Die Wette ging schon vier Tage später auf, als Capvis sein Paket an den US- Finanzinvestor KKR verkaufte. Die Folge war ein Kursfeuerwerk, das die WMF-Stammaktien in kurzer Zeit um ein Drittel nach oben trieb. Denn die New Yorker Beteiligungsgesellschaft unterbreitete allen Stammaktionären ein Übernahmeangebot über 47 Euro je Aktie an. Zuvor hatte das Papier nur 37 Euro gekostet.
Inzwischen sind die Stämme allerdings nicht mehr unbedingt erste Wahl. Denn auch für die Vorzüge gibt es ein Mindestangebot von KKR über 31,70 Euro je Aktie. Die Börse hofft aber auf mehr und hat den Kurs der Vorzüge über diese Marke gehievt. Ein Grund für die Kursavancen der Vorzüge: Capvis-Partner Daniel Flaig hatte vor Kurzem nicht ausgeschlossen, dass die Vorzüge in Stämme umgewandelt werden könnten, sollte das Paket an der Börse platziert werden – dies sei „eine Option“. Ob KKR ähnliche Pläne verfolgt, ist bisher nicht bekannt. Falls ja, dürften die Vorzüge ihren derzeitigen Abschlag von 27 Prozent auf den Stammaktienkurs schnell aufholen.
Ein Unikum in der Finanzwelt
Generell sind in Deutschland notierte Vorzugsaktien in der internationalen Finanzwelt weitgehend ein Unikum. Stamm- und Vorzugsaktien sind vor allem nicht mit den amerikanischen A- und B-Shares zu verwechseln. „Das führt dazu, dass viele ausländische Investoren damit auch nichts anfangen können“, sagt Leven vom DAI. Angelsächsische Investoren übersetzen Vorzugsaktien fälschlicherweise mit „Preferred Shares“. Diese sind in den USA aber eher mit Genussscheinen zu vergleichen, also festverzinslichen Papieren – aber es sind keine reinen Aktien.
In Deutschland nutzen vor allem Familienunternehmen Vorzugsaktien, um wie Zuckerberg & Co. nicht die Kontrolle über ihr Unternehmen zu verlieren. Eine Zeitlang wagten sich deutsche Mittelständler deshalb vor allem – und oft auch ausschließlich – mit Vorzügen an die Börse.
Während die Aktien mit unterschiedlichen Stimmrechten jedoch in den USA und bei Börsennovizen gerade in Mode sind, stirbt die Gattung der Vorzüge in Deutschland allmählich aus. Von den 30 Dax-Unternehmen haben nur noch sieben Gesellschaften sowohl Vorzüge als auch Stämme: BMW, FMC, Henkel, MAN, Metro, RWE und Volkswagen. In MDax, SDax und TecDax sind es sogar noch weniger. Der Grund, warum es, gemessen an der Gesamtzahl der deutschen Papiere, immer weniger Vorzüge gibt, ist simpel: „Der Trend bei Börsengängen geht zu Stammaktien“, sagt Leven.
Dabei haben Vorzüge eine lange, erfolgreiche Historie: Erstzeichner der im Dax notierten Henkel-Vorzüge freuen sich seit Oktober 1985 über einen Wertzuwachs von fast 1100 Prozent. Von der Henkel-Vorzugsaktie sollen heute sogar noch gültige, effektive Stücke existieren, also Aktienzertifikate aus Papier. Sie sind daran zu erkennen, dass sie im Hochformat gedruckt wurden. Stammaktien gab es in der analogen Zeit für gewöhnlich nur im Querformat.
Doch ob auf Papier gedruckt oder nur im Depot verwahrt: Mitstimmen auf der Hauptversammlung dürfen Vorzugsaktionäre nicht. Der Wert eines Stimmrechts, das alle deutsche Stammaktien haben, soll einer Studie der Weltbank zufolge bei 10 bis 15 Prozent liegen. Dementsprechend höher müsste die Dividende einer Vorzugsaktie gegenüber der für Stämme eigentlich sein. „Wer Vorzugsaktien ausgibt, will Herr im Haus bleiben, und muss dafür etwas mehr bieten“, sagt Christian Strenger, der im Aufsichtsrat von Fraport, TUI, Evonik und der Fondsgesellschaft DWS sitzt.