Es kommt nicht oft vor, dass Spaniens König Juan Carlos wildfremden Menschen die Hand halten muss, um sie zu beruhigen. Während des Champions-League-Halbfinales zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund (BVB) bewahrte Seine Majestät so womöglich seinen Sitznachbarn, BVB-Boss Hans-Joachim Watzke, vor einem Nervenzusammenbruch. In der Schlussphase der Partie reichte der königliche Beistand nicht mehr aus: Watzke konnte es nicht mehr mit ansehen, schloss sich auf einer Toilette ein und hielt sich bis zum Schlusspfiff die Ohren zu.
BVB-Aktionäre sind Zitterpartien gewohnt. 2005 trieben teure Spielertransfers und -gehälter, sportliche Misserfolge und ein Wucher-Mietvertrag für das Stadion den BVB um ein Haar in die Insolvenz. Die Aktie, im Herbst 2000 zu elf Euro das Stück und mit großem Brimborium von Watzkes Vorgängern an die Börse gebracht, fiel auf 80 Cent. Heute steht sie bei 3,28 Euro, ist aber noch nicht ausgereizt.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Auch entscheidende Wahlen sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Denn die Bundesliga eilt von Publikums- zu Publikumsrekord; in Summe sahen in der Saison 2011/12 knapp 14 Millionen Menschen die Spiele. Euro-, Finanz-, Banken- oder Schuldenkrise? Nicht im Fußball. Selbst in den Krisenjahren 2008 und 2009 steigerte die Liga Umsätze und Gewinne. Der Boom dürfte weitergehen. Sponsoren reißen sich um die Spitzenclubs; gerade zog Dortmund einen lukrativen Deal mit Turkish Airlines an Land, der FC Bayern verhandelt mit mehreren Konzernen, die sich – wie schon Adidas und Audi – für geschätzte 100 Millionen Euro rund neun Prozent an dem Club sichern wollen. Auch die TV-Rechte verkauft die Deutsche Fußball Liga jedes Mal teurer, zuletzt zahlten ARD, ZDF, Telekom und Sky 628 Millionen Euro für die Rechte der Saison 2013/14; bislang kosteten die pro Saison 412 Millionen Euro. Der Fußball erlebt eine Sonderkonjunktur.
„Es gibt, jenseits vom zyklischen Auf und Ab der Weltkonjunktur, immer Nischen, die konjunkturunabhängig sind – etwa, weil die Produkte der Branche immer gebraucht werden oder ein Technologiewandel stattfindet, der einer Branche stetig wachsende Umsätze beschert“, sagt Daniel Stelter, Partner bei Boston Consulting.
Seit fast 30 Jahren hat zum Beispiel die Softwarebranche Konjunktur: Weil immer mehr zwischen Ein- und Verkauf automatisiert ist, können es sich Unternehmen nicht mehr erlauben, mit veralteter Informationstechnik zu arbeiten. Auch das Gesundheitswesen boomt: Eine ältere Bevölkerung ist öfter und länger krank und braucht mehr medizinische Leistungen.
Der deutsche Bau wiederum profitiert von der Krise: Angetrieben von der Sorge um Euro-Stabilität und Inflation, stecken viele Bürger ihr Erspartes in Ausbau und Sanierung der eigenen vier Wände, oder sie investieren in Objekte zur Kapitalanlage. Neben der Flucht in Sachwerte treiben die niedrigen Bauzinsen die Branche an.
Vorzüge von Nischenbranchen
Mit kleinen und mittleren Aktien wie Borussia Dortmund (Börsenwert: 202 Millionen Euro) können Anleger gezielt auf solche prosperierenden Nischen setzen. „Nebenwerte eignen sich meist besser als große Dax-Werte, um als Anleger auf Trends oder Nischenbranchen zu setzen“, sagt der Hamburger Hedgefondsmanager Robert Suckel. Ihre Vorzüge:
- Fokussiert Mit der Aktie eines Großkonzerns wie Siemens lässt sich nur eingeschränkt vom Boom der Medizintechnik profitieren. Gewinn und Aktienkurs werden von zu vielen anderen Größen bewegt, etwa vom Energiegeschäft. Mit Spezialisten wie Drägerwerke, Eckert & Ziegler (siehe Seite 5) oder Pulsion setzen Anleger zu 100 Prozent auf die Branche.
