Dax-Umfrage „Zu große Skepsis für einen Ausverkauf“

Der Dax nähert sich seinem Allzeithoch. Gelingt dem deutschen Leitindex der Ausbruch auf neue Rekordstände – oder drohen Verluste? Worauf die aktuelle Gemütslage an den Börsen hindeutet.

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Klettert der Dax schon bald auf ein neues Allzeithoch bei über 12.391 Punkten? Quelle: dpa

Frankfurt Weder die Wahlen in den Niederlanden noch die US-Leitzinserhöhung stoppten vergangene Woche den Aufwärtstrend im Dax: Der deutsche Leitindex hat ein neues Jahreshoch markiert und notierte zeitweise weniger als 250 Punkte unter seinem bisherigen Allzeithoch bei 12.391 Zählern vom April 2015.

Parallel zum jüngsten Kursanstieg hat sich zwar auch die kurzfristige Laune der Anleger aufgehellt. Doch auf Sicht von drei Monaten rechnen immer weniger Investoren mit steigenden Dax-Notierungen. Von seinen Beständen trennen möchte sich derzeit trotzdem kaum ein Aktionär. Das zeigen die Ergebnisse der neusten Handelsblatt-Umfrage zur aktuellen Börsenstimmung.

Wöchentlich werden bei dieser Erhebung mehr als 2.300 Anleger gefragt, wie sie die Lage an den Aktienmärkten einschätzen. Die Ergebnisse bewertet Stephan Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx. Seine Prognosen zur Dax-Entwicklung sollen Orientierung für die Geldanlage bieten.

„Die Rally läuft, so lange sie läuft, aber ewig kann sie nicht laufen. So einfach lässt sich die Stimmung dieser Woche zusammenfassen“, sagt Heibel. Nachdem die Wahlen in den Niederlanden kein weiteres EU-politische Chaos ausgelöst hätten, steige auch die Zuversicht für die Wahlen in Frankreich im April und im Mai sowie in Deutschland im Herbst. „Das Gros der Anleger möchte gerne an der Rally partizipieren, doch nur wenige sind schwindelfrei“, sagt der Fachmann. Immerhin habe sich der Dax seit dem Jahr 2003 inzwischen fast verfünffacht. Da falle es schwer, an Produktivitätszuwächse in dieser Größenordnung zu glauben.

Die Ergebnisse der jüngsten Auswertung im Detail: Zwei Drittel der Teilnehmer (plus zehn Prozent) sehen in der aktuellen Dax-Bewegung einen Aufwärtsimpuls oder eine Topbildung, während nur noch 28 Prozent (minus neun Prozent) eine Seitwärtsbewegung erkennen wollen. Mit einem Wert von 3,1 Prozent sei die Stimmung der Anleger laut Heibel sehr gut, aber noch nicht euphorisch.

Mit 63 Prozent haben die meisten Umfrageteilnehmer den Dax-Anstieg so zum größten Teil erwartet, weitere zwölf Prozent haben sogar darauf spekuliert. Nur noch 18 Prozent (minus sieben Prozent) sehen ihre Erwartungen durch den Kursanstieg im Dax kaum erfüllt, weitere sieben Prozent (plus zwei Prozent) wurden auf dem falschen Fuß erwischt. „Die Selbstzufriedenheit der Anleger spiegelt mit einem Wert von 1,2 Prozent ein gesundes Selbstvertrauen wider“, sagt Sentiment-Spezialist Heibel.


Selten waren Anleger mittelfristig pessimistischer

Bei der zukünftigen Erwartung gehen die Meinungen jedoch deutlich auseinander: Während sich 22 Prozent (plus vier Prozent) für den Dax in drei Monaten einen Aufwärtsimpuls erhoffen, fürchten 37 Prozent (plus fünf Prozent) eine Abwärtsbewegung. Das Lager der Neutralen ist um neun Prozentpunkte auf nur noch 25 Prozent der insgesamt Befragten geschrumpft. „Mit einem Wert von minus 2,5 Prozent ist die Erwartung so pessimistisch wie nur zweimal in der zweieinhalbjährigen Historie des Handelsblatt-Sentiments“, sagt Heibel. „Einmal stand die Erwartung vor vier Wochen bei minus 2,6 Prozent, es folgte der Sprung über die 12.000 Punkte. Zum anderen stand die Erwartung im Januar 2015 so niedrig. Danach folgte die Dax-Rally auf das Allzeithoch.“

Obwohl der Pessimismus derzeit groß ist, wollen aber nur noch 17 Prozent (minus zwei Prozent) in den kommenden zwei Wochen Positionen verkleinern. 20 Prozent (plus ein Prozent) möchten zukaufen. Mit unverändert 63 Prozent planen die meisten Umfrageteilnehmer vorerst abwarten.

