Keine Frage: So schmerzlich wie jetzt war die Inflation für Verbraucher lange nicht mehr zu spüren. Vorläufigen Zahlen zufolge lag sie im Jahresvergleich im August in Deutschland bei 7,9 Prozent, in der Eurozone sogar bei 9,1 Prozent. Viele Menschen machen die steigenden Preise im Supermarkt an konkreten Produkten fest. Bei den einen ist es die Butter, die statt 1,99 Euro plötzlich 2,29 Euro kostet, bei anderen ist es Käse oder Milch. Spätestens der Blick auf die Gasrechnung verdeutlicht das Dilemma der Verbraucher: Alles wird teurer – wie schaffe ich es, dass auch mehr Geld reinkommt? Oder dass zumindest mein Geld nicht an Kaufkraft verliert?
Inflationsindexierte Anleihen, auch Inflation-Linked Bonds oder kurz Linker genannt, scheinen momentan die ideale Absicherung zu sein. Aber ist das tatsächlich so? Um diese Frage zu beantworten, müssen Anleger verstehen, wie Linker funktionieren.
Normalerweise handelt es sich bei den Papieren um Staatsanleihen. Wer sie erwirbt und damit etwa dem deutschen Staat Geld leiht, bekommt Zinsen. Diese liegen niedriger als bei normalen Staatsanleihen. Zusätzlich bekommen Anleger aber einen Inflationsausgleich. Der wird monatlich an die aktuell gemessene Teuerungsrate angepasst. Die Laufzeit der Papiere liegt normalerweise bei fünf oder zehn Jahren. Wer sie bis zur Fälligkeit hält, bekommt seinen ursprünglichen Einsatz zurück.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Deutlicher Zinsunterschied
Die Kupon-Differenz zu Staatsanleihen ohne Inflationsindexierung ist nicht zu unterschätzen. Eine vom Bund emittierte inflationsindexierte Anleihe mit einer Laufzeit bis 2033 bietet einen Kupon von gerade einmal 0,1 Prozent. Bei einer festverzinslichen Bundesanleihe mit ähnlicher Laufzeit sind es 1,7 Prozent. Die Rendite des Linkers, also der Kupon in Relation zum Kurs der Anleihe, ist zwar zuletzt leicht gestiegen. Sie liegt aber immer noch bei minus 0,7 Prozent. Zum Vergleich: Eine zehnjährige Bundesanleihe rentiert aktuell mit 1,59 Prozent.
Wegen des Inflationsaufschlags schneidet die inflationsgeschützte Anleihe nicht ganz so schlecht ab, wie es auf den ersten Blick scheint. Aktuell wird bei dem oben genannten Linker der Nennwert mit einem Inflationsfaktor von 1,12 multipliziert.
Der Inflationsschutz hat für Anleger allerdings einen Haken: Damit Linker sich lohnen, muss die tatsächliche Inflation die allgemeinen Inflationserwartungen deutlich übertreffen. Und selbst dann muss die Differenz erst den Renditenachteil der Linker im Vergleich zu normalen Anleihen wettmachen.
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Denn Linker schützen nicht vor hoher erwarteter Inflation, sondern vor unerwartet hoher Inflation. Nur, wenn die Preise noch kräftiger steigen als erwartet, machen Anleger mit den Papieren ein gutes Geschäft. Linker sind deshalb vor allem zu Beginn eines Inflationszyklus ein sinnvolles Investment, wenn die Preise noch nicht oder kaum erst gestiegen sind. Nun jedoch sind die Inflationserwartungen seit Monaten hoch. In den Kursen der Linker sind sie längst eingepreist. Die oben erwähnte inflationsgeschützte Anleihe mit einer Laufzeit bis 2033 hat aktuell einen Kurs von 108,85 Prozent und notiert damit deutlich über ihrem Nennwert von 100.
Insbesondere im Vergleich zu normalen Bundesanleihen sind Linker also sehr teuer. Damit sie ein lohnendes Investment sind, muss die Inflation noch höher ausfallen als erwartet. Und aktuell sind die Inflationserwartungen schon vergleichsweise hoch.
Wette auf die Notenbank
Während die Inflationsprognose für das Gesamtjahr 2022 zuletzt bei 6,1 Prozent lag, lag sie für 2023 zwar nur noch bei 2,8 Prozent. Sollen Linker Rendite bringen, muss die Inflation aber über ihre gesamte Laufzeit höher ausfallen als erwartet. Was das heißt, zeigt die sogenannte Breakeven-Rate. Sie gibt an, ab welcher Inflationsrate sich ein Linker gegenüber einer vergleichbaren festverzinslichen Anleihe lohnt. Die Finanzagentur des Bundes, die deutsche Staatsanleihen emittiert, gibt die Breakeven-Inflationsraten auf ihrer Website an.
Bei unserem Papier mit einer Laufzeit bis 2033 müsste die Inflation bis dahin stets bei mindestens 2,41 Prozent liegen und damit deutlich höher als von der Europäischen Zentralbank (EZB) eurozonenweit angestrebt. Wer Linker kaufen will, sollte erwarten, dass es der Notenbank nicht gelingt, die Teuerung unter Kontrolle zu bekommen.
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