Union Investment zu Kurssturz „Eine positive Gegenbewegung an den Märkten wäre nicht überraschend“

Benjardin Gärtner, Aktienfondschef der Union Investment, sieht vor allem technische Gründe hinter dem aktuellen Kurssturz an den Börsen.

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Union-Investment-Aktienfondschef: Gegenbewegung an Märkten möglich Quelle: dpa

Frankfurt Benjardin Gärtner ist kein Mann der lauten Töne: Deutlich wird der Aktienchef des genossenschaftlichen Fondshauses Union Investment aber schon mit Blick auf das jüngste Beben an den Märkten: Die heftige Korrektur zeige, dass die Kurse zuletzt zu weit geklettert sind, meint er. Die Aktienkurse könnten kurzfristig noch weiter absacken, bis sich der Rauch technischer Verkäufe verzogen hat. Doch sobald Investoren wieder auf die noch immer guten ökonomischen Daten schauen, könnte sich das Blatt wenden. Privaten Anlegern rät er daher, vorerst abzuwarten und vor allem die US-Märkte genau zu beobachten.

Herr Gärtner, was erleben wir aktuell an den Aktienmärkten: Eine Korrektur oder einen Crash, zumal der Dow Jones gestern zeitweilig so stark abstürzte wie nie zuvor?
Es handelt sich nach unserer Einschätzung ganz klar um eine Korrektur. Wir hatten an den Börsen ein starkes Jahr 2017 und einen noch besseren Januar 2018. Der Markt ist im Januar aus unserer Sicht zu schnell zu stark gestiegen, und die Investoren wurden daraufhin Stück für Stück vorsichtiger. Dann kam ein Signal zur Trendwende, und alle reagierten gleichzeitig. Allerdings muss man die Korrektur, so scharf sie auch war, in Relation setzen: Am Montag schlossen die US-Börsen auf dem Stand von Ende Dezember. Wir beobachten hier eine technische Korrektur, keine fundamentale Trendwende.

Welche Ursachen stecken wirklich hinter dem Beben? Ist es wirklich nur die Sorge vor einem ruckartigen Agieren der Fed angesichts anziehender Löhne und einer höheren erwarteten Inflation?
Ihren Ausgang nahm die Korrektur am Freitag mit dem starken US-Arbeitsmarktbericht. Am Markt ging die Sorge um, dass die Inflation in den USA deutlich steigt und die Fed darauf mit einer strafferen Geldpolitik reagiert. Diese Entwicklung traf zusammen mit einem sehr starken Januar und der äußerst bullishen Stimmungslage vieler Investoren. Was wir aber am Montag und in der Nacht zum Dienstag gesehen haben, waren vor allem technische Reaktionen auf diese initiale Marktbewegung. Hier haben unter anderem systematische und quantitative Investoren Verkaufssignale umgesetzt.

Inwieweit verstärken Indexfonds (ETFs) und technische Order durch algorithmengesteuerte Handelssysteme die Kursreaktion? Wie konnte es zu einer derart heftigen Reaktion kommen?
ETF-Trading hat zuletzt etwa 40 Prozent des Gesamtvolumens in US-Aktien ausgemacht, natürlich trägt das erheblich zu den Kursbewegungen bei. Das gleiche gilt für die Algotrader [automatisch nach Algorithmen handelnde Investoren, Anm. d. Red.], die durch die angestiegene Volatilität auf breiter Front Verkaufssignale generieren.


„Die Korrektur kann anhalten, aber wir sind positiv überrascht“

Wie weit können große Indizes wie der Dow und der Dax noch korrigieren?
Der technische Verkaufsdruck ist vorhanden, daher können die Kurse auch noch weiter korrigieren. Allerdings ist das fundamentale Bild nach wie vor intakt. Sobald die ökonomische Datenlage wieder in den Fokus der Investoren rückt, werden die Börsen sich stabilisieren. Eine positive Gegenbewegung an den Märkten wäre nicht überraschend. Denn die genauere Analyse der Marktbewegungen zeigt etwa, dass die Divergenzen zwischen den Sektoren überschaubar sind. Und andere Assetklassen wie etwa Rohstoffe oder Unternehmensanleihen sind bislang nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Das sieht für uns nicht nach einem grundsätzlichen Trendwechsel aus.

Welche Segmente sind besonders gefährdet?
Zuletzt waren vor allem der Energiesektor und die Finanzbranche betroffen.

Welche Entwicklung erwarten Sie nun an den Aktienmärkten in diesem Jahr? Ist die Volatilität zurück oder erleben wir eher einen Ausreißer?
Die Korrektur kann zwar noch anhalten, aber grundsätzlich bleiben wir optimistisch. Wir sehen einen starken makroökonomische Datenkranz in allen wichtigen Wirtschaftsregionen. Darüber hinaus ist die Gewinnsituation der meisten Unternehmen komfortabel und die Bewertungen, insbesondere in Europa, sind nicht übertrieben hoch. Wir erwarten daher, dass sich die Entwicklung stabilisiert, sobald der Verkaufsdruck durch die technisch getriebenen Verkäufer nachlässt und fundamentale Investoren wieder in den Markt gehen. Dass die Volatilität nach dem außergewöhnlich schwankungsarmen Jahr 2017 wieder ansteigt, ist nicht überraschend. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass 2018 ein gutes Aktienjahr wird.

Verstärkt sich durch das hektische Umschichten nicht die Blase am Anleihenmarkt?
Wir haben gerade seit Anfang Januar am Anleihemärkten deutlich steigende Renditen gesehen. Das wirkt einer Blase eher entgegen.

Was raten Sie Anlegern?
In der aktuellen Phase sollten Anleger nicht hektisch agieren, sondern die Märkte insbesondere in den USA beobachten. Kaufgelegenheiten entstehen erst wieder, wenn sich die fundamentalen Daten gegen die Markttechnik durchsetzen. Aber das wird kommen, weil die Fundamentaldaten schlicht sehr gut sind.

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