




Vergangene Woche, am 31. Oktober 2016, habe ich mich in meiner Kolumne „Elsässers Auslese“ mit den Irrwegen bei der Berufswahl junger Menschen beschäftigt. Der Beitrag fand einen - für mich - überraschend starken Anklang bei den Lesern der Wirtschaftswoche.
Heute möchte ich auf die Situation vieler Menschen eingehen, denen eine aussichtsreiche Perspektive im Beruf verloren gegangen ist. Dies ist ein um so wichtigeres Thema geworden, da immer mehr Berufstätige im Alter extrem fit sind. Gleichzeitig findet diese Tatsache in ihrem beruflichen Umfeld keine Würdigung. Wie oft habe ich es während der vergangenen Jahre erlebt, mit dem stets gleichen Resultat: Plötzlich stehen gute Leute, Angestellte wie Selbständige, selbst verschuldet oder auch nicht, vor dem aus. Und wie ist in der Regel die Reaktion? Sie verkriechen sich voller Scham. Ihr Selbstbewusstsein ist angekratzt. Sie lassen sich aus der Bahn werfen.
Dazu nur mal zwei Beispiele aus meinem privaten Umfeld: Als ich vor zwanzig Jahren noch in Singapur gearbeitet habe, wurde einem Schweizer Investmentbanker der Entsendungsvertrag aus heiterem Himmel gekündigt. Seine Frau und er wagten sich für vier Wochen nicht mehr an den gemeinsamen Swimming Pool unserer Wohnanlage. Stattdessen saßen sie hinter zugezogenen Vorhängen in ihrer Wohnung.
Jobsuche: Wer 2016 noch Mitarbeiter einstellt - und wen
Die Energiewende hat viele Energieversorger zu gravierenden Umbauprozessen gezwungen. Mittlerweile kommen die Betriebe wieder in ruhigeres Fahrwasser - und suchen neue Leute. Bei den Strom-, Gas- und Wasserversorgern stieg der saisonbereinigte Netto-Beschäftigungsausblick im Vergleich zum vorherigen Quartal um drei auf aktuell 14 Prozentpunkte. Heißt konkret: 17 Prozent der Unternehmen dieser Branche wollen im vierten Quartal neu einstellen, keine einzige Firma rechnet mit Personalabbau.
Der öffentliche Sektor hat den größten Sprung gemacht. Nachdem sich im dritten Quartal 2016 die Pläne für Personalab- und aufbau noch die Waage hielten, sollen im vierten Quartal jetzt mehr Menschen eingestellt werden. Grund dafür sind steigende Steuereinnahmen und die nötige Betreuung und Integration von Flüchtlingen, die mehr Personal erfordert. Insgesamt 15 Prozent der öffentlichen Arbeitgeber wollen noch in diesem Jahr weitere Mitarbeiter einstellen.
Auch der Finanzsektor bleibt optimistisch mit einem leichten Anstieg auf einen Netto-Beschäftigungsausblick von 13 Prozentpunkten. Besonders am Finanzplatz Frankfurt werden Leute gesucht. "Ein Faktor für den Boom in der deutschen Finanzmetropole ist die Brexit-Entscheidung in Großbritannien. Banken und öffentliche Einrichtungen fassen Alternativen zu London ins Auge, davon wird der Standort am Main profitieren", sagt Herwarth Brune, Vorsitzender der Geschäftsführung der ManpowerGroup Deutschland.
Der Beschäftigungsausblick im produzierenden Gewerbe hat sich inzwischen im vierten aufeinanderfolgenden Quartal verbessert. Er steigert sich im Vergleich zum vorherigen Quartal um drei auf starke acht Prozentpunkte.
Der Trend aus dem dritten Quartal, dass vor allem große Arbeitgeber Neueinstellungen planen, setzt sich im vierten Quartal fort. Aber auch bei kleineren Arbeitgebern steigt die Zuversicht: 17 Prozent von ihnen planen Neueinstellungen ab Oktober, im vorherigen Quartal waren es nur acht Prozent.
18 Prozent der Münchner Arbeitgeber wollen noch in diesem Jahr weitere Mitarbeiter einstellen. Damit kann München die Führungsposition im vierten Quartal in Folge halten. Als Münchner Wachstumsmotoren gelten besonders die Informations- und Kommunikationstechnologie, Dienstleistungen, sowie wissensintensive Branchen wie Life Sciences, Medizin- und Umwelttechnologien. Die bayrische Landeshauptstadt ist Versicherungsstandort Nummer eins.
