidenen Lebensstil bekannt. Für eine seiner Veranstaltungen mietete Köller gar einen Elefanten. Die Gelder der Anleger sollen die Firmenchefs laut Staatsanwaltschaft veruntreut haben, um ihren exzessiven Lebensstil zu finanzieren. Weniger glamourös ergeht es den beiden nun: Im September stürzte Stephan Schäfer mit Handschellen gefesselt aus dem ersten Stock im Gebäude des Frankfurter Landgerichts. Der 34-Jährige zog sich schwere Verletzungen zu. Foto: Stephan Schäfer und Jonas Köller mit Partygästen.
Wölbern InvestNoch vor wenigen Monaten galt Wölbern Invest vielen Anlegern noch als eine gute Adresse: Auf seiner Homepage verkaufte sich die Hamburger Gesellschaft als ein „traditionelles Emissionshaus“, das „konservativ kalkulierte geschlossene Fonds“ für Private Equity und Immobilien initiiere. 30 geschlossene Fonds verwaltet das Haus. Gegen den Geschäftsführer Heinrich Maria Schulte ermittelt nun die Hamburger Staatsanwaltschaft – wegen Untreue in mehr als 300 Fällen. Schulte soll 137 Millionen Euro an Anlegergeldern aus den Fonds abgezweigt haben. Bereits im April dieses Jahres wurde Schulte deswegen verhaftet. Zu den Vorwürfen wollte er sich nicht äußern.Foto: Heinrich Maria Schulte Inhaber und Geschäftsführer von Wölbern Quelle: Presse
WGF71 Millionen Euro Bilanzverlust zwangen die Düsseldorfer Immobilienfirma WGF 2012 in die Insolvenz. Ihre Immobilienkäufe und Projekte finanzierte das Unternehmen über Hypothekenanleihen. Zinsen: 6,35 Prozent Zinsen. Zwischen Dezember 2012 und Juli 2017 hätte die WGF Anleihen im Volumen von 194,9 Millionen Euro zurückzahlen müssen. Die spannende Frage vieler Anleger lautet nun, ob die Firma auch insolvent ihre Schulden bedienen kann. Die Insolvenz betreibt die Immobilienfirma in Eigenregie: Anders als bei der Regelinsolvenz bleibt der Vorstand im Amt. Zwischen ihm und den Anwälten der Gläubiger fliegen derzeit die Fetzen. Tritt ein Insolvenzplan in Kraft, können Anleger damit rechnen, zwischen 44 und 60 Prozent ihres Geldes zurückzubekommen. Wird dieser abgelehnt und die Gesellschaft zerschlagen, wären das rund 19 Prozent. Für Unmut sorgte auch die Erfolgsbeteiligung im Falle eines Insolvenzplans der des WGF-Vorstandschefs Bernd Deppin sowie des Beraters der Firma, Arno Hasenhorst.Bild: WGF-Vorstand Pino Sergio. Quelle: Presse

Unterlagen zur Geschäftslage gibt es nur noch digital, und die mit großer Verspätung: Der Geschäftsbericht 2013 sollte im Juli veröffentlicht werden, kam dann erst Ende August. Das Ergebnis vor Steuern und außerordentlichen Erträgen lag 2013 mit 3,5 Millionen Euro im Minus, nach über fünf Millionen Verlust im Vorjahr. Anleger erhalten außer dem Geschäftsbericht und einem spärlichen Halbjahresbericht keine weiteren Nachrichten mehr von ihrem Unternehmen. Die letzte Ad-hoc-Meldung stammt vom 7. Dezember 2012; im Freiverkehr sind die Meldungen nicht mehr nötig.

Größter Kritikpunkt vieler Anleger sind die Bezüge des Vorstands. Jürgen und Bernd Schafstein erhielten 2013 zusammen 1,2 Millionen Euro, wie auch in den Vorjahren. Das „Schwarzbuch Börse“ der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger titelte dementsprechend schon 2011: „Brüder Mannesmann als Versorgungsbetrieb für den Vorstand?“ Zum Vergleich: Der Börsenwert des Konzerns liegt bei rund 2,5 Millionen Euro. Der Vorstand erklärt, das Vergütungssystem der Brüder Mannesmann Gruppe halte einem vertikalen und horizontalen Vergleich stand.

Nebenbeschäftigungen

Die Holding besitzt laut Geschäftsbericht offiziell fünf Tochtergesellschaften. Operativ sind die Brüder Mannesmann Werkzeuge GmbH und Schwietzke Armaturen GmbH ausschlaggebend. Diese agieren mit eigenen Töchtern. Doch im Umfeld der AG existieren Unternehmen und Vermögensverwaltungen, die Anlegern im Geschäftsbericht nur als „andere nahestehende Unternehmen“ präsentiert werden. Schafstein-Beteiligungen residieren sogar unter dem Dach des Konzernsitzes in der Lempstraße in Remscheid.