- Flexibel Ergeben sich neue Marktchancen oder zieht die Branchenkonjunktur an, reagieren die Kleinen in der Regel schneller als Konzerne. Sie haben kürzere Entscheidungswege und können zeitnah auf Kundenwünsche reagieren.
- Unverfälscht „Die Kurse der kleinen Aktien reagieren stärker auf Nachrichten aus dem Unternehmen selbst, weniger auf die Großwetterlage in Politik und Weltkonjunktur“, sagt Reiner Sachs vom Fondsanbieter Shareholder Value. Auf lange Sicht wirken sich ein gutes Management oder Top-Produkte stärker auf den Kurs aus als bei Konzernen. Deren Aktienkurse hängen stärker am allgemeinen Börsentrend.
- Unterschätzt An der Börse finden viele der kleinen Werte kaum Beachtung. Medien berichten kaum; Banken verfassen keine Studien. Es lohnt sich nicht, weil die Aktien für die meisten Fonds oder Pensionskassen ohnehin nicht infrage kommen – zu klein, zu wenig gehandelt, Großorders bewegen den Kurs zu stark.
„Das kann im günstigen Fall dazu führen, dass die Kleinen an der Börse unterbewertet sind“, sagt Suckel. „Die Chance, Perlen zu fischen, ist bei Nebenwerten immer gegeben“, sagt Stephan Simmroß von der Heidelberger Fondsboutique FPS, „es kann aber lange dauern, bis sich die Unterbewertung auflöst. Drei bis fünf Jahre Geduld sollten Anleger mitbringen.“
Wie lukrativ die Kleinen sein können, zeigt ein Depot aus 16 Werten, die die WirtschaftsWoche im Juli 2012 empfahl. Die Aktien legten im Schnitt 34 Prozent zu (ohne Dividenden) und hängten auch den Dax ab. In der Tabelle auf Seite 147 finden Anleger zu jedem Titel eine Empfehlung, was jetzt zu tun ist. 15 Werte sind im Plus – aber auch nicht mehr so günstig bewertet wie vor knapp einem Jahr. Vor allem exportabhängige und konjunktursensible Werte aus Branchen wie Kfz-Zulieferung und Maschinenbau sind gut gelaufen.
Doch die Erholung der Weltkonjunktur vom Krisentief 2009 könnte ins Stocken geraten. „In diesem und im nächsten Quartal rechnen wir bei vielen Firmen mit stagnierenden oder leicht rückläufigen Gewinnen“, sagt Christian Struck vom Fondsberater Discover Capital. Viele Exportwerte haben im ersten Halbjahr 2012 noch vom damals gegenüber dem Dollar schwachen Euro profitiert; ein Sondereffekt, der nun nicht mehr wirkt. „Die Latte aus den Vergleichsquartalen des Vorjahres dürfte für viele Unternehmen zu hoch liegen, sodass kurzfristig Enttäuschungen drohen“, fürchtet Struck.
„Auf die lange Sicht“, meint Struck, „ist die Aktie aber alles andere als unattraktiv, vor allem angesichts der Alternativen.“ Das Problem ist bekannt: Die Zinsen sind unten, Immobilien sind teuer geworden, und Gold könnte seinen Nimbus als sicherer Hafen verlieren. „Gute Aktien aus Branchen mit eigener Konjunktur kann man eigentlich immer kaufen“, sagt Fondsmanager Simmroß. Auf den folgenden Seiten stellt die WirtschaftsWoche elf vielversprechende Werte vor.
Sto, Conwert und Uzin Utz
1. Sto Der Boom am Bau treibt den Dämmstoffspezialisten Sto. Das Unternehmen profitiert von Sanierungen, zum Bauboom kommen bei Sto auch noch die stetig steigenden Energiepreise, die so manchen Hausbesitzer bewegen, seine eigenen vier Wände in Styropor oder Steinwolle zu verpacken. 40,1 Millionen Quadratmeter Fassadendämmung wurden 2012 in Deutschland verlegt, das ist nicht ganz so viel wie im Rekordjahr 2011, aber noch sehr ordentlich. Der leichte Rückgang lag am frühen Wintereinbruch 2012.
