Verkehrte (Finanz)welt
Landung des SpaceX-Raumschiffs SN15: Kommen Tech-Aktien auf den Boden der Tatsachen zurück? Quelle: imago images

Der Tech-Hausse droht die Landung

Während der Pandemie haben die globalen Asset-Preise neue Allzeithochs erklommen – befeuert durch die Geldflut der Zentralbanken. Vor allem wachstumsstarke Tech-Aktien waren die Gewinner. Kann dies endlos weitergehen?

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Egal wie man es dreht und wendet: Die derzeitigen makroökonomischen Rahmenbedingungen sind weiterhin außergewöhnlich. Die Notenbanken setzen nach wie vor auf niedrige Zinsen, geldpolitische Maßnahmen haben zu einem beispiellosen Geldmengenwachstum geführt.

Hinzu kommt die niedrige Umlaufgeschwindigkeit: Das Geld wird kaum in die Realwirtschaft investiert, sondern an den Kapitalmärkten angelegt. Dies führt zu einer enormen Inflation der Vermögenspreise. Zu sehen ist dieser Effekt zum Beispiel an den Immobilienmärkten. Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind im zweiten Quartal 2021 um durchschnittlich 10,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen. Dabei handelt es sich um den größten Anstieg seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000, berichtete unlängst das statistische Bundesamt. Auch an den Aktienmärkten jagt ein Höchststand den nächsten.

Dabei lohnt sich ein Blick auf die Entwicklungen innerhalb der Aktienmärkte. Durch das „easy money“ – also die Tatsache, dass es zurzeit viele Kapitalgeber gibt und die Konditionen noch dazu günstig sind – konnten Titel mit einer hohen Wachstumsdynamik noch einmal kräftig zulegen. Viele dieser oft auch als „Growth“-Titel bezeichneten Unternehmen konnten somit vergleichsweise einfach Geld bei institutionellen und privaten Anlegern einsammeln, um ihr Wachstum zu finanzieren. Gerade Technologie-Titel haben auf dieser Basis sehr hohe Bewertungsniveaus entwickelt. Auch Tech-Startups fanden in diesem Umfeld viele Kapitalgeber. Elon Musks Start-up SpaceX ist ein Beispiel. Anfang des Jahres hatte eine erfolgreiche Finanzierungsrunde die Bewertung des Raumfahrtunternehmens auf 74 Milliarden US-Dollar in die Höhe schnellen lassen.



Jedoch deutet einiges darauf hin, dass diese Rally bald an ihre Grenzen stoßen könnte. Zum einen ist bereits zu sehen, dass die Zentralbanken die Geldmengen langsam zurücknehmen und die Zinsen leicht anziehen – nicht zuletzt besteht ein zunehmender Inflationsdruck. Zum anderen haben die skizzierten Entwicklungen zu einer Konzentration an den Märkten geführt, die ein kritisches Niveau erreicht. Die zehn größten Unternehmen vereinen inzwischen 18 Prozent der Marktkapitalisierung auf sich. Damit liegt die Konzentration im weltweiten Aktienmarkt so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dass auf solche Verzerrungen eine Gegenbewegung, eine Art der Normalisierung, folgen wird, dahingehend sind sich viele Marktbeobachter einig.

Hilfreich zur Einordnung ist hier auch ein Blick in die Vergangenheit. Wer sich mit der von Holland ausgehenden Tulpenkrise des 17. Jahrhunderts näher beschäftigt, wird feststellen, dass die zugrundeliegenden Mechanismen und Zusammenhänge (extreme Ausweitung der im Umlauf befindlichen Münzen, also der Geldmenge, und Knappheit der Anlagealternativen, hier: Tulpen) ähnlich gelagert und vergleichbar sind.

Ausblick: Breite Diversifikation wird wichtiger

Wann genau sich aber in der aktuellen Situation Gegenbewegungen vollziehen werden, ist nicht vorherzusehen. Daher ist das Thema Diversifikation für Investoren entscheidender denn je. Das heißt, nicht alles auf die Growth-Karte zu setzen, sondern Assets breiter zu streuen und unterschiedliche Investmentstile im Portfolio miteinander zu kombinieren. Wichtig ist auch hier der Blick auf die Details, denn viele Indizes haben eine starke Gewichtung in Wachstumsaktien, insbesondere in den US-Märkten. Da zudem globale Standard-Indizes eine Gewichtung von bis zu 60 Prozent in US-Titel aufweisen, ist auch über dieses Vehikel allein keine breite Streuung gegeben.

Zur Diversifikation bieten sich daher günstige und gleichzeitig stabile Dividendentitel an. Bei diesen oft auch als defensiver Value-Stil bezeichneten Investitionen stehen insbesondere gut bewertete, sichere Branchen im Mittelpunkt. Gerade ein Fokus auf risikoärmere Titel und Sektoren, wie beispielsweise Konsumgüter, Telekommunikation und Versorger, führt implizit zu einer deutlich höheren Dividendenrendite im Vergleich zum Gesamtmarkt. Auch regional lässt sich hierbei festhalten, dass die europäischen Aktien sowie ihre Pendants aus Schwellenländern im defensiven Marktsegment deutlich attraktivere Dividendenrenditen in der Größenordnung von drei bis vier Prozent aufweisen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Mischung der Investment-Stile zu einer Reduktion des Portfoliorisikos und einem ausgewogeneren Risiko-Rendite-Verhältnis für langfristig orientierte Anleger führt.

Mehr zum Thema: Die Rekordjagd an den Börsen läuft. Für eine Entspannung bei Inflation und Zinsen kommt China und den Rohstoffmärkten eine Schlüsselrolle zu. Und hier gibt es hoffnungsvolle Signale.

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