Eine dieser Firmen ist die Prosperas GmbH. Seit Anfang des Jahres ist Jürgen Schafstein dort Gesellschafter und Geschäftsführer. Die Firma handelt laut Unternehmensregister mit Waren und Teilen für die Fabrikation von Metall- und Kunststoffarmaturen. Ein Kernsektor der Brüder Mannesmann AG. Auf der Internet-Seite von Prosperas prangt bisher nur ein Firmenlogo, zum operativen Geschäft oder zu Mitarbeitern gibt es keine Informationen. Der Vorstand der Brüder Mannesmann erklärt, dass Prosperas sich nie mit einem Armaturengeschäft beschäftigt habe. Ein Konkurrenzverhältnis zur AG bestehe nicht und habe nicht bestanden. Fragen wirft auch die Brüder Mannesmann TEC GmbH auf, die nicht zur AG gehört. Laut Handelsregister soll sie im Fotovoltaiksektor tätig sein und mit Öl handeln. Die Geschäfte führen Jürgen und Bernd Schafstein gemeinsam mit Nicole Schafstein-Coen. Der Firmensitz dieses Energieunternehmens liegt mitten in der Kölner Einkaufszone in einem Mehrparteienhaus, ein Klingelschild für Mannesmann TEC fehlt. Dafür gibt es eine Klingel für die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer von W+St. Mitarbeiter dieser Beratungsgruppe prüften in den Jahren 1998 bis 2000 auch die Abschlüsse der Brüder Mannesmann AG. W+St konnte aufgrund von Verschwiegenheitsverpflichtungen eine Beziehung zur TEC GmbH weder bestätigen noch dementieren.

Insolvenz verschleppt?

Zwei Immobilien von Jürgen und Bernd Schafstein tauchen in einem Dokument der Wirtschaftsauskunft Bürgel zur Brüder Mannesmann TEC GmbH als Immobilienbesitz auf. Dies könnte darauf hindeuten, dass ihre Häuser in Remscheid über die TEC finanziert wurden oder die TEC dort mietet. Der Vorstand sagt, er könne diese Mutmaßungen nicht bestätigen.

Zudem könnte die AG Geschäfte mit der TEC verschränkt haben, ohne den Aktionären davon zu berichten: Herbert Spelz gab bis Anfang August im Karrierenetzwerk Xing an, sowohl als Exportleiter und Prokurist für die Brüder Mannesmann Werkzeug GmbH (Tochter der AG) zu arbeiten – und als Beirat der Vertriebsleitung Brüder Mannesmann TEC Aserbaidschan. Mittlerweile ist der TEC-Zusatz bei Xing gelöscht. Der Konzern bestätigt, dass Spelz in Vollzeit für die Werkzeuge GmbH arbeitet. Für die TEC sei er nie tätig gewesen.

von Annina Reimann, Melanie Bergermann, Heike Schwerdtfeger

Gewinn abgeführt, dann Pleite

Im vergangenen Jahr sorgte die S+S Armaturen für Schlagzeilen. Das Unternehmen aus einem Nachbarort von Remscheid wurde aufgelöst – für die Mitarbeiter völlig überraschend. Reinhard Mannesmann, der dort die Geschäfte führte, sei verschwunden, schrieb der „Kölner Stadtanzeiger“. Mitarbeiter beklagten, sie hätten über Monate nur unregelmäßig ihr Gehalt bekommen. Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet. Neben Mannesmann als Geschäftsführer war auch Jürgen Schafstein über seine Deutsche Armaturen GmbH als Gesellschafter dort beteiligt. Nicht zu verwechseln mit der ehemaligen Konzernbeteiligung Deutsche Armaturen AG. Über einen Abführungsvertrag erhielt seine GmbH die Gewinne der S+S Armaturen – eines Unternehmens, das ähnliche Geschäfte macht wie die Brüder Mannesmann AG. 2011 betrug der Jahresüberschuss der Deutschen Armaturen GmbH fast neun Millionen Euro – im gleichen Jahr machte die Brüder Mannesmann AG, der Hauptarbeitgeber von Jürgen Schafstein, dagegen knapp eine Million Euro minus. Im Januar 2014 wurde die Deutsche Armaturen GmbH aus dem Handelsregister gelöscht und unter neuem Namen in Berlin angemeldet. Jürgen Schafstein war einige Monate zuvor ausgeschieden.

Auch Reinhard Mannesmann als Geschäftsführer war vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschieden. Insolvenzverwalter Carsten Koch konnte bis heute nicht mit ihm sprechen. Dafür habe er „mindestens einmal mit allen weiteren beteiligten Personen am Tisch gesessen“, sagt Koch. Dazu gehört auch Jürgen Schafstein.

