Intelligent investieren

Der Preis für Risiko ist zu niedrig

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Die Zentralbanken haben den Preis für das Risiko künstlich reduziert. Das schiebt zwar die Konjunkturen an und treibt die Vermögenspreise in die Höhe, es stellt Investoren jedoch vor ganz besondere Probleme.

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Die Notenbanken sorgen dafür, dass die Risiken an den Anlagemärkten für allzu leicht befunden werden. Quelle: dpa

„Die Weltkugel liegt vor Ihm offen, wer nichts waget, der darf nichts hoffen“, so schrieb Friedrich von Schiller (1759–1805). Diesen Worten wird wohl jeder Investor zustimmen. Der umsichtige Investor wird jedoch sogleich darüber nachdenken wollen, welche Wagnisse, welche Risiken, sich lohnen einzugehen und welche nicht. Was aber ist überhaupt das Investitionsrisiko? Antwort: Es ist Wahrscheinlichkeit, das eingesetzte Kapital zu verlieren, beziehungsweise dass der Kapitalertrag hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Wer zum Beispiel eine Anleihe kauft, geht das Risiko ein, dass der Schuldner nicht zurückzahlt (er trägt also ein Kreditausfallrisiko), oder dass er mit entwertetem Geld entgolten wird (das ist das Inflationsrisiko). Wer in Aktien investiert, geht das Risiko ein, dass der Unternehmenserfolg geringer als erhofft ausfällt oder – im Extremfall – dass das Unternehmen scheitert und das eingesetzte Kapital verloren ist. Das kurzfristige Auf und Ab der Kurse ist für den langfristigen Investor hingegen kein Risiko.

Der Preis für Risiko

Risiken haben einen Preis, der durch Angebot und Nachfrage auf den Kapitalmärkten bestimmt wird. Er zeigt sich darin, dass schlechte Schuldner höhere Zinsen zahlen müssen als gute Schuldner. Kredite in unsoliden Währungen sind mit höheren Zinsen ausgestattet als Kredite in soliden Währungen. Aktien von risikoreichen Unternehmen handeln zu niedrigen, die von risikoarmen Unternehmen zu relativ höheren Kursen beziehungsweise Bewertungsmaßen.

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Wie wichtig ist der Preis für das Risiko? Er ist sehr wichtig. Der Preis für das Risiko sorgt nicht für die richtige Verwendung knapper Mittel und bringt die Interessen von Kapitalgebern und Kapitalnehmern in Einklang. Beispielsweise sichern Kreditausfallprämien, die den Kreditzins erhöhen, Anleiheinvestoren gegen unvorhergesehene Zahlungsausfälle ab. Gleichzeitig werden Kreditnehmer abgehalten, sich zu stark zu verschulden: Die Risikoprämie erhöht den Kreditzins und bremst die Fähigkeit, sich ungehemmt neue Kredite für risikoreiche Projekte beschaffen zu können.

Handelt die Aktie eines risikoreichen Unternehmens mit einem Abschlag, so verringert dies das Verlustrisiko des Investors – und gleichzeitig hat der Investor die Chance auf eine hohe Rendite, wenn sich das Unternehmen gut entwickelt. Aber auch für das Unternehmen selbst ist der Preis des Risikos wichtig: Es bestimmt seine Kapitalkosten – und trägt dazu bei, risikoreiche Investitionen in ökonomisch sinnvollen Grenzen zu halten. Es stellt sich die Frage: Erfüllen denn die Märkte derzeit ihre Aufgabe, richtige Preise für Risiken zu bestimmen?

Risikoempfinden eingeschläfert

Die Antwort muss negativ ausfallen. Denn die Zentralbanken haben in den vergangenen Jahren die Zinsen auf extrem niedrige Niveaus geschleust – und die Preise beziehungsweise Bewertungen aller Güter in die Höhe getrieben. Doch damit nicht genug. Die Geldpolitiker haben auch ein „Sicherheitsnetz“ unter die Finanzmärkte gespannt („Zentralbank-Put“): Sie haben den Marktakteuren de facto zugesichert, dass sie Rezessionen und auch Finanzmarkt-Crashs mit allen Mitteln „bekämpfen“ werden.

Vermutlich hat keine Zentralbank das so unmissverständlich verkündet wie die Europäische Zentralbank (EZB). Ihr Präsident Mario Draghi sagte am 26. Juli 2012, dass die EZB den Euro vor dem Zusammenbruch bewahren werde und alles machen werde, was dafür erforderlich ist; und dass die Finanzmärkte keinen Grund hätten, diese Verlautbarung anzuzweifeln. Mit dieser Aussage hat die EZB ganz vehement eingegriffen in die Preisbildung für das Risiko: Die Risiken werden nicht mehr richtig bewertet.

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