„Anleger sind glücklich über die Kursgewinne, sie sind investiert und profitieren davon. Doch die Skepsis ist groß, dass diese Rally noch lange so weiterlaufen kann, entsprechend haben sich viele Anleger bereits stark gegen Kursverluste abgesichert“, sagt Heibel.

Ablesen lässt sich dies auch am Euwax-Sentiment der Stuttgarter Börse: Das zeigt mit einem Stand von minus 4,57 eine große Absicherung der Privatanleger vor fallenden Notierungen an. Profis haben sich über die Eurex hingegen kaum abgesichert: Das Put/Call-Verhältnis notiert hier mit 1,4 auf normalem Niveau.

Unter dem Strich interpretiert Sentiment-Experte Heibel die jüngsten Ergebnisse der Handelsblatt-Umfrage vorsichtig optimistisch: „Ich gehe weiterhin von einer Seitwärtsbewegung im Dax aus mit leichter Tendenz gen Norden“, lautet sein Urteil.


Was für ein neues Dax-Allzeithoch noch fehlt

Aktuell scheine das deutsche Börsenbarometer Kurs auf ein neues Allzeithoch gesetzt zu haben. Um dieses mit Schwung zu überspringen, fehle jedoch die Überzeugung. „Gleichzeitig ist die Skepsis zu groß, um einen dramatischen Ausverkauf zuzulassen“, resümiert Heibel. Denn Anleger seien gut gegen Kursverluste abgesichert. Ein Rückschlag im Dax würde daher schnell wieder von Spekulanten gekauft werden.

Damit bleibt der Experte bei seiner bisherigen Einschätzung des Ausgangslage beim Dax. Schon bei seiner Auswertung in der vergangenen Woche hatte der Fachmann festgestellt, dass gemäß der Sentimenttheorie die Wahrscheinlichkeit steigender Kurse derzeit größer sei als die fallender.

Auch andere Börsenprofis bewerten die Aussichten am deutschen Aktienmarkt tendenziell positiv. So prognostiziert etwa Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck Privatbankiers, dass der Dax demnächst sein Allzeithoch testen dürfte. „Zum Überschießen wären aber wohl weitere ‚Good News‘ nötig“, schränkt der Fachmann seinen Optimismus allerdings etwas ein.

Anders als hierzulande sieht die Stimmung der Investoren inzwischen in den USA aus: Der technische Angst-und-Gier Index des S&P 500 zeigt Heibel zufolge mit 45 Prozent eine neutrale Marktverfassung an. Institutionelle Anleger haben hier ihre Investitionsquote nochmals drastisch auf 81 Prozent gesenkt. Damit verfügten Fonds über so viele liquide Mittel wie seit vergangenem Herbst nicht mehr. Nur 31,2 Prozent der US-Anleger seien zudem bullisch gestimmt, das Bulle/Bär-Verhältnis war seit vergangenem Herbst nicht mehr so negativ.

„Institutionelle Anleger in Deutschland sind stark investiert, während ihre US-Kollegen ihre Positionen bereits kräftig heruntergefahren haben. In Deutschland hat der Aktienmarkt Nachholbedarf und entsprechend ist diese unterschiedliche Positionierung nachvollziehbar“, interpretiert Heibel den Investitionsgrad an der Wall Street und hierzulande.

Dass es am hiesigen Aktienmarkt zuletzt ruhig geblieben ist und der Dax trotz aller Risiken vergangene Woche um rund ein Prozent auf 12.095 Punkte weiterklettern konnte, spiegele die insgesamt gesunde Verfassung der Börse wieder.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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