Intelligent investieren
Wie Anleger gute von schlechten Gewinnen unterscheiden. Quelle: dpa

So unterscheiden Sie gute Gewinne von schlechten

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Gewinne aus unfreien Märkten sind schlecht – nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Gesellschaft. Worauf Anleger achten sollten.

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Sind Unternehmensgewinne etwas Gutes? Welcher Gewinn ist angemessen, und welcher ist zu hoch? Diese und andere ethischen Fragen werden immer wieder aufgeworfen. Gut so: Die Bedingungen für gutes Handeln gilt es zu rationalisieren und zu verinnerlichen. Auch für den umsichtigen Investor ist es natürlich sinnvoll, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Verantwortliches Handeln, anständiges Geschäftsgebaren gegenüber Kunden und Mitwettbewerbern sind nicht zuletzt Faktoren, die den Investitionserfolg (mit-)bestimmen.

Führen wir uns dazu zunächst die Funktion des Gewinns vor Augen. In freien Märkten – in Märkten also, in denen die Eigentumsrechte aller respektiert werden – erzielt ein Unternehmen dann einen Gewinn, wenn die Produkte, die es anbietet, von den Nachfragern gekauft werden (und zwar freiwillig), und wenn dabei die Verkaufspreise die Herstellungskosten übersteigen. Der Gewinn stärkt das Unternehmen, und dadurch kann es seine Marktposition ausbauen – zum Vorteil der Nachfrager.  

Macht ein Unternehmen hingegen Verluste, so ist das ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass es die Nachfragewünsche nicht richtig bedient, mit den ihm anvertrauten Mitteln nicht weise umzugehen weiß. Während Unternehmen, die Gewinne machen, die Zufriedenheit der Nachfrager verbessern, leisten Unternehmen, die Verluste einfahren, einen negativen Beitrag. Verluste sind im wahrsten Sinne des Wortes schädlich: Nicht nur für die Unternehmensbesitzer und Angestellte, sondern auch für eine große Zahl von Menschen.

Zur Person

Denn man sollte wissen: In modernen, arbeitsteiligen Volkswirtschaften ist ja die Unternehmenstätigkeit überwiegend auf den Massenmarkt ausgerichtet. Der Nachfrager der großen Zahl bestimmt, was, wo und in welcher Qualität produziert wird; die Produktion verfeinerter Luxusgüter spielt hier nur eine recht untergeordnete Rolle. Unternehmen, die Gewinne machen, tragen folglich dazu bei, vor allem und insbesondere den Lebensstandard der Vielen zu verbessern.  

Rendite ist entscheidend

Gewinn ist nun aber nicht gleich Gewinn. Absolute Gewinnzahlen, die häufig durch die Presse geistern, sind in der Regel wenig aussagekräftig. Auf was es ankommt, ist die Rendite des Kapitaleinsatzes. Ein Beispiel dazu. Unternehmen A erzielt einen Jahresgewinn von, sagen wir, 10 Milliarden US-Dollar, während Unternehmen B nur 1 Milliarden US-Dollar erzielt. Ist Unternehmen A besser als Unternehmen B? Die Frage lässt sich anhand von absoluten Gewinnen nicht beantworten, vielmehr muss der Kapitaleinsatz in Betracht gezogen werden.

Nehmen wir an, Unternehmen A hat 100 Milliarden US-Dollar eingesetzt und Unternehmen B 5 Milliarden US-Dollar. Die Kapitalrendite von Unternehmen A beträgt demnach zehn Prozent (10 geteilt durch 100), die von Unternehmen B 20 Prozent (1 geteilt durch 5). Ganz offensichtlich ist Unternehmen B erfolgreicher als Unternehmen A, denn es hat besser gewirtschaftet. In freien Märkten kann sich Unternehmen B nun aber nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, wenn es auch künftig erfolgreich sein will.

In freien Märkten ist das Kapital nämlich ständig in Bewegung, es kennt keinen Ruhezustand. Zum einen werden Investoren bereit sein, Unternehmen B mit mehr Kapital zu versorgen, in der Hoffnung, es werde seine Erfolgsposition weiter verbessern können. Gleichzeitig drängen neue Anbieter, angelockt von der hohen Rendite, die Unternehmen B erzielt, auf dessen Markt. Ist deren Angebot erfolgreich, wird es die Kapitalrenditen, die Unternehmen B bislang erzielt hat, absenken.

