Deutsche Börse und LSE Im Tauziehen um eine Fusion einen Schritt weiter

Deutsche Börse und LSE sind im Ringen um die geplante Milliardenfusion zu weiteren Zugeständnissen gegenüber der EU bereit. Eine weitere Hürde: die hessische Börsenaufsicht. Finanzminister Schäfer wird da sehr deutlich.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Zentrale der Deutschen Börse Quelle: dpa

Der Druck auf Deutsche-Börse -Chef Carsten Kengeter steigt: Am Mittwoch durchsuchte die Staatsanwaltschaft sein Büro und seine Wohnung wegen des Verdachts des Insider-Handels, am Freitag forderte das Land Hessen so deutlich wie nie zuvor Änderungen an der geplanten Fusion mit der London Stock Exchange (LSE). Die gemeinsame Holdinggesellschaft der Börsen sollte nach dem Brexit-Votum in Frankfurt und nicht wie bisher geplant in London angesiedelt werden, sagte der hessische Finanzminister Thomas Schäfer der Nachrichtenagentur Reuters. "Rational betrachtet liegen die Gründe für den Hauptsitz in Frankfurt glasklar auf dem Tisch." Die hessische Landesregierung hat bei der Börsenfusion ein gewichtiges Wort mitzusprechen.

Laut Schäfer wäre es auch für die LSE von Vorteil, wenn die Holding der fusionierten Börse "einen Anker in einem stabilen Rechtsraum wie Deutschland hätte. Denn wie die Rahmenbedingungen in London nach dem Brexit aussehen, kann derzeit niemand genau vorhersehen." Nach Einschätzung des CDU-Politikers ist dies auch den Spitzenmanagern der LSE klar, sie scheuten sich jedoch aus politischen Gründen, die unpopuläre Nachricht zu überbringen. "Sie wollen nicht die ersten sein, von denen ein deutliches sichtbares Zeichen ausgeht, dass der Brexit unaufhaltsame Nachteile für Großbritannien hat."

Die Zustimmungen der hessischen Börsenaufsicht und der EU-Kommission gelten als größte Hürden für die gut 25 Milliarden Euro schwere Fusion. Um grünes Licht aus Brüssel zu bekommen, wollen Deutsche Börse und LSE Finanzkreisen zufolge am Montag in Brüssel weitere kleinere Zugeständnisse anbieten, vor allem bei der Abwicklung von Derivategeschäften. Offeriert werden sollten strukturelle Maßnahmen wie der Verkauf oder die Einstellung von Geschäften. Zudem seien verhaltensbezogene Zugeständnisse geplant, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. "Man kann einiges tun, um Wettbewerbern zu helfen, bestimmte Geschäftsfelder zu erschließen."

Um die Bedenken der EU auszuräumen, hatten die Unternehmen in Brüssel bereits vor einiger Zeit den Verkauf der LSE-Tochter Clearnet SA angeboten. Weitere größere Verkäufe - etwa der LSE-Tochter Borsa Italiana oder der LSE-Clearingtochter LCH.Clearnet Limited - sind jedoch nicht geplant. "Es wird keine größeren Verrenkungen geben", sagt eine mit dem Prozess vertraute Person.

Größer als in Brüssel scheinen die Widerstände gegen die Börsenfusion derzeit in Wiesbaden zu sein. Die hessische Börsenaufsicht, die im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, hat Aufsichtskreisen zufolge große Bedenken gegen den Deal, weil sie nach dem Zusammenschluss mangelnde Kontrollmöglichkeiten fürchtet. Für die Entscheidung ist am Ende Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) zuständig. Er kann sich - im Gegensatz zu Schäfer und Ministerpräsident Volker Bouffier - jedoch nicht in der Öffentlichkeit zu dem Thema äußern, weil seine Entscheidung über den Zusammenschluss sonst am Ende angreifbar wäre.

Die vor dem Brexit-Votum ausgearbeiteten Fusionspläne der Unternehmen sehen vor, dass Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter Vorstandsvorsitzender der Holding wird und dass diese dafür in London angesiedelt wird. Aus Sicht von Schäfer ist der Sitz aber bedeutsamer als der Chefposten. "Solche Strukturentscheidungen sind auf lange Sicht wichtiger als die Besetzung von Spitzenpositionen." Bisher hat die LSE keine Anzeichen gemacht, dass sie zu einer Verlegung der Holdinggesellschaft oder zur Schaffung eines doppelten Holdingsitzes bereit wäre. "Der Deal steht", sagte LSE-Chef Xavier Rolet Anfang der Woche zu Reuters.

Das hessische Wirtschaftsministerium werde am Ende ausschließlich nach Recht und Gesetz über den Antrag entscheiden, den die Deutsche Börse einreiche, sagte Schäfer. "Ich kann aber als an dem formellen Verfahren Unbeteiligter den Konzernen nur empfehlen, dass sie sich bei der Frage des Firmensitzes noch einmal bewegen. Das mag juristisch kompliziert sein, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg."

Mitte Januar hatte es bei einem Gipfeltreffen von Bouffier und Al-Wazir mit den Spitzen der Börsenbetreiber keinerlei Annäherung gegeben. Mehrere mit der Fusion vertraute Personen beziffern die Chancen, dass der Deal am Ende durchgeht, mittlerweile auf deutlich weniger als 50 Prozent.

Durch das Ermittlungsverfahren gegen Kengeter sei ein Scheitern des Deals noch wahrscheinlicher geworden, sagte einer der größten Aktionäre der Deutschen Börse. "Das sind jetzt die letzten Zuckungen." Kengeter hatte im Dezember 2015, gut zwei Monate vor Bekanntwerden der LSE-Fusionsgespräche, in großem Stil Aktien von Deutschlands größtem Börsenbetreiber gekauft. Laut Aufsichtsratschef Joachim Faber gab es damals noch keine Verhandlungen mit der LSE, nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Frankfurt sehr wohl.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%