Der Markt für die Dämmstoffhersteller wie Sto ist auch in den nächsten Jahren äußerst lukrativ, meint Fondsmanager Sachs: „Im Schnitt werden in Deutschland pro Jahr nur rund 1,5 Prozent des Bestandes an Wohnungen energetisch saniert“, sagt Sachs, „bis der Markt gesättigt ist, müssen wohl die ersten Dämmungen schon wieder renoviert werden.“
Die Sto-Aktie hat an der Börse schon gut zugelegt, doch wächst der Gewinn mit: Von 8,49 Euro pro Aktie 2010 stieg er auf 10,08 Euro 2012; für 2013 schätzen die Analysten im Durchschnitt 10,62 Euro und für 2014 11,34. Das Unternehmen sitzt zudem netto auf 78 Millionen Euro Cash und ist mit einer Eigenkapitalquote von 65 Prozent sehr solide finanziert. Bei Kursen um 110 Euro ist die Aktie daher ein langfristiger Kauf.
2. Conwert projektiert, baut, verwaltet und vermietet Wohnungen. Ein Schwerpunkt ist das Sanieren von Altbauten in bevorzugten Lagen. Nach dem Einstieg eines Investors (Peter Haselsteiner, Chef des Baukonzerns Strabag, kaufte direkt und über das Vehikel Petrus 24,4 Prozent), einem Managementwechsel und einer Gewinnwarnung könnte der Aktie der Turn-around gelingen. Im Januar schrieb das neue Management mehr als 110 Millionen Euro an Wert vom alten Bestand ab. Nun sollte zumindest die Bilanzbereinigung abgeschlossen sein.
Nun expandieren die Österreicher fleißig nach Deutschland. Zuletzt kaufte Conwert 61 Prozent am deutschen Vermieter KWG, rund 10.000 Wohnungen. Hier haben die Wiener gute Geschäftsbedingungen ausgemacht. „Neben der hohen Nachfrage durch Erstbesitzer und Kapitalanleger treiben in Deutschland die Tendenz zu kleineren Haushalten, steigende Haushaltszahlen und eine zunehmende Wohnfläche pro Haushalt und die Zuwanderung vom Land in die Städte den Wohnraumbedarf“, sagt KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner.
Anders als die meisten deutschen Wohnimmobilien-Bestandshalter wie Gagfah, Patrizia oder TAG, notiert die Conwert-Aktie bei rund neun Euro noch weit unter dem Wert des Immobilienportfolios (Net Asset Value), welcher 2012 auf 16,10 Euro je Aktie geschätzt wird und 2013 auf 17,20 Euro. Die Aktie ist spekulativ, weil der Strategiewechsel des neuen Managements sich erst noch beweisen muss; dafür hat das Papier Potenzial; ein Verdoppler ist drin.
3. Uzin Utz aus Ulm stellt Kleber für Bodenbeläge wie Parkett und Fliesen her. Kunden sind meist Handwerksbetriebe, die klassisch über Großhandel und Direktvertrieb bedient werden. Die Profihandwerker sind weniger preissensitiv als Baumarktkunden oder Architekten von Großprojekten; sie bezahlen die durchschnittlich zehn Prozent mehr, die Uzin im Vergleich zu Konkurrenzprodukten verlangt. Außerdem sind sie sehr loyal: Handwerksbetriebe wechseln nicht wegen eines kleinen Preisvorteils das Produkt. Auf der Rechnung für den Boden macht der Parkettkleber nur zwei Prozent des Gesamtpreises aus. Kaum ein Bodenverleger geht das Risiko einer Reklamation ein, weil er mit billigem Kleber experimentiert hat.
Dafür bekommen die Handwerker bei Utz auch Premiumqualität. In Umfragen einschlägiger Fachmagazine belegen die Uzin-Produkte seit Jahren vordere Plätze. Konkurrenz durch Großkonzerne wie BASF, Saint Gobain, Sika oder Henkel spürt Uzin dank dieser Strategie nur wenig, da die Klebstoffe in kleinen Mengen regional produziert und zeitnah an die Handwerker geliefert werden; für die Großen ist dieses Geschäft zu wenig skalierbar. 60 Prozent des Umsatzes stammen aus Sanierungen, der Rest vom Neubau, überwiegend aus Deutschland.