Auf Platz zwei liegt die Bankenmetropole Frankfurt am Main. Im dritten Quartal meldete die hessische Metropole einen saisonbereinigten Netto-Beschäftigungsausblick von -1 Prozentpunkt. Der steigt nun um beeindruckende 12 Prozentpunkte an. Heißt: Hier wollen 14 Prozent der Unternehmen noch in diesem Jahr weitere Arbeitnehmer einstellen. Personalabbau plant dort kaum einer der befragten Arbeitgeber.
Für Jobsuchende ist Berlin in den nächsten Monaten weniger sexy: Zwar wollen 13 Prozent der befragten Arbeitgeber noch in diesem Quartal Leute einstellen. Elf Prozent planen dafür Kündigungsrunden.
Unabhängig von Branche und Region suchen Unternehmen, die Digitalexperten einstellen wollen, eher nach Allroundtalenten als nach Nerds, wie eine Studie der Personalvermittler Hays zeigt. So sucht die Automobilbranche bevorzugt nach bei der Digitalisierung erfahrenen Experten (55 Prozent) statt Hochschulabsolventen (36 Prozent) und deutlich mehr nach Generalisten (62 Prozent) als nach Themenspezialisten (35 Prozent). Die Pharmaindustrie bevorzugt ebenfalls erfahrene Spezialisten (68 Prozent), weit vor Absolventen (25 Prozent). Anders stellt sich das Bild bei Banken dar: Sie setzen stärker auf Absolventen (62 Prozent) als auf erfahrene Experten (31 Prozent). Aber auch diese Branche zieht Generalisten (85 Prozent) Themenspezialisten (14 Prozent) vor.
Zumindest in der Automobil- und der Pharmabranche setzt man derzeit weniger auf Kreativität, wie die Befragung von Führungskräften durch Hays ergab. Demnach wollen 63 Prozent der Führungskräfte aus der Automobilbranche zunächst umsetzungsorientierte Mitarbeiter. Auch die Pharmakonzerne setzen klar auf Umsetzer (74 Prozent) und lassen kreative Köpfe (23 Prozent) eher außen vor.
Vor vier Jahren entließ die Deutsche Telekom in einer ihrer Enkelgesellschaften den Vertriebsgeschäftsführer. Das kam nicht überraschend. Über Jahre wurde er systematisch „gepiesackt“, in seinen Kompetenzen beschnitten und menschenunwürdig im Konzern behandelt. Geduldig ertrug er die Erniedrigung, stets in der stillen Hoffnung, dass sich alles noch bessern würde – eines Tages.
Tatsächlich saß er wie ein Kaninchen vor der Schlange und erwartete den Genickschuss. Als es soweit war, zog er sich als geknickter Hausmann ins Privatleben zurück und verlässt seitdem kaum noch das Haus. Er schämt sich, das Ganze ist ihm peinlich. Beruflich hat er aufgegeben. Und das bei aktuellem Fachwissen, einer Menge wertvoller Erfahrung und guter Gesundheit. De facto ist der Mann auf der Höhe seines Könnens, hat sich aber selbst in einen Orbit der „Opfergesinnung“ katapultiert.
Gegen diese Art von Lähmungsgift, welches unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem nur zu gerne verabreicht, sollte jeder persönlich ankämpfen. Es geht auch anders.
Gerade komme ich aus Nord Finnland zurück. Seit Jahren arbeite ich dort mit einem selbständigen Geologen zusammen. Die letzten vier Jahre waren entsetzlich für die Rohstoffindustrie. Im Januar diesen Jahres sah es für meinen 59-jährigen Freund wirklich schlecht aus. Er hatte kaum noch Aufträge. Er war drauf und dran aufzugeben. Doch dann gab er sich einen Ruck und heute, keine acht Monate später, läuft sein Business so gut wie noch nie.
So beurteilen die Deutschen ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Durchschnittlich 63 Prozent der Deutschen glauben, dass sich die Arbeitsmarktsituation im Laufe des Jahres 2016 zu ihren Gunsten verbessern wird. Damit sind die Deutschen deutlich optimistischer als der Rest Europas. Im Schnitt schauen nur 49 Prozent der Europäer positiv in die Zukunft.