Dem Insolvenzverwalter fehlen Unterlagen zu den Geschäftstätigkeiten der S+S Armaturen GmbH, die sich „mithilfe der Staatsanwaltschaft“ langsam vervollständigen, sagt Koch. Wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung wurde gegen Reinhard Mannesmann, Jürgen Schafstein und einen Prokuristen ein Strafverfahren eröffnet. Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Organe der Brüder Mannesmann AG hätten bisher keine Mitteilung einer Staatsanwaltschaft erhalten, dass gegen sie wegen Insolvenzverschleppung ermittelt werde, teilt der Vorstand mit.

Überschulden statt sanieren

Von einem gesunden Mittelständler kann bei den Brüdern Mannesmann keine Rede sein: die Eigenkapitalquote lag 2013 bei nur 5,8 Prozent. Zum Vergleich: im Schnitt erreichten deutsche Mittelständler 2012 eine Quote von 21 Prozent. Hinweise darauf, wo das Geld der Brüder-Mannesmann-Aktionäre versickerte, gibt es einige.

- Auslandsgeschäfte: In den Niederlanden operiert die Brüder Mannesmann mit einer Werkzeugtochter. Seit 2011 fließt ordentlich Geld aus dem Unternehmen mit sechs Mitarbeitern: Die liquiden Mittel- sanken von knapp 127.000 Euro auf 432 Euro im Jahr 2013. Die Bilanzsumme halbierte sich von etwas über 1,1 Millionen auf 550.000 Euro im gleichen Zeitraum.

Auch ein Markteintritt in Russland 2007 scheiterte: Die Beteiligung an der O.O.O. Mannesmann Instrument wurde zunächst mit einem Darlehen zu günstigen Zinsen von einem Prozent pro Jahr unterstützt.

Als es teurer wurde als erwartet, veräußerte der Konzern die Beteiligung einige Jahre später wieder und schrieb für das Russlandgeschäft fast 2,5 Millionen Euro ab. Die Konzerntochter Schwietzke gibt O.O.O. auch heute noch als Moskau-Büro auf ihrer Internet-Seite an.

- Einkaufsorgie. „Der Zukauf der vielen Unternehmen war ziemlich bedenklich“, sagt Unternehmer Mathies, der den Schafsteins sonst wohlgesinnt ist. Nach dem Börsengang der Brüder Mannesmann AG expandierten die Remscheider. Im Geschäftsbericht 1998 schreiben die Brüder Schafstein von 15 zugekauften Unternehmen – die Zukäufe hätten umgerechnet 198 Millionen Euro zum Konzernumsatz beigetragen. Der lag damals noch bei umgerechnet gut 260 Millionen Euro und schrumpfte auf 64 Millionen 2013. Die meisten Zukäufe wurden unter der ehemaligen Deutschen Armaturen AG in die Brüder Mannesmann AG eingegliedert. 2001 mussten Jürgen, Bernd und Frank Schafstein aber eingestehen, dass die Deutsche Armaturen mit Verlusten und Liquiditätsproblemen zu kämpfen hatte. Ein geplanter Börsengang platzte.

- Zockereien. Auf der Hauptversammlung 2012 verlangte Aktionär Götz Burkhard Auskunft über die Finanzmarktgeschäfte des Konzerns. Welche Derivate mit spekulativem Charakter vom Vorstand gekauft wurden, wollte Burkhard laut Protokoll wissen. Es handele sich um Bonuszertifikate einer Bank, die bereits in Aktien umgewandelt wurden, antwortete damals Jürgen Schafstein. Der Kurs der Aktien sei etwa ausgeglichen mit dem Kaufpreis der einstigen Bonuszertifikate, fügte er hinzu. Ein Jahr später, im Geschäftsbericht 2012, musste die Brüder Mannesmann AG 3,5 Millionen Euro auf Wertpapiere im Umlaufvermögen abschreiben.

Delisting als trauriges Finale

Aktionäre sehen für die Zukunft der Traditionsfirma schwarz. Da die Schafsteins in den nächsten Jahren in Pension gehen dürften, fürchten sie zudem, dass vorher noch mehr Geld aus dem Konzern fließt und die AG dann von der Börse genommen wird. Nach einem neuen Delisting-Urteil des Bundesgerichtshofs ist das ohne Weiteres möglich, die Marseille Kliniken haben das schon vorgemacht.

So weit will es Aktionär Ludwig N. nicht kommen lassen. Im vergangenen Jahr schrieb er einen Brief an seinen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schafstein. Er wollte Gründe für das hohe Gehalt, die gescheiterten Beteiligungen, den Familienklüngel. Auf eine Antwort wartet er bis heute.

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