
WirtschaftsWoche: Herr Cornehl, Sie liegen im Clinch mit staatlichen Lottoanbietern. In den vergangenen zwei Wochen hat die Tipp24-Aktie rund 40 Prozent verloren, weil Gerüchte aufkamen, der Gesetzgeber wolle Banken den Geldtransfer deutscher Wettkunden an ausländische Internet-Wettanbieter verbieten. Was steckt dahinter?
Hans Cornehl: Die Idee steht seit 2008 im Raum. Damals wurde der Glücksspiel-Staatsvertrag geschlossen. Wir weisen seitdem in unseren Berichten darauf hin, dass Kundengelder blockiert werden könnten.
Wie realistisch ist das Risiko?
In der Europäischen Union gilt die Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Zahlungen können nicht einfach verboten werden. Tipp24 ist kein illegaler Wettanbieter, unsere Gesellschaften haben Lizenzen in Großbritannien und werden von der Glücksspielaufsicht kontrolliert. Bankenverbände haben oft auf die Probleme der Zahlungssperren hingewiesen. Wer soll Schadenersatz zahlen, wenn eine Bank die Überweisung unrechtmäßig sperrt, der Kunde aber den Jackpot knackt?
Warum kommt das Thema jetzt hoch?
Es gibt ständig Diskussionen und gerichtliche Auseinandersetzungen darüber, wie das Wett- und Lotteriegeschäft in Deutschland geregelt werden soll. Der Staatsvertrag verstößt gegen europäisches Recht. Tipp24 gerät in Sippenhaft mit illegalen Anbietern.
Über Wetten kann Geld gewaschen werden, außerdem kann es süchtig machen. Warum sollte der Staat Ihnen helfen?
Er ist der größte Profiteur des Spieltriebs seiner Bürger. Mit den Milliarden aus Casinos und Lotterien finanziert er soziale Projekte. Aber die Einnahmen des staatlichen Lottos liegen weit unter dem EU-Durchschnitt. In den ineffizienten Lottogesellschaften geht viel Geld verloren – unter anderem für teure Lobbyisten und politische Versorgungsposten. Der staatliche Sportwetten-Anbieter Oddset hat gegenüber privaten Konkurrenten verloren. Lotto ist am strengsten reguliert, obwohl erwiesen ist, dass es keine Spielsucht fördert und für Geldwäsche ungeeignet ist.
Sie haben Ihren Sitz im Februar nach London verlegt und zahlen weniger Steuern.
Wir zahlen dort im Jahr über 26 Millionen Euro Steuern. Das war nicht der Grund für den Umzug. Wir wollen international wachsen. London ist das Zentrum der Branche und diskriminiert private Unternehmen nicht. Auch die Niederlande und Dänemark haben erkannt, dass sie Private für das Geschäft brauchen, und bieten denen ein vernünftiges Umfeld.
Anleger, die vergangene Woche massiv Aktien verkauft haben, konnten Sie nicht überzeugen. Größere Aktienbestände haben Fondshäuser wie Schroders, BNP Paribas und Credit Suisse.
Wir wissen nicht, wer verkauft hat. Unternehmensinsider waren es nicht, da wurde nichts gemeldet, aber auch Meldeschwellen bei anderen wurden nicht unterschritten. Unser Streubesitz liegt bei 80 Prozent, da gibt es immer Anleger, zu denen wir keinen Kontakt haben. Sie haben nach dem Erscheinen eines Berichts in der „Süddeutschen Zeitung“ zur Einschränkung von Geldtransfers verkauft. Bei vielen ist dadurch ein falscher Eindruck der Sachlage entstanden.
Ihr Geschäft lief im ersten Halbjahr auch nicht rosig. Unter anderem hat eine 6,7-Millionen-Euro-Jackpot-Auszahlung den Gewinn gedrückt.





In diesem Jahr ist es schwierig. Durch die Fußball-WM waren Sportwetten die Favoriten, und die bieten wir nicht an. Zudem gab es keine hohen Jackpot-Töpfe, die Kunden lockten. Jackpot-Auszahlungen in der höchsten Gewinnstufe bis 33 Millionen Euro zahlen wir aus der eigenen Kasse, für höhere Jackpots garantieren Investoren spezieller Anleihen.
Der Aktionär verdient am Pech der Spieler. Wo liegen weitere Chancen?
Wir sind technisch vorn, um vom Übergang des Wettgeschäfts ins Internet zu profitieren. Bislang laufen nur etwa fünf Prozent des Lotteriegeschäfts weltweit online. Im Ausland sind wir Dienstleister staatlicher Lotterien. So vertreiben wir die spanische Once, die weltgrößte Wohltätigkeitslotterie, im Internet. Unser zweites Projekt ist es, selbst Lotterien zu veranstalten. Unsere Prognose für 2014 liegt bei 135 bis 145 Millionen Euro Umsatz und 15 bis 25 Millionen Euro Ertrag vor Zinsen und Steuern.
Ihr großes Los wäre die Übernahme eines deutschen staatlichen Lottoanbieters.
Bis es so weit ist, müsste in Deutschland viel passieren. Aber wir verlieren unseren Glauben daran nicht.