Dax-Umfrage Privatanleger lösen die Handbremse

Auf die Rally seit Ende August haben Privatanleger zunächst zurückhaltend reagiert und sich von Beginn an stark gegen mögliche Kursverluste abgesichert. Doch nun wandelt sich das Bild. Was das für den Dax bedeutet.

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Düsseldorf „Die Rally kann nicht ewig weiterlaufen“, meinte Börsenexperte Stephan Heibel am vergangenen Montag nach Auswertung der Handelsblatt-Umfrage „Dax-Sentiment“. Denn es herrschte vor einer Woche Champagnerlaune unter den Anlegern: Alle wollten bei der aktuellen Rally dabei sein. Doch die Indikatoren der Erhebung zeigten vor sieben Tagen seiner Ansicht nach, dass der deutsche Leitindex einer Verschnaufpause näher sei als einem weiteren Anstieg um zwei Prozent.

Das Ergebnis der vergangenen Handelswoche: Die Frankfurter Benchmark bewegte sich bei extrem niedriger Schwankungsbreite (Volatilität) knapp unter 13.000 Punkten seitwärts und schloss am Freitag mit einem Mini-Plus von 0,3 Prozent bei 12.991,87 Zählern.

Das Dax Sentiment ist eine wöchentliche Umfrage unter mehr als 2600 Anlegern. Anhand von vier Fragen lässt sich die aktuelle Börsenstimmung ermitteln. Zusammen mit weiteren Indikatoren prognostiziert Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx, wie sich der Dax in den kommenden Handelstagen entwickeln könnte – mit einer sehr hohen Trefferqualität.

Derzeit dominieren für ihn Gewinnmitnahmen das Bild an der Börse, während der Dax um die Marke von 13.000 Punkten pendelt. „Private Anleger waren meiner Beobachtung zufolge mit angezogener Handbremse in diese Rally hineingegangen“, erläutert der Sentimentexperte. Angezogene Handbremse bedeutet: Die Zahl der Spekulationen auf fallende Kurse als Depot-Absicherung war zwischenzeitlich extrem hoch. „Diese Handbremse wird nun gelöst“, erläutert er. Privatanleger verkaufen diese Absicherungen und positionieren sich zunehmend „long“ in Erwartung einer Herbstrally.

Anders die Situation bei den institutionellen Anlegern: Diese spekulierten während der Rally seit Ende August stets auf steigende Kurse mit nur einem geringen Prozentsatz an Absicherungen. Die Spekulation ging auf, nun werden Gewinne eingestrichen.

Und wie geht es weiter? In den kommenden Wochen dominiert der Quartalsreigen der Unternehmen. Dabei wird sich der Fokus zunehmend auf die Ausblicke für das Jahr 2018 richten. Die jüngsten Konjunkturdaten in Europa lassen die Erwartungen steigen. Ob die Unternehmen mit ihren Prognosen diesen ansteigenden Erwartungen gerecht werden, muss sich zeigen.

Auf der anderen Seite führt die Auflösung der spekulativen Positionen durch institutionelle Anleger derzeit nur zu einer Seitwärtsbewegung an den Aktienmärkten. Parallel dazu erholen sich die vormals überhitzten Sentiment-Indikatoren. „Es wird spannend sein zu beobachten, wem zuerst die Puste ausgeht: Den Privatanlegern, die ihre Absicherungspositionen auflösen und stärker ,long‘ gehen, oder den Institutionellen, die ihre ,long‘-Spekulationen auflösen“, meint der Sentimentexperte.

Doch je länger dieser Prozess im Rahmen einer Seitwärtsbewegung andauere, desto weniger Schiefstände würden sich bei den verschiedenen Anlegergruppen ergeben. Dadurch würde die Gefahr eines Ausschlags der Märkte in die eine als auch in die andere Richtung geringer.

„Ich gehe daher davon aus, dass wir in der kommenden Woche einige Kursausschläge bei Einzeltiteln sehen werden, die durch Quartalszahlen ausgelöst werden“, meint der Animusx-Geschäftsführer. „Der Gesamtmarkt dürfte bis auf weiteres verhältnismäßig stabil bleiben, sofern die Quartalszahlen nicht über die verschiedenen Branchen hinaus überraschen.“ Maßgebliche Unternehmenzahlen für die Entwicklung des Gesamtmarktes würden vor allem von den Banken und den Transportunternehmen kommen.

Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage im Detail: Die Verschnaufpause in der vergangenen Handelswoche reichte bereits, um die Euphorie der Vorwoche auf ein normales Stimmungsniveau zurückzuholen. Nur noch 41 Prozent (minus 19 Prozentpunkte) der Anleger sehen in der aktuellen Dax-Bewegung einen Aufwärtsimpuls, stattdessen gegen 26 Prozent (plus zwölf Prozentpunkte) von einer Seitwärtsbewegung und 30 Prozent (plus sechs Prozentpunkte) von einer Topbildung aus. Die Mehrheit also sieht derzeit keine steigenden Kurse im Dax mehr. Damit ist das Anlegersentiment nach wie vor sehr hoch, aber nicht mehr euphorisch.

Euphorie gilt als Kontraindikator und ist ein Indiz für fallende Kurse, weil in solchen Situationen fast alle Anleger investiert sind und als Käufer ausfallen, sollten die Kurs nachgeben.

Auch die Selbstzufriedenheit ist ein wenig rückläufig. Nur noch jeder Fünfte (minus sechs Prozentpunkte) hat auf diese Seitwärtsbewegung spekuliert, 55 Prozent (plus ein Prozentpunkt) haben sie zum größten Teil erwartet. Hingegen sieht jeder Fünfte (plus vier Prozentpunkte) seine Erwartungen als kaum erfüllt an. Fünf Prozent wurden sogar auf dem falschen Fuß erwischt.


Sicherheitsnetz verliert an Spannung

Die Zukunftserwartung verändert sich. Seit dem extremen Optimismus unter den Anlegern Ende August fällt die Erwartung entsprechend dem steigenden Dax immer weiter zurück. Unverändert 27 Prozent erwarten für den Leitindex in drei Monaten einen Aufwärtsimpuls, inzwischen gehen jedoch 23 Prozent (plus fünf Prozentpunkte) von einem Abwärtsimpuls aus. Nur noch gut jeder Fünfte (minus vier Prozentpunkte) erwartet die Topbildung erst in drei Monaten. Von einer Seitwärtsbewegung gegen 27 Prozent aus (minus ein Prozentpunkt).

Mit dem Erreichen der Marke von 13.000 Punkten ist die Investitionsbereitschaft drastisch eingebrochen. Nur noch 23 Prozent (minus acht Prozentpunkte) wollen in den kommenden zwei Wochen Aktien zukaufen. 16 Prozent (plus vier Prozentpunkte) hingegen wollen verkaufen und 61 Prozent (plus vier Prozentpunkte) warten vorerst ab.

Das Euwax-Sentiment der gleichnamigen Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, hat unterdessen beim Pessimismus weiter nachgegeben. Vor zehn Tagen gab es dort noch ein extrem hohes Niveau an Absicherungskäufen. Privatanleger hatten parallel zu ihren Aktienkäufen auch gleich entsprechende Put-Positionen eröffnet, um sich gegen etwaige Kursrückschläge abzusichern. Diese Put-Absicherungen werden nun sukzessive in der Rekordjagd aufgegeben.

„Damit wird eines der Sicherheitsnetze, das unter der Aktienbörse aufgespannt ist, schwächer“, stellt der Börsenexperte fest. Denn wenn sich viele gegen fallende Kurse absichern, dann können die Kurse kaum fallen, weil ja niemand mehr negativ überrascht werden kann. Noch sei das Sicherheitsnetz vorhanden, mit einem Wert von minus 7,2 sind Privatanleger deutlich stärker abgesichert als im Jahresdurchschnitt. „Doch das Sicherheitsnetz verliert an Spannung“, so Heibel.

Institutionelle Anleger sichern sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex ab, dort werden Optionen gehandelt. Und die Profis haben ihre Absicherung ebenfalls zurückgefahren, inzwischen sind sie sogar deutlich weniger abgesichert als im Jahresdurchschnitt. Das Put-Call-Verhältnis steht bei 1,2, der Durchschnitt liegt bei 1,5. Profis, die auf die Dax-Rally spekuliert haben, stehen vor zwei Möglichkeiten. Entweder verkaufen sie ihre spekulativen Long-Position, oder sie kaufen neue Put-Optionen, um sich abzusichern.

In den USA zeigt der Angst-und-Gier Index des S&P 500, der anhand technischer Marktdaten berechnet wird, mit 83 Prozent weiterhin extreme Gier an (83 Prozent). Allerdings wird das noch höhere Niveau der Vorwoche mit 95 Prozent nicht mehr erreicht. Institutionelle US-Investoren haben ihre Investitionsquote wieder ein wenig zurückgefahren – um minus fünf Prozentpunkte auf 91 Prozent. Der Bulle/Bär-Index der US-Privatanleger notiert mit 2,8 Prozent weiterhin im neutralen Bereich.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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