Leasing-Spezialist Shortseller gegen Grenke: Neues Wirecard oder kurzes Kursbeben?

Aktienkurs Verfremdet Quelle: imago images

Ein durch Wirecard bekannter Shortseller greift jetzt Grenke an. Der Leasing-Spezialist ist zwar seit Jahrzehnten erfolgreich und das Management unbescholten. Der Moment für den Angriff ist trotzdem ideal.

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Knapp eine Milliarde Euro an Börsenwert – futsch. Schon am Dienstag verlor die Aktie von Grenke 20 Prozent, auch die Anleihen kamen ähnlich stark unter die Räder. Der Kurssturz setzte sich am Mittwoch fort. Das Ergebnis: ein Kursverlust von mehr als 50 Prozent in nur zwei Tagen. Mittlerweile konnten sich die Grenke-Papiere zwar deutlich erholen. Doch eine Frage bleibt: Was ist passiert?

Der Leasing-Spezialist Grenke aus Baden-Baden ist ins Visier von Fraser Perring geraten. Der Brite ist der Kopf der Viceroy Research Group und hat einen 64-seitigen Bericht verfasst, in dem er Grenke viele Punkte vorwirft. Die reichen von betrügerischen Transaktionen verbundener Personen bis zu Geldwäschevorwürfen bei der Grenke Bank, einem schrumpfenden Markt, nicht vorhandenen Kontrollen und und und. Der Bericht trägt den Titel Grenke – For your Fraud financing needs, was man übersetzen kann mit „für Ihre Betrugsfinanzierungsbedürfnisse“. Das Muster der Angriffe ist immer ähnlich, so hat es Fraser schon bei Wirecard gemacht, und das ist jetzt sein Trumpf. Da sich seine Vorwürfe damals als sehr substanziell erwiesen haben, erreicht er sein erstes Ziel auch jetzt sehr schnell: Wetten auf fallende Kurse haben sich bei dem Kurssturz der Aktie ausgezahlt.

Bei den so genannten Short-Attacken wettet der Angreifer auf fallende Aktienkurse bei Veröffentlichung seines kritischen Berichts. Viele Investoren können die dort vorgebrachten Vorwürfe nicht sofort entkräften und verkaufen die Aktie vorsichtshalber, der Kurs fällt. Der Shortseller kauft Aktien zu dem niedrigen Kurs und gibt sie an einen Fonds oder an einen ETF-Anbieter zurück, von dem er sie sich zuvor gegen Gebühr geliehen hat. An dem Geschäft verdienen einige mit. Da es bei Grenke ebenfalls um Finanzierungsgeschäfte geht, die nicht sehr leicht zu verstehen sind und ebenfalls um ein komplexes Geflecht aus Gesellschaften, die eine Rolle spielen, liegt ein Vergleich zu Wirecard auf der Hand. Aber der zieht halt auch besonders gut, weil derzeit der Kapitalmarkt auf solche Meldungen hochnervös reagiert.

Bei Grenke legt sich Viceroy mit einem starken Großaktionär an. Wolfgang Grenke ist Milliardär, ihm und seiner Familie gehören 42 Prozent des an der Börse mit rund zwei Milliarden Euro bewerteten Unternehmens. Er gilt als integer, unbescholten. Noch in den vergangenen Monaten haben viele Insider eigene Aktien gekauft. Aufsichtsratsvorsitzender ist mit Ernst-Moritz Lipps ein früherer Dresdner-Bank-Vorstand.

Fondsmanager, die den Report gelesen haben, wollen Grenke durchaus mit ein paar Punkten konfrontieren. Manches kommt ihnen in dem Bericht allerdings sehr konstruiert vor. „Wer Grenke vorwirft, dass sie zu viel Cash haben und noch zu viel Geld aufnehmen am Kapitalmarkt, der versteht nichts von Bankbilanzen und den Kapitalanforderungen der Aufsichtsbehörden“, so ein Fondsmanager. Banken benötigen aus regulatorischen Gründen viel Geld auf der hohen Kante. Aber der Vorwurf erinnert halt an Wirecard und taugt damit gut, um Anleger nervös zu machen.

Ähnliches gilt für den Vorwurf, die Grenke Bank werde für Geldwäsche genutzt – auch das ziemlich suggestiv. Eine Bank hat vielleicht zwielichtige Kunden, kann diese Geschäftsbeziehungen allerdings dann auch lösen. Da die Aktie mit dem 26-fachen des Jahresgewinns hoch bewertet ist, würde die in dem Bericht erwähnte Wachstumsschwäche im Leasinggeschäft etwa für Drucker zu einem Problem. Allerdings hat Grenke auch schon längst neue Felder erschlossen und finanziert Laptops oder auch E-Bikes, und das sind durchaus Wachstumsmärkte.

