Handelsblatt-Club-Gespräch Wie die Blockchain die Welt verändern wird – „Künftig ist der Programmierer dein Anwalt“

Unternehmensgründer Christoph Jentzsch erklärt Handelsblatt-Lesern die neue Welt der Blockchain. Dabei verschweigt er auch schwerwiegende Probleme und eigene Rückschläge nicht.

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Daniel Schäfer (li.), Ressortleiter Finanzen beim Handelsblatt, diskutiert mit Christoph Jentzsch, CEO von Slock.it, über das Thema Blockchain. Quelle: Bert Bostelmann für Handelsblatt

Frankfurt Christoph Jentzsch ist nicht zu bremsen. Mit bemerkenswerter Eloquenz und rekordverdächtigem Sprechtempo überschüttet der Software-Experte seine Zuhörer mit Erklärungen, Details und Anekdoten. „Das S bei IOT steht für Sicherheit“, sagt er zum Beispiel. „Leider kommt kein S in IOT vor“, setzt er unter dem Lachen der Handelsblatt-Leser hinzu, die zum Leseabend ins Büro der Frankfurter Redaktion gekommen sind.

IOT steht für „Internet of Things“ - für die Verbindung von Maschinen, die künftig nicht nur selbstständig zusammenarbeiten, sondern sich auch gegenseitig bezahlen können. Jentzsch nennt als Beispiel selbstfahrende Autos, die dann alleine ihre Akkus nachladen und einparken, wenn sie gerade nicht gebraucht werden. „Sonst müssten sie ja die ganze Zeit herumfahren, weil sie die Parkgebühren nicht bezahlen können“, sagt er.

Jentzsch erklärt nicht nur, er ist auch ein Missionar – aber einer mit erfreulich gesunden Distanz zu seinem eigenen Thema. Immer wieder macht er anschaulich, wie Ethereum, das zweite große Blockchain-Projekt nach der ersten und bekanntesten Kryptowährung Bitcoin, die Welt verändern wird.

Wie es künftig möglich sein wird, ohne Airbnb direkt über die Blockchain Zimmer zu buchen und zu vermieten. Wie Banken für den Zahlungsverkehr und viele Abwicklungsvorgänge überflüssig werden und sich auf Beratung und die Verwaltung der „privaten Keys“, der elektronischen Schlüssel für virtuelle Guthaben, konzentrieren werden.

Aber er verschweigt auch die Probleme nicht. „Künftig ist der Programmierer dein Anwalt“, sagt er. Denn wenn viele Vorgänge automatisiert ablaufen, können Programmierfehler sehr teuer werden.

Er hat auch keine Scheu, Horror-Szenarien zu benennen. So wäre es möglich, einen anonymen, automatisierten, im Nachhinein nicht mehr zu stoppenden Auftragsmord mit automatischer Belohnung auf der Blockhain zu installieren.

Ausführlich berichtet er auch von dem großen Flop in der Ethereum-Welt im Jahr 2016. Damals sammelte eine „Digitale Autonome Organisation“ (DAO), ein automatisches, auf der Blockchain laufendes Unternehmen, umgerechnet rund 150 Millionen Dollar ein. Die Investoren zahlten mit Ether, der virtuellen Währung, die zu Ethereum gehört.

Hacker entdeckten aber einen Software-Fehler und entwendeten rund 50 Millionen. Daraufhin programmierten die Entwickler von Ether das ganze System neu, um den Diebstahl ungeschehen zu machen. Jentzsch hat damals das Konzept für die DAO geschrieben. Er ließ sich durch den Flop nicht entmutigen: „Am Anfang passieren Fehler, damit sammelt man Erfahrungen.“

IOT, Internet of Things – das ist das wichtigste Thema der Firma Slock.it, die Christoph Jentzsch zusammen mit seinem Bruder Simon und Stephan Tual 2015 gegründet hat. Die Hälfte der rund 20 Mitarbeiter beschäftigt sich damit, ein entsprechendes System aufzubauen. Die anderen beraten Firmen, unter anderem waren Aufträge von Innogy und Siemens dabei.

Jentzsch ist eine Art Außenminister, vielleicht weil er am schnellsten von allen drei Gründern reden kann. Er berät unter anderem die Bundesbank und ist Mitglied des Fintech-Rats beim Bundesfinanzministerium.

Das Unternehmen sitzt nicht im Silicon Valley. Auch nicht in Berlin, einer Hochburg der Ethereum-Entwickler. Auch nicht in der Schweiz, wo aus regulatorischen Gründen die Ethereum-Stiftung gemeldet ist und zahlreiche verwandte Unternehmen zumindest ihren juristischen Sitz haben. Sondern in der sächsischen Kleinstadt Mittweida – „Made in Germany“, heißt es stolz auf der Webseite von Slock.it.

Warum Jentzsch ausgerechnet von dieser Kleinstadt aus die Welt revolutionieren will? Ganz einfach: Der 33-jährige, der mit acht Geschwistern aufgewachsen ist und selbst fünf Kinder hat, ist in Mittweida aufgewachsen und hat dort auch den größten Teil seines Lebens verbracht. Er hat Physik studiert, seine Doktorarbeit in dem Fach aber nicht zu Ende geschrieben.

„Ich hatte während des Studiums schon drei Kinder und brauchte Geld“, erzählt er. So wurde aus dem Doktoranden ein Unternehmer und Missionar der virtuellen Welt. Und Mittweida entwickelt sich zum Tech-Zentrum: Seit Neustem kann man an der Hochschule dort einen Master „Blockchain & Distributed Ledger Technologies“ machen.

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