Uzin merkte wie der gesamte Bau im ersten Quartal 2013 den langen Winter. Dennoch dürften 2013 mehr als 220 Millionen Euro Umsatz und ein Vorsteuergewinn von 15 Millionen Euro (Ebit) erreicht werden, was einem Umsatzplus von rund fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr entspräche, in etwa Uzins langjährige Wachstumsrate. Das Ebit sollte gegenüber 2012 mit plus acht Prozent überproportional zulegen; mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von zehn und einer Dividendenrendite von rund vier Prozent ist die Aktie günstig.
Anleger profitieren mit Uzin ungefiltert vom deutschen Bau- und Sanierungsboom, müssen sich aber darüber im Klaren sein, dass sie einen klassischen Nebenwert erwerben: Uzin berichtet nur halbjährlich, nur wenige Analysten beobachten die Aktie. Der Streubesitz ist mit 18 Prozent gering; stärkere Kursschwankungen kennt das Papier trotzdem kaum, die Großanleger sind treu, Unternehmensinsider kaufen immer wieder zu.
Innotec TSS, Helma Eigenheimbau und Bechtle
4. Innotec TSS stellt vor allem Türen aus Aluminium, Kunststoff und Holz her. Die machen rund 60 Prozent der Erlöse aus, in den vergangenen drei Jahren wuchs das Hauptgeschäft Türsysteme im Schnitt um fünf Prozent pro Jahr. Ein Großteil der Umsätze entfällt aufs Ersatzgeschäft; viele alte Haustüren entsprechen nicht mehr den Standards bei Einbruchs-, Brand- und Wärmeschutz. Daneben produziert Innotec Lagersysteme für Brücken und Hochhäuser. Ein Spezialgebiet, das viel Know-how erfordert, eine hohe Hürde für potenzielle Konkurrenten. So müssen schwere hohe Gebäude über einer U-Bahn-Trasse oder in Erdbebengegenden speziell gelagert werden. Das Berliner Hotel Adlon und die Kuppel des Reichstags ruhen zum Beispiel auf Lagern von TSS. TSS stellt auch Matrizen (Gussformen) aus Flüssigkunststoff her. Mit ihnen lässt sich Sichtbeton für Mauern und Decken mit individuellen Mustern und Strukturen versehen; ein Geschäft, das vor allem in Asien gut läuft.
Das Unternehmen ist mit einem Börsenwert von 72 Millionen Euro und gut 87 Millionen Euro Umsatz relativ klein, die Aktie sollte nur als Depotbeimischung genutzt werden. Der Konzernumsatz stieg 2012 gegenüber 2011 um 5,8 Prozent, der Gewinn (Ebit) ging leicht zurück auf 12,8 Millionen Euro (Vorjahr: 13,8 Millionen), allerdings hatten den Gewinn 2011 Sondereffekte beflügelt, und 2013 soll – trotz des kalten Wetters – sehr gut angelaufen sein, so das Management. Innotec ist mit einer Eigenkapitalrendite von 20 Prozent und einer Gewinnmarge vor Steuern (Ebit) von 15 Prozent sehr profitabel, und mit einem KGV unter acht günstig bewertet. Die Bilanzkennzahlen sind solide, die Eigenkapitalquote liegt bei 54 Prozent. Der Chef ist über seine Beteiligungsgesellschaft zu 25 Prozent am Unternehmen beteiligt.
5. Helma Eigenheimbau Günstige Bauzinsen, kaum Zins aufs Ersparte und die Flucht kapitalstarker Anleger in Immobilien aus Angst vor Inflation haben erst die Immobilienpreise befeuert, dann auch den lange darbenden Wohnungsbau. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2012 gut 239 000 Baugenehmigungen erteilt, 35 Prozent mehr als 2010. Sowohl der Umsatz der Baubranche (plus 4,7 Prozent) als auch der Auftragseingang (plus 9,2 Prozent) stiegen 2012. Laut Verband des Bauhauptgewerbes gehen dessen Mitglieder mit prall gefüllten Auftragsbüchern in die Saison 2013. „2013 wird der Wohnungsbau ein Wachstumsmotor der deutschen Konjunktur sein“, sagt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der staatlichen Förderbank KfW.