Zum anderen wird Unternehmen A versuchen, seine Kapitalrendite zu verbessern, indem es Produktionsprozesse effizienter gestaltet oder neue und bessere Produkte entwickelt. Das wiederum bremst die Kapitalumlenkung von Unternehmen A zu Unternehmen B beziehungsweise zu den Konkurrenten von B ab. In diesem Wettbewerbsprozess werden alle Unternehmen angehalten, eine hohe Rendite auf das eingesetzte Kapital zu erwirtschaften – und das steht im Einklang mit den Wünschen der Nachfrager.

Wo Kapitalmarktexperten 2018 den Dax und die Wirtschaft sehen
Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin HelabaPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,4 Prozent Deutsche Wirtschaft +2,0 Prozent Dax 10.500 bis 13.500 Goldpreis 1.400 US-Dollar je Unze Quelle: dpa
Ulrich Stefan, Chef-Anlagestratege Deutsche BankPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,8 Prozent Deutsche Wirtschaft +1,8 Prozent Dax 14.100 Quelle: dpa
Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt DZ BankPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,8 Prozent Deutsche Wirtschaft +2,2 Prozent Dax 14.000 Quelle: Presse
Ulrich Kater, Chefvolkswirt Deka-BankPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,7 Prozent Deutsche Wirtschaft 2,2 Prozent Quelle: dpa
Uwe Burkert, Chefvolkswirt LBBWPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,6 Prozent Deutschland +2,3 Prozent Dax 13.700 Quelle: dpa
Erik F. Nielsen, Chefökonom UniCreditPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,9 Prozent Wirtschaft der Eurozone +2,3 Prozent Quelle: Presse
Stefan Krenzkamp, Chef-Anlagestratege Deutsche Asset ManagementPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,7 Prozent Wirtschaft der Europäischen Union +2,0 Prozent Dax 14.100 Quelle: Presse

Schlechte Gewinne auf Kosten anderer

Gewinnerzielung ist unverzichtbar für den volkswirtschaftlichen Fortschritt. Erzielt ein Unternehmen Gewinn, so bedeutet das, dass die Ersparnis in der Volkswirtschaft steigt: Der Unternehmer deckt nicht nur die Kosten der Produktion, er hat jetzt auch zusätzliche Mittel zur Verfügung, mit denen er die Produktion ausweiten kann. Wird der Gewinn (re-)investiert, steigt der Kapitalbestand der Volkswirtschaft. Die Güterproduktion nimmt zu, der materielle Lebensstandard verbessert sich, die realen Löhne steigen.

Man muss keine Sorge haben, Unternehmen könnten in einem freien Markt unangreifbar und allesbeherrschend werden. Jedes Unternehmen muss seinen erworbenen Erfolg am Markt tagtäglich neu verdienen. Sind die Kunden nicht mehr bereit, seine Produkte zu kaufen, ist es schnell vorbei mit dem Erfolg. Es ist folglich ein Trugschluss zu meinen, in freien Märkten sei eine errungene Gewinnposition in Stein gemeißelt. Die Kunden entscheiden vielmehr immer wieder aufs Neue über den Fortbestand des Unternehmenserfolges.

Charles G. Koch (*1935), Leiter des zweitgrößten US-Unternehmenskonglomerats Koch Industries, trifft in seinem Buch Good Profit. How Creating Value for Others Built One of the World’s Most Successful Companies (2015) die Unterscheidung zwischen „guten Gewinnen“ und „schlechten Gewinnen“. Sind die Märkte frei, haben also die Konsumenten Wahlfreiheit und die Unternehmen Produktionsfreiheit, entstehen „gute Gewinne“. Sie sind das Ergebnis von freiwilligen und beidseitig nutzbringenden Transaktionen, so Koch.

Anders stehen die Dinge in nicht freien, in gehemmten Märkten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass der Staat durch Ge- und Verbote, Auflagen, Steuern oder Subventionen eingreift. Er gestaltet dadurch Konsum und Produktion anders, als der ungehemmte Markt sie hervorbringen würde.

Die Staatseingriffe sind dabei niemals „neutral“. Stets begünstigen sie einige auf Kosten anderer. Subventioniert der Staat beispielsweise die Erzeugung eines Gutes mit Steuergeldern, winken Gewinne für Unternehmen, die diese Güter erzeugen. Die Besteuerten können jetzt aber weniger konsumieren, als sie eigentlich wünschen. Zudem sinken die Gewinne der Produzenten, deren Güter nun nicht mehr nachgefragt werden. Man kann also berechtigte Zweifel anmelden, ob die Gewinne der Unternehmen, die im Windschatten des Staates wirtschaften, „gute Gewinne“ sind. Es gibt vielmehr Grund, sie als „schlechte Gewinne“ zu einzustufen: Denn sie entstehen, weil einige (in unserem Beispiel: die Besteuerten) gezwungen werden, dafür zu bezahlen.

