Der weltweite Rohstoffmarkt wurde neu verteilt. Nach monatelangen Verhandlungen steht der Rohstoffkonzern Glencore kurz vor der Übernahme seines Konkurrenten Xstrata. Die Aktionäre beider Unternehmen stimmten dem Kauf zu, der ein Volumen von 31 Milliarden Dollar hat. Wenn auch die Wettbewerbsbehörden am Donnerstag die Ehe billigen, entsteht durch den Zusammenschluss ein neuer Rohstoffkonzern, der dann zu den fünf größten der Erde gehören wird. Wo auch immer auf dem Globus große Mengen Kohle, Öl, Industriemetalle oder Agrarprodukte benötigt werden, dürften Vertreter des neuen Rohstoffriesen aus der Schweiz am Verhandlungstisch sitzen.
Neuer Konzern mit enormer Marktmacht
Mit insgesamt 130.000 Beschäftigten in mehr als 40 Ländern und mehr als 100 Minen erwirtschaften sie einen Umsatz von 210 Milliarden Dollar. Der neue Konzern hätte Zugriff auf 35 Kohleminen in Kolumbien, Afrika und Australien und führend bei Kohle zur Befeuerung von Kraftwerken. und kontrolliert ein Zehntel des auf dem Seewege transportierten Öls mit einer Hochseeflotte mit fast 200 Containerschiffen, Tankern, Schüttgutfrachtern und rund 50 Öltanklagern. Glencore ist für den Handel von drei Prozent des täglich weltweit verbrauchten Öls verantwortlich. Der neue Konzern verfügt somit über enorme Marktmacht entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Förderung bis zu Lieferung. An der Börse hätte der neue Rohstoffgigant einen Wert von rund 90 Milliarden Dollar.
Kurz nach der Abstimmung durch die Glencore-Aktionäre mussten die Anteilseigner des Bergbauriesen Xstrata an die Wahlurne. Während das Projekt bei Glencore etwa 99 Prozent der Eigner billigten, waren es bei Xstrata knapp 79 Prozent. Schon mit weniger als 17 Prozent der Stimmen hätten die Aktionäre das Geschäft ablehnen können, weil Großaktionär Glencore seinen 34-prozentigen Stimmanteil nach britischem Aktienrecht nicht in die Waagschale werfen darf. Die Aussichten für eine Zustimmung der Aktionäre galten aber auch schon im Vorfeld als gut. Xstrata-Großaktionär Katar hatte seine Blockadehaltung nach der Aufbesserung des Angebots aufgegeben und befürwortete die eine Konzernehe.
Die Aktionäre lehnten allerdings die umstrittenen Vergütungen für Xstrata-Spitzenkräfte ab, mit denen diese im Unternehmen gehalten werden sollten. Xstrata-Chairman John Bond, der auch im fusionierten Konzern eine wichtige Rolle spielen sollte, kündigte daraufhin seinen Rückzug an. Die Halteprämien für rund 70 Top-Manager von Xstrata im Volumen von 144 Millionen britischen Pfund, umgerechnet knapp 180 Millionen Euro, waren - genau wie die Bonuszahlungen - ein Streitpunkt gewesen. Das Emirat Katar, dass zwölf Prozent der Xstrata-Anteile hält, hat sich in der Bonusfrage angeblich enthalten.
Übernahme statt Fusion
Vor allem auf Verlangen Katars hatte Glencore das Übernahmeangebot im September nochmals verbessert. Statt der ursprünglich 2,8 Glencore-Aktien für ein Xstrata-Papier sollen es nun 3,05 Aktien sein. Nach Berechnungen der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) würden Glencore und Xstrata den fünftgrößten Bergbaukonzern bilden - hinter der brasilianischen Vale, der australischen BHP Billiton Group und den britisch-australischen sowie britisch-südafrikanischen Konzernen Rio Tinto und Anglo American. Bei einigen strategisch wichtigen Metallen würde der neue Riese Spitzenplätze einnehmen, etwa bei Zink, Kobalt und Blei und Ferrochrom, das für die Edelstahlproduktion gebraucht wird. „Durch die Fusion“, warnte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl in der Berliner Zeitung, „wird ein Produktions- und Vermarktungsgigant entstehen, bei dem die klassischen Grenzen zwischen Bergbauproduktion und Handelsaktivitäten aufgehoben werden.“ Der Satz beschreibt, warum Glasenberg in einem fusionierten Konzern so erhebliches Potenzial sieht.
Glencore-Chef drängt an die Spitze
Was ursprünglich eine Fusion unter gleichberechtigten Partnern sein sollte, ist inzwischen eher eine Übernahme unter Federführung von Glencore. Glencore-Chef Ivan Glasenberg hat das in einem nächtlichen Verhandlungsmarathon mit Katars Premierminister al-Thani – moderiert vom britischen Ex-Premier Tony Blair - durch eine Erhöhung seiner Übernahmeofferte um neun Prozent erreicht. Für Glasenberg gab es dazu auch gleich mehr Einfluss: Anders als ursprünglich geplant, soll der 55-Jährige nun nach bereits sechs Monaten Xstrata-Boss Mick Davis an der Konzernspitze ablösen. Vorher hatte Glasenberg noch getönt, Mick Davis wäre der richtige für den Job: "Mick Davis ist die Schlüsselperson für das Vorankommen des Unternehmens. Er selbst sei froh, nicht den Vorstandsvorsitz inne zu haben." Offenbar hat Glasenberg seine Meinung inzwischen geändert. Mick Davis geht mit einer Abfindung von 13 Millionen Dollar
Die Aktienkurse von Glencore und Xstrata haben sich nach Bekanntwerden des erhöhten Übernahmeangebots bereits in dessen Richtung entwickelt. Aber noch gibt es einen kleinen Nachlass für Käufer von Xstrata-Aktien. In Euro notieren die Xstrata-Papiere derzeit nur beim 2,93-fachen des Glencore-Kurses. Anders gesagt, bekommen Inhaber von Xstrata-Aktien drei Glencore derzeit für 11,90 Euro statt für 12,44 Euro, die sie gemessen am Umtauschverhältnis von ein zu 3,05 zahlen müssten.