Helma ist Anbieter von individuell geplanten Massivbauhäusern. 2012 setzte Helma 114 Millionen Euro um, machte daraus 7,34 Millionen Euro Vorsteuergewinn (Ebit). Im ersten Quartal lag der Nettoauftragseingang bei 35 Millionen Euro, deutlich über Vorjahr. Analysten schätzen für 2013 140 Millionen Euro Umsatz und 9 Millionen Ebit. Dabei verbessern die Niedersachsen auch die Ebit-Marge (Gewinnanteil am Umsatz) stetig; von 3,7 Prozent 2010 auf 6,5 Prozent 2012. Trotz Kapitalerhöhung, bei der neue Aktien ausgegeben wurden, stieg auch der Gewinn pro Aktie. Helma legt auch bei der Dividende jedes Jahr eine Schippe drauf. Zuletzt gab es 35 Cent je Aktie nach 20 Cent 2011. 2013 könnten es 40 Cent werden.
Dass der deutsche Bau- und Sanierungsboom bald abebbt, steht kaum zu befürchten: Weder drohen akut höhere Bauzinsen, noch lässt der Deutschen Faible für Betongold nach. Vor allem: Die Quote der Eigenheimbesitzer ist im europäischen Vergleich mit 41 Prozent niedrig; in Umfragen geben immer mehr Deutsche an, sich ein eigenes Heim zu wünschen. Helma sollte angesichts solider Kapitalausstattung und guter Marktposition von diesen Sehnsüchten profitieren.
6. Bechtle Als Großer im Markt für IT-Service (6000 Mitarbeiter, 75.000 Kunden, 2,1 Milliarden Euro Umsatz 2012) profitiert Bechtle von einem Trend: Software- und Hardwarehersteller verlangen von ihren unabhängigen Servicedienstleistern immer bessere Qualifikation, die in Form von Zertifikaten nachgewiesen werden muss. Außerdem werden die IT-Umgebungen mit dem Trend zum Cloud Computing immer anspruchsvoller. Viele kleine Serviceanbieter gehen bei den großen Ausschreibungen leer aus oder machen gar nicht mehr mit.
Im vergangenen Geschäftsjahr (2012) hat Bechtle mächtig aufgestockt und 500 neue Mitarbeiter eingestellt, die meisten hoch qualifiziert. Das drückte den Gewinn pro Aktie leicht gegenüber dem Vorjahr, von 2,99 Euro auf 2,69. Der Umsatz legte jedoch zeitgleich um fünf Prozent zu. Die Delle beim Gewinn sollte schnell ausgewetzt werden können; Analysten rechnen im Schnitt mit 3,08 Euro Gewinn pro Aktie 2013 und mit 3,42 Euro 2014.
In den kommenden Jahren will Bechtle kräftig wachsen. Auf Roadshows versprach das Management Fondsmanagern und Vermögensverwaltern „10.000 Angestellte, fünf Milliarden Euro Jahresumsatz und fünf Prozent Nettogewinnmarge bis 2020“. Das scheint fast größenwahnsinnig, könnte aber klappen, wenn die finanz- und Cash-Flow-starke Bechtle (netto Finanzmittel: 100 Millionen Euro) weiterhin kleine Konkurrenten aufkauft. Aus eigener Kraft ist das Wachstum gut, aber nicht ganz so heroisch: Für 2013 rechnen Analysten mit 2,2 Milliarden Euro Umsatz, 2014 sollen es 2,3 Milliarden sein. Anleger sollten Bechtle im Laufe der nächsten Monate als dividendenstarke Langfristposition im krisenfesten IT-Servicesegment bei Kursen um die 26 bis 30 Euro aufbauen.
GFT Technologies, Eckert & Ziegler und Evotec
7. GFT Technologies versteht sich als „integrierter Systemlösungsanbieter“. Was sperrig klingt, heißt einfach: GFT entwickelt und verkauft Software, implementiert und wartet sie auch selbst. Serviceumsätze sind relativ gut planbar und langfristig stabil. Das Softwaregeschäft wiederum stärkt die Gewinnmarge, es ist im Gegensatz zum Service gut skalierbar (Entwicklungskosten fallen nur einmal an, aber der Verkauf kann bei Bedarf multipliziert werden). Aus dem margenschwachen Service mit Software Dritter hat sich GFT inzwischen zurückgezogen. 2011 litt die Aktie unter der relativ starken Abhängigkeit GFTs von der Finanzindustrie (60 Prozent der Umsätze). Der Umsatz ging 2011 wegen der Trennung vom Fremdservice und der Bankenkrise von 272 auf 231 Millionen Euro zurück. Inzwischen haben sich die Umsätze aber stabilisiert und sollten bald wieder steigen. Der Gewinn (Ebit) blieb selbst in den Krisenjahren mit rund elf Millionen Euro stets stabil.