Quelle: Job Confidence Index der Personalvermittlung Michael Page
Die Jungen sind besonders optimistisch: 91 Prozent denken, dass sie ihre Kompetenzen 2016 noch erweitern können. 74 Prozent erwarten im Laufe des Jahres eine Gehaltserhöhung, 72 Prozent eine Beförderung.
66 Prozent rechnen damit, dass sich ihr Aufgabenbereich positiv verändern wird. 57 Prozent sind überzeugt, dass sie maximal drei Monate brauchen würden, um einen neuen Job zu finden. Außerdem rechnen 48 Prozent damit, dass sich ihre Work-Life-Balance verbessert.
Die nächste Altersgruppe ist besonders in punkto Kompetenzerweiterung optimistisch: 76 Prozent der 30- bis 49-Jährigen geht davon aus, dass sich ihre Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung verbessern werden. 57 Prozent rechnen mit einer Beförderung, 55 erwarten, dass sich ihr Aufgabenbereich verbessern wird und 54 Prozent gehen davon aus, im Laufe des Jahres eine Gehaltserhöhung zu bekommen. Mit einer besseren Work-Life-Balance rechnen nur 39 Prozent. Was die eigenen Arbeitsmarktchancen anbelangt, gehen 42 Prozent davon aus, binnen drei Monaten einen neuen Job zu finden.
In der Gruppe der Arbeitnehmer ab 49 Jahren aufwärts glauben nur noch 39 Prozent, dass sie weniger als drei Monate benötigen, um einen neuen Job zu finden. Auch eine Beförderung erwarten "nur" noch 47 Prozent, mit mehr Gehalt rechnen in diesem Jahr 41 Prozent. Spannendere Aufgaben erwarten 45 Prozent und 67 Prozent gehen davon aus, dass sie ihre Kompetenzen erweitern können.
Was hatte mein Geologen-Freund unternommen, um wieder nach vorne zu kommen? Welche Wege hatte er eingeschlagen? Im Gespräch empfahl er aus eigener Erfahrung und mit voller Überzeugung drei Maßnahmen:
1. Anstatt sich wie ein angeschossenes Opfer zu fühlen, ist er in die Offensive gegangen und hat sein gesamtes Netzwerk - privat wie beruflich – mobilisiert. Alle Kontakte wurden systematisch angesprochen. Er war sich nicht zu fein, um weitere Empfehlungen und Adressen zu bitten. Er hat unzählige Gespräche geführt und „Querverbindungen“ genutzt. Aufgrund seiner Erfahrung schwört mein Freund auf „Networking“. Wer sich nicht in der Welt zeigt, wird auch nicht gesehen. Wer sein Anliegen nicht klar ausspricht, darf sich nicht wundern, wenn ihn keiner hört und versteht.
2. In der Unternehmer-Vereinigung seines Ortes hat er nach einem Sparringspartner und Mentor gesucht. Denn er spürte mit seinem alten Latein war er am Ende. Sein Mentor wurde witzigerweise ein erfolgreicher Unternehmer, der nicht aus seiner Branche kam und glatte 15 jünger war als mein Freund. Das hat viel gebracht: sich außerhalb seines althergebrachten „Dunstkreises“ mal zu bewegen.
3. Der dritte Punkt, der meinen Freund weitergebracht hat, war sein Business Modell zu überdenken. Jahrelang hatte er eine ganz bestimmte Dienstleistung angeboten. Aber erst mit einer besseren Akzentsetzung, die auf die schlechte Marktsituation abgestimmt war, erhöhten sich seine Chancen. Sein Credo lautet: „Man muss etwas sehr Spezielles anbieten, etwas aus einem anderen Blickwinkel, etwas mit mehr Nutzen.“ Mit dem Verlassen der traditionell eingefahrenen Bahnen, taten sich die neuen Chancen auf.
Mein Fazit: Im Beruf verbringt man mehr Zeit als in der Familie. Sie sind der Kapitän am Steuer ihres Lebensschiffes. Lassen Sie sich nicht den Schneid abkaufen. Nichts ist schlimmer als dauerhaft erfolglos in einem ungeliebten Beruf vor sich hin zu leben. Ganz gleich in welcher Zwickmühle oder in welchem Sumpf Sie gerade stecken: Der Einsatz für die wichtigste Person in Ihrem Leben lohnt sich: Sie selbst.