Der Report kritisiert zudem die Form, wie Grenke expandiert. Auslandsgesellschaften werden seit Jahrzehnten von Mitarbeitern eröffnet, die mitunter aus den Ländern stammen, in denen Grenke ein Geschäft aufbauen möchte. Dieses Franchisemodell kritisiert Viceroy als „related party transactions“, es ist aber lange erprobt. Grenke macht Mitarbeiter zu Unternehmern und lässt sie eigene Gesellschaften aufbauen, sie sammeln dort Daten zu Kreditwürdigkeit und bauen ein Kreditscoring auf. Wenn sie sich dabei geschickt anstellen, kauft Grenke ihnen das Geschäft zu einem vorher vereinbarten Preis ab.

Das ist eine kuriose Variante der Expansion – andere übernehmen einfach größere Unternehmen – aber sie hat sich für Grenke bislang gelohnt. Das Risiko, das die ins Ausland entsandten ihr eigenes Ding machen und von den Standards bei Grenke abweichen, besteht allerdings. Nur machen sie das in eigenen Gesellschaften unter ihrem Namen. So hat Grenke in etwa zehn Jahren etwa 100 Millionen Euro für diese Unternehmen ausgegeben, um den Umsatz zu steigern: Die rund zehn Millionen Euro pro Jahr, die Grenke zahlte, fallen bei dem Umsatz von über 580 Millionen Euro nicht so ins Gewicht.

Ein weiterer Vorwurf lautet, Grenke verbuche Ausfälle in seinem Geschäft nicht richtig. Anderthalb von 64 Seiten beschäftigen sich damit und die genannten Fälle beziehen sich auf das Jahr 2010.

Als Lockvogeltaktik bezeichnet Viceroy die Anbahnung von Geschäften von Grenke-Resellern und macht das fest etwa an Beispielen aus Brasilien und Frankreich. Die Baden-Badener arbeiten mit 41.000 Partnern weltweit zusammen, dass es dabei schwarze Schafe gibt, ist wohl auch nicht zu verhindern. Die Partner verkaufen etwa IT und können Kunden dann statt einer Einmalzahlung einen Leasingvertrag anbieten, bei dem Grenke der Leasinggeber ist. Dies geschehe dann aber häufig zu völlig überzogenen Preisen. Grenke müsse die Reseller stärker kontrollieren, fordert Viceroy.



Vor allem die deutsche BaFin ist aufgeschreckt, die noch mit den Wirecard-Versäumnissen zu kämpfen hat. Sie hat die Aufsicht über das Finanzierungsleasing von Grenke und die Grenke Bank. Man untersuche die im Report erhobenen Vorwürfe auf Marktmissbrauch. Unmittelbar nach Veröffentlichung des Reports hat die BaFin eine Analyse gestartet, die einerseits möglichen Marktmanipulationen durch die Grenke AG nachgeht, etwa durch unrichtige Informationen zu Bilanzierungssachverhalten. Bis einschließlich 2017 prüfte EY die Abschlüsse.

Aber sie untersucht ebenfalls mögliche Marktmanipulationen durch Dritte, etwa in Form einer Shortattacke und mutmaßlichen Insiderhandels vor dem Erscheinen des Reports. Etwa an der Derivatebörse Eurex soll es zuvor zu auffälligen Short-Positionen gekommen sein, die durchblicken lassen, dass mancher von dem Report vorher gewusst haben könnte. Die BaFin teilt aber auch mit, dass sie, anders als in dem Report behauptet, keine Schreiben oder E-Mails von Fraser Perring und Viceroy erhalten habe. In dem Report heißt es, man habe die europäischen Aufsichtsbehörden informiert. Über Twitter gab Viceroy bekannt, dass sie die BaFin bereits vor sechs Wochen - bevor auch nur eine Shortaktie verkauft worden sei - in einem Brief informiert, zudem habe die BaFin vor einer Woche den vollen Report erhalten.


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Investoren sind auf die Reaktion von Grenke gespannt und hoffen, dass die Vorwürfe konsequent entkräftet werden können – aber auch das dauert beim Umfang eines solchen Berichts und könnte die Aktie noch ein paar Tage stark bewegen. Aber manche Aktie erholt sich von Angriffen. Auch der Werbevermarkter Stroer Media wurde bereits Ziel einer solchen Attacke, hat sich davon erholt, ProSiebenSat1 allerdings kam nach einem Angriff von Viceroy nicht wieder an die alte Kursmarke heran.

Mehr zum Thema: Schon sehr früh haben Kritiker in Internetforen darauf hingewiesen, dass mit Wirecard etwas nicht stimmt. Sie wurden beschimpft und verspottet – jetzt werden sie gefeiert.

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