Um sich unabhängiger von der deutschen Finanzbranche zu machen, treiben die Schwaben ihre internationale Expansion voran. Zudem mehren sich die Anzeichen, dass die Banken ihre in den vergangenen vier Jahren geübte Investitionszurückhaltung aufgeben könnten. Gelingt dies, ist GFT ein Schnäppchen: Das KGV liegt bei 10, die Dividendenrendite bei 4,4 Prozent. Bei Kursen um 3 Euro steigen Langfristanleger ein.
8. Eckert & Ziegler baut schwach radioaktive Komponenten für Medizin und industrielle Messtechnik. Kunden sind neben Kliniken, niedergelassenen Radiologen und wissenschaftlichen Instituten auch die großen Medizintechnikhersteller GE und Siemens, die Eckert & Ziegler mit Strahlungsquellen beliefert, etwa für Geräte zur Tumorbestrahlung.
2012 setzten die Berliner 120 Millionen Euro um, etwa ein Drittel davon in den USA und knapp 30 Prozent in Deutschland, und erwirtschafteten daraus 19,7 Millionen Euro Gewinn (Ebit). Vergangene Woche legte das Unternehmen enttäuschende Zahlen für die ersten drei Monate 2013 vor. Vor allem der Gewinn enttäuschte. Er litt unter einer Rückstellung für strengere Vorschriften bei der Entsorgung schwach radioaktiven Materials. Hinzu kamen verzögerte Auslieferungen von Geräten, die bereits bestellt und teilweise angezahlt sind, jedoch noch nicht gebucht werden konnten. Es dürfte sich also um temporäre Dellen handeln. Dementsprechend dürften die Jahresziele (125 Euro Umsatz, knapp 20 Millionen Euro Ebit) erreicht werden. Die Börse reagierte auf die schwachen Quartalszahlen mit einem Kursabschlag von rund neun Prozent; für geduldige Anleger eine Einstiegsgelegenheit. Das KGV liegt bei rund 11,5 und damit deutlich unter dem Wert anderer Medizintechniker.
9. Evotec ist, anders als die meisten Biotech-Rivalen, schon seit Jahren profitabel, wenn auch meist nur mit einer schwarzen Null. Bald könnte sie richtig Gewinn schreiben. Der Charme des Geschäftsmodells: Evotec hat Kooperationen mit namhaften Pharmakonzernen, die Forschungsprojekte durchfinanzieren; viele Wirkstoffe befinden sich bereits in der Endphase der klinischen Entwicklung und könnten kurz vor der Markteinführung stehen. So entwickeln die Norddeutschen ein Alzheimer-Medikament mit Roche und ein Mittel gegen Schlafstörungen mit der chinesischen JingXin. Gegen Diabetes hat Evotec mehrere Eisen im Feuer: Wirkstoffe in Kooperation mit Teva, Boehringer Ingelheim, Janssen und AstraZeneca stehen bereits in späten Entwicklungsphasen.
Aufsehen erregte eine Meldung Ende April, wonach Evotec zusammen mit einem Harvard-Professor ein Hormon entdeckt hat, welches die für die Insulinproduktion verantwortlichen Zellen anregt und so Diabetikern langfristig einige Insulinspritzen pro Tag ersparen könnte (WirtschaftsWoche 18/2013). Ein immens großer Markt, wenn auch noch in relativ ferner Zukunft. Die Aktie notiert dennoch weit unter ihren Höchstständen. Gelangt einer der Hoffnungsträger bald auf den Markt, hätte sie erhebliches Potenzial. Schwankungen müssen Anleger aber aushalten.
Francotyp Postalia und Borussia Dortmund
10. Francotyp Postalia stellt Frankiermaschinen her. Etwas überraschend: International ist das ein Wachstumsgeschäft. Denn dazu gehört mittlerweile ein umfangreiches IT- und Servicegeschäft, das Francotyp zunehmend mit bedient. Dabei profitiert das Unternehmen auch vom Trend zum Auslagern von Poststellen.