Ethische Leitlinien

Und was ist mit Unternehmen, die berauschende Getränke, gentechnisch veränderte Produkte oder Kriegs- und Glücksspiele anbieten? Vermutlich regen sich bei einigen Anlegern Bedenken, in diese Geschäfte zu investieren, bei anderen nicht. Für den umsichtigen Investor stellt sich die Frage: Gibt es eine Möglichkeit, eine ethisch-moralisch vernünftige Einstufung zu treffen? Eine, die es erlaubt, in verantwortungsvoller, gut begründeter Weise gute von schlechten Gewinnen zu unterscheiden?

Eine Möglichkeit besteht darin, sich am kategorischen Imperativ, wie ihn der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724 – 1804) formuliert hat, zu orientieren. Er lautet: „Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“. Dieses allgemeine Prinzip der praktischen Vernunft besagt beispielsweise, dass ich nicht wollen kann, dass stehlen erlaubt wird, denn das würde jedes Eigentum, das ich anstrebe (möglicherweise auch durch stehlen), unmöglich machen.

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Moralisch gute Gewinne

Bestimmte Geschäftsmodelle darf ich natürlich aufgrund meiner persönlichen Werteskala ablehnen, als nicht investierbar einstufen. Ein solches Urteil steht aber nicht notwendigerweise auch im Einklang mit dem höchsten Beurteilungskriterium für die Moralität, wie ihn der kategorische Imperativ darstellt. Nach ihm kann ich nicht wollen, dass unternehmerisches Handeln oder die Nachfrage der Konsumenten auf freien Märkten – auf denen die Eigentumsrechte der Menschen respektiert werden –, eingeschränkt oder verboten werden.

Denn ein solches Prinzip würde meine Handlungsfreiheit – die zum Beispiel auch meine Freiheit betrifft, dieses Argument vorzubringen – aufheben. Man erkennt: Mit Vernunftgründen kann ich Gewinne nicht allgemeinverbindlich für unmoralisch erklären, wenn sie auf freien Märkten erwirtschaftet werden, auf denen das Eigentum aller respektiert wird und Anbieter und Nachfrager freiwillig miteinander handeln – auch dann nicht, wenn ich persönlich die Produktionsweise oder die konkrete Nachfrage, die durch das Gut befriedigt wird, ablehne.

Zur Gewinnmaximierung

Kant gab der Sittlichkeit eine weitere Ausdrucksart: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Man könnte nun auf die Idee kommen: Gewinnmaximierung ist unvereinbar mit dem kategorischen Imperativ. Schließlich wird unter ihr alles zum Mittel für den Zweck. Das aber wäre eine Fehldeutung. Denn Handeln in freien Märkten bedeutet, dass jeder zugleich Mittel und Zweck ist: Jeder erreicht das, was er will, nur indem die anderen das erreichen, was sie wollen.

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Unternehmensgewinne, die in freien Märkten erwirtschaftet werden, als „zu hoch“ zu bezeichnen, und die Gewinnmaximierung zu verdammen, ist gleichbedeutend mit einer Herabwürdigung derjenigen Unternehmen, die der Gesellschaft am besten dienen. Das einzige Ziel aller Produktion ist, die Produktionsfaktoren so einzusetzen, dass man die größtmögliche Menge an Endprodukt erhält. Je weniger man zur Herstellung eines Produktes benötigt, desto mehr knappe Faktoren stehen zur Herstellung anderer Güter zur Verfügung.

Sein Geld in Unternehmen zu investieren, die sich auf freien Märkten im Wettbewerb behaupten, deren Produkte freiwillig gekauft werden, ohne dass dadurch Nichtkäufer zur Kasse gebeten werden, ist eine moralisch gute Sache. Solche Unternehmen dienen der Gesellschaft – also den (Mit-)Menschen – bestmöglich, sie machen „gute Gewinne“. Moralisch-ethische Bedenken sind vielmehr bei Geschäftsmodellen anzumelden, die der (Zwangs-)Staat privilegiert, subventioniert, reglementiert. Hier können keine „guten Gewinne“ erblühen.

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