Potenzial hat Francotyp noch im internationalen Vertrieb, einem Bereich, den das Unternehmen in der Vergangenheit arg vernachlässigt hat. Relativ gut läuft bereits das US-Geschäft, in Frankreich und Großbritannien hat Francotyp inzwischen seine Chancen erkannt und baut den Vertrieb aus. Frankreich ist der größte Brief- und Päckchenmarkt der Welt. Die guten Aussichten spiegeln sich an der Börse noch lange nicht wider: Die Aktie kostet nur den rund elffachen Gewinn des abgelaufenen und geschätzt den sechsfachen Gewinn des laufenden Geschäftsjahres.
11. Borussia Dortmund, der einzige deutsche Fußballclub an der Börse, war 2005 schon fast insolvent. Geschäftsführer Watzke leitete den finanziellen Umschwung mit dem Rückkauf des zu teuer gemieteten Stadions ein, mit Trainer Jürgen Klopp und dessen Team kam dann auch der sportliche Erfolg: 2009/10 gelang die Rückkehr ins europäische Geschäft, 2010/11 mit dem nur achthöchsten Etat der Liga die deutsche Meisterschaft. Sportlicher und wirtschaftlicher Erfolg hängen im Fußball eng zusammen: Die Vereine auf den vorderen Plätzen bekommen die meisten Fernsehgelder und locken mehr Sponsoren an. Die größten Fleischtöpfe stehen in der UEFA Champions League. Bayern und Dortmund haben dort schon vor dem Finale am 25. Mai je 56 Millionen Euro verdient – in etwa den Jahresumsatz eines mittleren Vereins wie Hannover 96.
In der Aktie schlummert – trotz des Anstiegs – Potenzial. Der Wert des Spielerkaders wird auf über 200 Millionen Euro geschätzt. Das entspricht dem Börsenwert, das operative (hoch profitable) Geschäft des BVB gibt es an der Börse also geschenkt. Im vergangenen Geschäftsjahr schrieb der Verein bei 189 Millionen Euro Umsatz 34 Millionen Euro Gewinn – mehr als Bayern München, der fast doppelt so viel umsetzte, aber mindestens eine Milliarde Euro wert sein soll. Zwar ist Gewinn im Fußball eine schwankende Größe, doch die BVB-Einnahmen stützen sich auf viele Quellen, was einen herben Einbruch verhindern sollte. 28 Prozent der Umsätze stammen aus Werbung, 13 aus Trikot- und Devotionalienverkauf, 17 aus Tickets und 34 aus TV-Geldern. Wichtig: Für die nächste Champions-League-Saison ist der Club bereits qualifiziert. Durch die Auftritte in Europa gewinnt er international neue Anhänger; für Werbekunden und Sponsoren wird er damit noch attraktiver. Laut Sportrechtevermarkter Sportfive hat Dortmund bundesweit 3,7 Millionen organisierte Fans und 25 Millionen Sympathisanten, weltweit sollen es 40 Millionen sein.
Das Risiko: Für sportliche und damit wirtschaftliche Erfolge gibt es im schnelllebigen Sport keine Garantien, das Blatt kann sich schnell wenden. Anleger verübeln den Dortmundern noch die Exzesse der Vergangenheit und den Kursverfall der Aktie. Sie sollten auch wissen, dass für das BVB-Management nicht der finanzielle, sondern der sportliche Erfolg Priorität hat.
Aber an dem Versprechen Watzkes, diesen nie wieder überteuert einzukaufen, sondern nur Geld auszugeben, das man vorher eingenommen hat, gibt es kaum Zweifel. Schon seit knapp acht Jahren zieht das Management diesen Kurs durch. Dortmund setzt weiter auf junge, entwicklungsfähige Spieler und zahlt stark erfolgsabhängige Gehälter. So konnten trotz sportlicher Erfolge die Kosten im Rahmen gehalten werden.
Mit einem KGV deutlich unter zehn und einer Kurs-Umsatz-Relation von unter eins ist die Aktie billig. Seit 2005 hat der Verein mehr als 140 Millionen Euro Schulden abgebaut; sie liegen inzwischen bei überschaubaren 56 Millionen Euro. Finanziell steht der BVB so gut da wie nie zuvor, zittern und bibbern wie beim Halbfinale in Madrid muss BVB-Chef Watzke beim Blick in die Bilanzen jedenfalls nicht mehr.